BAG Urteil v. - 9 AZR 170/07

Leitsatz

[1] 1. Die für das Führen von Lastkraftwagen nach § 2 FPersV erforderliche Fahrerkarte ist kein vom Arbeitgeber zu beschaffendes Betriebsmittel.

2. Beantragt ein als Kraftfahrer beschäftigter Arbeitnehmer auf Aufforderung seines Arbeitgebers bei der zuständigen Behörde nach § 4 FPersV die Ausstellung der Fahrerkarte, so besteht kein Anspruch, entsprechend § 670 BGB den Ersatz der Kosten verlangen zu können, die im Zusammenhang mit der Beschaffung der Fahrerkarte entstehen.

Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 670; FPersV § 2; FPersV § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a; FPersV § 23 Abs. 1 Nr. 2; VO (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom Art. 13; VO (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Verordnung zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates) Erwägungen Nr. 1; VO (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Verordnung zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates) Erwägungen Nr. 16; VO (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Verordnung zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates) Erwägungen Nr. 17; VO (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Verordnung zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates) Erwägungen Art. 1; VO (EG) Nr. 1360/2002 der Kommission vom zur siebten Anpassung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr an den technischen Fortschritt Anhang I B IV 5.2; Lohntarifvertrag (LTV) für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen vom und vom § 4

Instanzenzug: ArbG Wesel, 3 Ca 1018/06 vom LAG Düsseldorf, 3 Sa 1225/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Erstattung von Auslagen für den Erwerb einer Fahrerkarte hat.

Der Kläger wird seit 1988 von der Beklagten als Kraftfahrer in ihrem Transportunternehmen beschäftigt. Auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. EU Nr. L 102 vom S. 1) sind ab für LKW ab 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht anstelle der bisherigen analogen Kontrollgeräte digitale Tachografen vorgesehen. Zum Betrieb des digitalen Aufzeichnungsgeräts ist neben einer Unternehmerkarte auch eine Fahrerkarte von der Größe einer Scheckkarte erforderlich. In dem auf der Fahrerkarte befindlichen Chip sind die persönlichen Daten des Fahrers in maschinenlesbarer Form gespeichert. Voraussetzung für den Erhalt der Fahrerkarte ist eine Meldebescheinigung sowie ein Lichtbild. Die Chipkarte wird vom Kraftfahrt-Bundesamt gegen eine Gebühr von 38,00 Euro erstellt. Die Karte steht im Eigentum des Fahrers und ist nicht an ein bestimmtes Fahrzeug gebunden. Die Beklagte gab mit Aushang vom bekannt, dass alle Fahrer verpflichtet seien, unverzüglich die Fahrerkarte bei den für den gewöhnlichen Wohnsitz zuständigen Fahrerlaubnisbehörden zu beantragen. Mit Schreiben vom machte der Kläger erfolglos die Erstattung der angefallenen Auslagen für die Karte, für Passfotos sowie für die Meldebescheinigung in Höhe von insgesamt 58,00 Euro geltend.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Vereinbarung der Manteltarifvertrag (MTV) sowie der Lohntarifvertrag (LTV) für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Weder der MTV vom noch der LTV vom noch der rückwirkend zum in Kraft getretene LTV vom enthalten eine Bestimmung zur Fahrerkarte. Geregelt ist nur die Gesundheitsuntersuchung. Dazu heißt es in § 4 LTV vom :

"§ 4

Gesundheitsuntersuchung

Bei Fahrern von Kraftfahrzeugen mit mehr als 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht und einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 5 Jahren und einem Mindestalter von 50 Jahren übernimmt der Arbeitgeber die fällige reguläre Gesundheitsuntersuchung und die Kosten für die Umschreibung bzw. Verlängerung der Fahrerlaubnis."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Aufwendungen für die Fahrerkarte zu erstatten. Die Karte sei für ihn nutzlos. Sie sei lediglich ein Teil des digitalen Tachografen, der ohne die Karte nicht funktioniere. Soweit die Fahrerkarte der Identifizierung des Fahrers diene, könne das auch durch eine digitale Erkennung des Fingerabdrucks oder der Iris bewerkstelligt werden. Es bestehe eine Parallele zur Kostenerstattung für die Gesundheitsuntersuchung nach § 4 LTV. Die Fahrerkarte müsse als Arbeitsmittel vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Im Übrigen stelle der Aushang vom mit seiner "Fahrerinformation" eine Kostenzusage dar.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 58,00 Euro netto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich. Es bestehe eine Parallele zur Fahrerlaubnis.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein erstinstanzliches Klageziel.

Gründe

A. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Ein Anspruch auf Kostenerstattung für die Beschaffung der Fahrerkarte ergibt sich weder aus tarifvertraglichen Regelungen oder einer Gesamtzusage durch Aushang vom noch aus § 670 BGB analog.

I. Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich nicht aus den Bestimmungen des MTV und des LTV. In beiden Tarifverträgen sind keine Regelungen getroffen, die den Arbeitgeber verpflichten, die Kosten der Beschaffung einer Fahrerkarte zu tragen.

1. Die vom Kläger angeführte Bestimmung des § 4 LTV regelt nach ihrem Wortlaut ausschließlich die Kostenerstattung für die Gesundheitsuntersuchung sowie die Verlängerung der Fahrerlaubnis für Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als fünf Jahren und einem Mindestalter von 50 Jahren. Der Wortlaut ist eindeutig. Er besagt nichts darüber, wer die Kosten einer Fahrerkarte zu tragen hat. Eine analoge Anwendung der Bestimmung scheidet aus. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung eine allgemeine Erstattungspflicht für behördlich erforderliche Dokumente des Arbeitnehmers vereinbaren wollten, sind nicht erkennbar. Zwar mag der Sinn und Zweck des § 4 LTV darauf gerichtet sein, Arbeitnehmer von bestimmten Kosten freizustellen, die ihnen regelmäßig auf Grund des Arbeitsverhältnisses entstehen. Ein Regelungswille, ihn generell von allen Kosten zu befreien, kann schon deswegen ausgeschlossen werden, weil die vereinbarte Erstattungsregelung nicht pauschal für alle Arbeitnehmer gilt, sondern nur Arbeitnehmer im vorgerückten Alter und einer längeren Betriebszugehörigkeit begünstigt.

2. Der LTV enthält auch in seiner nach der Einführung der Fahrerkarte abgeschlossenen Fassung vom keine Regelungslücke, die von den Gerichten für Arbeitssachen geschlossen werden könnte. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien die Frage der Kostentragung für die Fahrerkarte bewusst nicht geregelt haben (bewusste Regelungslücke) oder ob sie diese Frage nicht erkannt und deshalb ungeregelt gelassen haben (unbewusste Regelungslücke).

Im Falle einer bewussten Regelungslücke ist die Rechtsprechung zu einer Lückenfüllung nicht befugt, weil hierin ein Eingriff in die Tarifautonomie läge ( - BAGE 101, 1, 7; - 4 AZR 422/99 -BAGE 93, 318, 326; - 4 AZR 88/92 - juris Rn. 38, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 165; - 4 AZR 109/80 - BAGE 40, 345, 352; - 4 AZR 569/79 - BAGE 36, 218, 224 f.; Krause in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 4 Rn. 198; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 1038).

Im Falle einer unbewussten Regelungslücke ist es den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, diese zu schließen, sofern mehrere Möglichkeiten der Lückenschließung bestehen (vgl. - juris Rn. 27, AP BAT SR 2r § 2 Nr. 3; - 6 AZR 451/97 - BAGE 91, 358, 367; - 4 AZR 234/84 - BAGE 50, 137, 145 f.; - 4 AZR 569/79 -BAGE 36, 218, 225; - 4 AZR 769/76 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 6 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 11; Krause in Jacobs/Krause/Oetker § 4 Rn. 199). So ist es hier: Es kommen unterschiedliche Lösungen in Betracht. Die Tarifvertragsparteien könnten sich sowohl für eine als auch gegen eine Erstattungspflicht entscheiden. Denkbar wären auch nach Betriebszugehörigkeit differenzierende Lösungen, wie sie bereits in § 4 LTV angelegt sind. Es wäre ein Eingriff in die Autonomie der Tarifvertragsparteien, wenn das Revisionsgericht entschiede, welche Lösung ihm sachgerecht und angemessen erschiene.

II. Dem Kläger ist auch durch den Aushang vom keine Kostenerstattung zugesagt worden. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, enthält der Aushang keine Gesamtzusage.

1. Eine Gesamtzusage ist eine an alle Arbeitnehmer oder an abgrenzbare Gruppen von Arbeitnehmern in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Der Arbeitnehmer erwirbt dann einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung (§ 151 BGB) des in der Gesamtzusage enthaltenen Angebots des Arbeitgebers wird nicht erwartet (vgl. BAG GS - GS 1/82 - BAGE 53, 42, 55). Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich nach den für Willenserklärungen geltenden Regeln (§§ 133, 157 BGB). Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers (Senat - 9 AZR 140/99 - juris Rn. 33, AP BGB § 157 Nr. 15 = EzA BGB § 133 Nr. 22).

2. Da es sich bei dem Aushang um eine typische, über den Einzelfall hinausgehende Verlautbarung der Beklagten handelt, kann der Senat die Auslegung seines Inhalts uneingeschränkt überprüfen (vgl. Senat - 9 AZR 140/99 - juris Rn. 32, AP BGB § 157 Nr. 15 = EzA BGB § 133 Nr. 22; - juris Rn. 25, AP BGB § 611 Personalrabatt Nr. 1 = EzA BGB § 611 Personalrabatt Nr. 1; - 2 AZR 364/56 - AP ZPO § 549 Nr. 4).

3. Nach dem aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer zu beurteilenden objektiven Erklärungsgehalt enthält der Aushang vom keine Aussage, die Beklagte wolle die Kosten für die Beschaffung der Fahrerkarte übernehmen. Weder die Begleitumstände (vgl. - juris Rn. 20, MDR 2000, 692) noch die Interessenlage der Parteien (vgl. - juris Rn. 11, NJW 2000, 2099 mwN) legen ein solches Verständnis nahe.

a) In dem Aushang weist die Beklagte darauf hin, dass mit der rechtsverbindlichen Einführung digitaler Tachografen für Neufahrzeuge ab Anfang Mai 2006 zu rechnen ist. Weiter führt die Beklagte aus, dass bei Inanspruchnahme von Mietfahrzeugen sowie im Falle der Ersetzung defekter analoger Tachografen zeitnah Fahrzeuge mit digitalem Tachografen zum Einsatz kommen könnten. Die Beklagte erklärt - dies ist durch Fettdruck besonders hervorgehoben -, sie habe ihre Unternehmerkarte bereits bestellt. Mit einer ebenfalls durch Fettdruck hervorgehobenen Aufforderung werden die Fahrer angewiesen, sich ihrerseits unverzüglich die Fahrerkarte zu besorgen. Schließlich führt die Beklagte aus, dass die Fahrerkarte nur vom Fahrer beantragt werden könne und "zum Führerschein" gehöre.

b) Irgendein Hinweis dahingehend, die Beklagte werde die Kosten für die Beschaffung der Fahrerkarte erstatten, ist nicht erkennbar. Im Gegenteil sind Anhaltspunkte dafür auszumachen, der Fahrer habe die Kosten selbst zu tragen. Hierfür spricht die hervorgehobene Gegenüberstellung: Die Beklagte hat ihre Unternehmerkarte bereits bestellt, die Fahrer müssen nun ihrerseits die Fahrerkarte beantragen.

Dies kann so zu verstehen sein, jeder solle seinen Teil beitragen und - unausgesprochen - seine Kosten tragen. In diese Richtung weist auch der Hinweis der Beklagten, die Fahrerkarte gehöre zum Führerschein. Das kann so verstanden werden, der Fahrer habe die Kosten für die Beschaffung der Fahrerkarte ebenso zu tragen wie für die Beschaffung des Führerscheins.

c) Besondere Begleitumstände des Aushangs, die für die Auslegung bedeutsam sein könnten, sind nicht festgestellt.

Die objektive Interessenlage der Parteien ist nicht so gestaltet, dass ein verständiger Arbeitnehmer Grund zur Annahme hat, der Transportunternehmer wolle sich verpflichten, die Kosten der Beschaffung der Fahrerkarte zu übernehmen. Mag auch das betriebliche Interesse groß sein, es kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch der Arbeitnehmer ein eigenes Interesse hat. Die Fahrerkarte wird für ihn persönlich ausgestellt und ermöglicht ihm das Führen von LKW ab 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht. Die Nutzung der Fahrerkarte ist nicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis beschränkt. Ihre Gültigkeitsdauer beträgt fünf Jahre. Somit hat jede Partei ein Interesse. Der Kläger konnte bei dieser Interessenvermischung nicht ohne weiteres davon ausgehen, seine Arbeitgeberin wolle die Kosten übernehmen.

III. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen aus analoger Anwendung von § 670 BGB.

1. Nach § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz der Aufwendungen des Beauftragten verpflichtet. Diese Bestimmung findet auf einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, entsprechende Anwendung (Senat - 9 AZR 500/05 - Rn. 21, BAGE 118, 16; - 9 AZR 657/02 - AP BGB § 670 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 670 Nr. 1; - 9 AZR 307/96 - BAGE 89, 26; BAG GS - GS 1/60 - BAGE 12, 15). Der Beauftragte soll durch die Geschäftsbesorgung keinen Nachteil erleiden, aus ihr aber auch keinen Vorteil ziehen (Staudinger/Martinek BGB (2006) § 667 Rn. 1). Die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendigen Betriebsmittel hat der Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Nur was zur selbstverständlichen Einsatzpflicht des Arbeitnehmers bei der Arbeit gehört, wird durch die Vergütungszahlung ausgeglichen (Senat - 9 AZR 657/02 - aaO; BAG GS - GS 1/60 - aaO). Wer im Interesse des Arbeitgebers und auf dessen Wunsch Aufwendungen macht, die durch keine Vergütung abgegolten werden, kann Ersatz dieser Aufwendungen verlangen (Senat - 9 AZR 657/02 - juris Rn. 41, aaO; - 9 AZR 307/96 - BAGE 89, 26, 29; - juris Rn. 47, AP BGB § 618 Nr. 19 = EzA BGB § 618 Nr. 5; - 4 AZR 187/72 - BAGE 25, 107, 113).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Aufwendungsersatzanspruch in analoger Anwendung des § 670 BGB nicht anzuerkennen.

a) Es besteht ein beiderseitiges Interesse der Arbeitsvertragsparteien an der Beschaffung der Fahrerkarte. Auch bei typisierender Betrachtung kann nicht festgestellt werden, dass das Interesse des Arbeitgebers so weit überwiegt, dass allein der Arbeitgeber die Kosten tragen soll.

aa) Die Rechtsprechung hat für die Bewertung der Interessenlage darauf abgestellt, wem der Gesetzgeber eine Beschaffungspflicht zugewiesen hat. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer Aufwendungen für die nach den geltenden Unfallverhütungsvorschriften vorgeschriebenen Sicherheitsschuhe zu ersetzen. Auf Grund der Unfallverhütungsvorschriften sowie der gesetzlichen Regelung der §§ 618, 619 BGB obliege die Beschaffung von Sicherheitsschuhen allein dem Arbeitgeber. Deswegen liege der Kauf von Sicherheitsschuhen durch den Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers ( - 7 AZR 199/83 - Rn. 47, AP BGB § 618 Nr. 19 = EzA BGB § 618 Nr. 5). Das zum Ersatz der Aufwendungen gehörige Interesse des Arbeitgebers kann sich demnach aus den gesetzlichen Beschaffungsvorschriften ergeben.

Die Frage, wer die Fahrerkarte zu beschaffen hat, ist eindeutig geregelt:

Antragsberechtigt für die Erteilung der Fahrerkarte ist nach § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a FPersV nur der Inhaber der Fahrerlaubnis, somit allein der Arbeitnehmer. Dies spricht dafür, dass der gesetzlich ermächtigte Verordnungsgeber die Interessen so bewertet hat, dass der Fahrer die Kosten für die Erteilung der Fahrerkarte auch dann tragen soll, wenn er Arbeitnehmer ist.

bb) Der erkennende Senat hat in der Nutzung von privaten Räumlichkeiten zur Erfüllung der Arbeitspflicht ein Vermögensopfer gesehen, das Aufwendungsersatzansprüche in entsprechender Anwendung von § 670 BGB begründen könne ( - 9 AZR 657/02 - AP BGB § 670 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 670 Nr. 1). In dieser Entscheidung hat der Senat darauf abgestellt, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Ersatz der Aufwendungen verlangen kann, wenn sie in dessem Interesse liegen ( - 9 AZR 657/02 - Rn. 41, aaO). Zwar liegt auf der Hand, dass der Arbeitgeber ein erhebliches Interesse daran haben kann, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung zu Hause erbringen, um Kosten für die Unterhaltung von teurem Büroraum zu sparen. Zu beachten ist jedoch, dass auch der Arbeitnehmer ein Interesse an einem häuslichen Arbeitszimmer haben kann, um Fahrtkosten zu sparen. Dies verdeutlicht, dass Aufwendungen im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien liegen können. Dem Arbeitgeber kann nur dann das alleinige Tragen der Aufwendungen auferlegt werden, wenn sein Interesse so weit überwiegt, dass das Interesse des anderen vernachlässigt werden kann.

cc) Im Fall der Fahrerkarte ist die Bestimmung, in wessen Interesse die Beschaffung der Fahrerkarte vorrangig liegt, nicht eindeutig zu beantworten. Zwar kann der Arbeitnehmer regelmäßig darauf verweisen, dass er die Fahrerkarte auf Wunsch des Arbeitgebers und allein für einen Einsatz im Rahmen des Arbeitsverhältnisses beschafft hat. Der Arbeitgeber hat ein dringendes betriebliches Interesse daran, dass seine Arbeitnehmer über die für das Führen von Lastkraftwagen erforderliche (§ 2 FPersV) Fahrerkarte verfügen. Der Einsatz eines Fahrers auf einem LKW mit digitalem Tachografen, der über keine Fahrerkarte verfügt, würde eine Ordnungswidrigkeit des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 FPersV darstellen. Danach handelt ordnungswidrig iSd. § 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Fahrpersonalgesetzes, wer als Unternehmer gegen die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom "verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig ... entgegen Artikel 13 für ... die ordnungsgemäße Benutzung ... der Fahrerkarte nicht sorgt".

Andererseits hat der Arbeitnehmer auch ein eigenes Interesse an der Erlangung der Fahrerkarte. Ohne die Fahrerkarte dürfte er die vertraglich geschuldete Fahrtätigkeit nicht anbieten. Würde er einen LKW mit digitalem Tachografen ohne die erforderliche Fahrerkarte betreiben, beginge er ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit. Gem. § 23 Abs. 2 Nr. 2 FPersV handelt ordnungswidrig, "wer als Fahrer gegen die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig ... entgegen Artikel 13 für ... die ordnungsgemäße Benutzung ... der Fahrerkarte nicht sorgt".

Die Frage, in wessen Interesse die Beschaffung der Fahrerkarte vorrangig liegt, lässt sich auch mit einem Blick auf die Beweggründe des Verordnungsgebers nicht abschließend klären. So wird mit der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr insbesondere ausweislich der Erwägungen Nr. 1, 16 und 17 sowie des Art. 1 bezweckt, die Arbeitsbedingungen im Straßenverkehr zu verbessern. Dies liegt im Interesse der betroffenen Fahrer. Gleichzeitig wird jedoch das Ziel verfolgt, die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern (Erwägung Nr. 1 sowie Art. 1 der Verordnung). Dies wiederum liegt im Interesse der redlichen Unternehmer.

b) Die Beschaffung einer Fahrerkarte für Arbeitnehmer, die als LKW-Fahrer angestellt sind, kann als Teil der selbstverständlichen Einsatzpflicht angesehen werden.

Der erkennende Senat hat unter Berufung auf den Großen Senat festgestellt, dass nur, was zur "selbstverständlichen Einsatzpflicht" des Arbeitnehmers bei der Arbeit gehört, durch die Vergütungszahlung ausgeglichen wird ( - 9 AZR 657/02 - juris Rn. 47, AP BGB § 670 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 670 Nr. 1; BAG GS - GS 1/60 - BAGE 12, 15, 27). Deswegen kann der Arbeitnehmer keinen Ersatz für normalen Verschleiß seiner bei der Arbeit getragenen Kleidung verlangen (Senat - 9 AZR 307/96 - BAGE 89, 26, 29 f.; BAG GS - GS 1/60 - aaO). Dagegen kann er Ersatz von Aufwendungen für die Neubeschaffung von Kleidung verlangen, wenn der Sachschaden "durchaus außergewöhnlich" ist und der Arbeitnehmer nach der Art des Betriebs oder nach der Art der Arbeit nicht damit zu rechnen hatte (BAG GS - GS 1/60 - aaO, der Glasboden einer Korbflasche platzt ab, und Säure beschädigt die Kleider des Arbeitnehmers). Weiterhin hat der Senat entschieden, dass die ständige Nutzung von mindestens 8 m² Wohnraum im Interesse des Arbeitgebers auch im Außendienst den üblichen Rahmen übersteigt und damit nicht mehr zur selbstverständlichen Einsatzpflicht des Arbeitnehmers gehört (Senat - 9 AZR 657/02 - aaO).

Was zur selbstverständlichen Einsatzpflicht eines Arbeitnehmers gehört, ist nach der geschuldeten Arbeitsleistung zu bestimmen. Die Beschaffung einer Fahrerkarte für Arbeitnehmer, die als LKW-Fahrer angestellt sind, kann - anders etwa als bei einem als Chauffeur angestellten Fahrer - als Teil der selbstverständlichen Einsatzpflicht angesehen werden. Denn ohne Fahrerkarte könnte der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung als Lastkraftfahrer in LKW mit digitalem Tachografen nicht anbieten. Die Aufwendungen für die Fahrerkarte scheinen insoweit vergleichbar mit den Aufwendungen für die Verlängerung der Fahrerlaubnis inklusive Gesundheitsuntersuchung, die für Lastkraftfahrer alle fünf Jahre erforderlich wird (§§ 23, 24 iVm. Anlage 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, Fahrerlaubnis-Verordnung). Diese Kosten hat grundsätzlich der Fahrer selbst zu tragen. Hiervon gehen offensichtlich auch die Tarifvertragsparteien im Bereich der Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen aus; denn sonst wäre die Regelung in § 4 LTV überflüssig.

c) Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Fahrerkarte kein Bestandteil eines Tachografen und muss deshalb auch nicht als Arbeitsmittel vom Arbeitgeber bereitgestellt werden. Die Fahrerkarte kann in Verbindung mit jedem beliebigen digitalen Tachografen in jedem beliebigen entsprechend ausgestatteten Fahrzeug genutzt werden. Zwar stellt das im LKW eingebaute Kontrollgerät selbst ein Betriebsmittel dar, das ebenso wie der LKW vom Arbeitgeber zu beschaffen und finanzieren ist. Dies gilt für die Fahrerkarte jedoch nicht. Sie wird für den Arbeitnehmer persönlich ausgestellt und bleibt in seinem Besitz. Der Arbeitnehmer kann während der fünfjährigen Laufzeit der Fahrerkarte nacheinander oder gleichzeitig für beliebig viele Arbeitgeber LKW-Fahrten durchführen. Ebenso kann der Arbeitnehmer neben dem Arbeitsverhältnis als Selbstständiger unter Verwendung der Fahrerkarte einen LKW gewerblich nutzen. Diese Übertragbarkeit stellt ein gewichtiges Argument gegen eine Pflicht zur Kostenerstattung durch den Arbeitgeber dar.

Die Fahrerkarte kann entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht deswegen als Teil des Kontrollgeräts und damit als vom Arbeitgeber zu beschaffendes Betriebsmittel angesehen werden, weil sie nur eine Identifizierungsfunktion ähnlich einem elektronischen Fingerabdruck habe. Die Fahrerkarte dient nicht lediglich dazu, die Identität des Fahrers an das Kontrollgerät zu übermitteln. Vielmehr werden auf der Fahrerkarte ua. die Lenk- und Ruhezeiten des Karteninhabers gespeichert, um auch bei einem Einsatz auf wechselnden LKW die Einhaltung beispielsweise der vorgeschriebenen Ruhezeiten überprüfbar zu machen (siehe Verordnung (EG) Nr. 1360/2002 der Kommission vom zur siebten Anpassung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr an den technischen Fortschritt, Anhang I B IV 5.2 = Seite 37 f. nach juris).

B. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Fundstelle(n):
DB 2008 S. 933 Nr. 17
NJW 2008 S. 1612 Nr. 22
GAAAC-76393

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein