BGH Beschluss v. - IX ZB 137/07

Leitsatz

[1] Der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht deshalb unzulässig, weil der Gläubiger keine Auskunft über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs gegen sich erteilt.

Gesetze: InsO § 14 Abs. 1

Instanzenzug: AG Kleve, 31 IN 63/06 vom LG Kleve, 4 T 215/07 vom

Gründe

I.

Am beantragte der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubiger) wegen rückständiger Abgaben in Höhe von 32.973,01 € die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Mit Beschluss vom wurde der weitere Beteiligte zu 2 (fortan: Gutachter) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und mit der Erstattung eines Gutachtens über das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes sowie die Deckung der Verfahrenskosten beauftragt. Der Gutachter sah den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit als gegeben an. Die Verfahrenskosten könnten voraussichtlich mit Hilfe von Anfechtungsansprüchen gegen den antragstellenden Gläubiger gedeckt werden, der im anfechtungsrechtlich relevanten Zeitraum laut telefonischer Auskunft etwa 7.200 € im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben habe.

Das Insolvenzgericht forderte den Gläubiger auf, die seit März 2006 vereinnahmten Beträge mitzuteilen. Dies lehnte der Gläubiger ab.

Mit Beschluss vom hat das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig abgewiesen und dem Gläubiger die Verfahrenskosten auferlegt. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Gläubiger weiterhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners erreichen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 1, §§ 6, 7 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 574, 575 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der ergangenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Zwar sei der antragstellende Gläubiger nicht verpflichtet, Auskunft über mögliche Anfechtungsansprüche zu erteilen. Wenn er Anfragen des vorläufigen Verwalters und des Insolvenzgerichts jedoch nicht beantworte, obwohl die verlangten Auskünfte ohne großen Aufwand erteilt werden könnten, dürfe aus diesem Verhalten der Schluss gezogen werden, dass es ihm nicht um die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe, sondern nur darum, weiteres Vermögen ermitteln zu lassen, auf das er nach Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen zugreifen könne. Das sei ein Missbrauch des Eröffnungsverfahrens und unredlich.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 14 Abs. 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat. Das Tatbestandsmerkmal "rechtliches Interesse" ist eingefügt worden, um sicherzustellen, dass nur solche Gläubiger Anträge stellen, die im Falle der Eröffnung als Insolvenzgläubiger am Verfahren beteiligt wären, und um missbräuchlichen Anträgen vorzubeugen, die etwa zu dem Zweck gestellt werden, Zahlungen solventer, aber zahlungsunwilliger Schuldner zu erzwingen (BT-Drucks. 12/2443, S. 113). In aller Regel wird einem Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht abgesprochen werden können (, NZI 2006, 588, 589; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 22). Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig kann ein Antrag allerdings sein, wenn es dem Antragsteller um die Erreichung anderer Ziele als desjenigen der Befriedigung der eigenen Forderung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens geht (, NZG 2007, 623, 624; Jaeger/Gerhardt, InsO § 14 Rn. 4). Das gilt insbesondere für einen Antrag, mit dem der Gläubiger nur zu seinem eigenen Vorteil und zum Nachteil anderer Gläubiger Vermögensgegenstände des Schuldners ermitteln lassen will, in die er dann außerhalb eines Insolvenzverfahrens vollstrecken kann (, ZVI 2004, 753, 754).

b) Von diesen Grundsätzen scheint das Beschwerdegericht ausgegangen zu sein. Den Schluss, dass der Gläubiger verfahrensfremde Zwecke verfolge, hat es jedoch ausschließlich deshalb gezogen, weil der Gläubiger es abgelehnt hat, Einzelheiten der im anfechtungsrelevanten Zeitraum erfolgten Zahlungen mitzuteilen. Das ist nicht zulässig.

aa) Die Insolvenzordnung kennt keine Auskunftspflichten möglicher Anfechtungsschuldner gegenüber dem Insolvenzgericht. Erst recht bestehen derartige Pflichten nicht gegenüber dem (künftigen) Verwalter als dem (künftigen) Gegner des Anfechtungsprozesses. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt es im Zivilprozess keine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht. Vielmehr gilt der Beibringungsgrundsatz. Es ist Sache der Parteien, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und Beweismittel zu benennen. Darauf beruhen auch die Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Keine Partei ist gehalten, dem Gegner das Material für seinen Prozesssieg zu verschaffen, wenn nicht materiell-rechtliche Auskunfts- und Vorlagepflichten bestehen oder die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen (BGHZ 116, 47, 56; , WM 1990, 1844, 1845 f; Beschl. v. - III ZB 2/06, NJW 2007, 155, 156). Stellen die Erfolgsaussichten eines Anfechtungsprozesses nur eine Vorfrage bei der Prüfung der Verfahrenskostendeckung dar (§ 26 Abs. 1 InsO), kann nichts anderes gelten. Dass im vorliegenden Fall der mögliche Anfechtungsgegner derjenige ist, der den Insolvenzantrag gestellt hat, ändert schließlich ebenfalls nichts. Ob die Kosten des Insolvenzverfahrens voraussichtlich gedeckt sind, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Gläubigers. Dieser hat zwar die Möglichkeit, durch einen Verfahrenskostenvorschuss die Eröffnung eines massearmen Insolvenzverfahrens zu ermöglichen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO). Macht er von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch, hat es dabei sein Bewenden. Auf die Zulässigkeit seines Eröffnungsantrags wirkt sich die Weigerung, einen Verfahrenskostenvorschuss zu leisten, nicht aus. Ebenso wenig muss der Gläubiger dadurch zur Deckung der Verfahrenskosten beitragen, dass er einen Anfechtungsprozess gegen sich vorbereitet.

bb) Das Beschwerdegericht hat allein deshalb einen Missbrauch des Insolvenzeröffnungsverfahrens und die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke angenommen, weil der Gläubiger die verlangten Auskünfte zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs nicht erteilt hat. Damit hat es, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags an die Beantwortung der Fragen zu den Anfechtungsvoraussetzungen geknüpft. Dieses Vorgehen findet in der Insolvenzordnung keine Grundlage. § 14 Abs. 1 InsO verlangt lediglich die Darlegung und Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes. Weitere Aufklärung hat der Gläubiger nicht zu leisten.

3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO; vgl. BGHZ 160, 176, 185 f). Das Insolvenzgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gegeben sind.

Fundstelle(n):
DStR 2008 S. 1292 Nr. 27
NWB-Eilnachricht Nr. 12/2008 S. 1015
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2008 S. 613
WM 2008 S. 655 Nr. 14
ZIP 2008 S. 565 Nr. 12
WAAAC-73346

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja