BAG Urteil v. - 8 AZR 989/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 242; BGB § 611; BGB § 613a Abs. 1 Satz 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 322

Instanzenzug: ArbG Magdeburg, 11 Ca 2130/05 vom LAG Sachsen-Anhalt, 8 Sa 2/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin bei der beklagten Betriebserwerberin.

Die Klägerin war seit dem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der S H GmbH, in B beschäftigt, zuletzt in Teilzeit als Servicemechanikerin in der Kundendienstabteilung zu einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 1.573,01 Euro.

Die S H GmbH verlegte im Sommer 2004 ihre Produktion von B in die in M neu errichtete Betriebsstätte der Beklagten. Bei der ebenfalls zur S Unternehmensgruppe gehörigen S E AG in B verblieben der Vertrieb, das Marketing, die EDV und die Kundendienstabteilung. Mit Schreiben vom unterrichtete die S E AG die Klägerin und die anderen Mitarbeiter der Abteilung Kundenservice darüber, dass diese Abteilung der Produktion in M angegliedert werden und auf die Beklagte übergehen soll. So könnten Ressourcen gemeinsam genutzt werden, etwa durch gemeinsame Ersatzteilversorgung. Bei Auftragsspitzen sollten die Mitarbeiter der Abteilung Kundenservice von Mitarbeitern der Fertigung unterstützt werden und umgekehrt. Beide Abteilungen sollten in M unter einheitlicher Leitung arbeiten. Der Kundenservice sollte auch stärker in die Zusammenarbeit mit industriellen Kooperationspartnern und dem Handel einbezogen werden, zB bei der Prüfung, ob zurückgegebene Kommissionsware wiederverkäuflich ist.

Wegen ihrer persönlichen Verhältnisse und der schlechten Verkehrsverbindung zwischen B und M wollte die Klägerin einen Wechsel des Arbeitsorts nicht. Sie widersprach daher mit Schreiben vom an die S E AG, ebenso wie vier weitere Mitarbeiter der Kundendienstabteilung, einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte in M. Darauf kündigte die S E AG das Arbeitsverhältnis zur Klägerin mit Schreiben vom zum . Auch den anderen Mitarbeitern, die widersprochen hatten, wurde gekündigt. Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage blieb ohne Erfolg ( -).

Anfang März 2005 beschloss die Beklagte, die Kundendienstabteilung nicht nach M zu verlegen, sondern sie in B zu belassen und die dort bestehende Abteilung der S E AG zu übernehmen. Die Stellen der Mitarbeiter, die widersprochen hatten, wurden in B innerbetrieblich ausgeschrieben. Während drei Mitarbeiterinnen, die Widerspruch eingelegt hatten, ab dem von der Beklagten in B weiterhin beschäftigt wurden, lehnte diese die Bewerbung der Klägerin von Ende März 2005 ab und besetzte die Stelle anderweitig. Mit Schreiben vom erklärte die Klägerin sowohl gegenüber der S E AG als auch gegenüber der Beklagten die Anfechtung ihres Widerspruchs und bot ihre Arbeitsleistung an. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug am hat die Beklagte die Kundendienstabteilung nicht nach M verlagert.

Die Klägerin hat ihren Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte für unbeachtlich gehalten. Maßgeblich sei für sie der mitgeteilte Wechsel des Standorts nach M gewesen. Nach Änderung dieser ursprünglichen Planung hätte die Beklagte sie über die neue Sachlage informieren müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, zum Übergang ihres Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen Stellung zu nehmen. Sie habe das Recht, ihre Wiedereinstellung im Klageweg geltend zu machen, nicht verwirkt, da sie sich nach Kenntnis der neuen Sachlage noch vor Ablauf der Kündigungsfrist für die Beschäftigung in der in B verbleibenden Kundendienstabteilung beworben habe. Dies sei der Beklagten im Zeitpunkt des Übergangs der Abteilung am bekannt gewesen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrags zu den Arbeitsbedingungen, wie sie zuvor zwischen der Klägerin und der S E AG gemäß Arbeitsvertrag vom bestanden, unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer seit dem anzunehmen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Klagebegehren sei verwirkt. Der Widerspruch sei beachtlich, da die Klägerin zutreffend über einen Betriebsübergang nach dem damaligen Kenntnisstand unterrichtet worden sei. Eine erneute Unterrichtung sei nicht erforderlich gewesen, da der Verlagerungsentschluss nicht endgültig, sondern wegen aufgetretener Schwierigkeiten zunächst nur für einige Wochen und erst danach für einen längeren Zeitraum verschoben worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Wiedereinstellung im Betrieb in B (§ 611 iVm. § 242 BGB), den die Beklagte zu erfüllen verpflichtet ist (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin stehe nicht ihr Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte entgegen. Denn dieser Widerspruch sei auf Grund seiner Unterrichtung zu einem Betriebsübergang erfolgt, der später insbesondere hinsichtlich des angekündigten Standortwechsels nicht durchgeführt worden sei. Mit der vor Ablauf der Kündigungsfrist und vor Betriebsübergang getroffenen Entscheidung, die Standortverlagerung auf unbestimmte Zeit zu verzögern, sei offenkundig der Grund für den Widerspruch der Klägerin entfallen. Ihr hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, über ihr Widerspruchsrecht neu zu disponieren. In entsprechender Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB richte sich der Wiedereinstellungsanspruch nunmehr gegen die Beklagte. Er erfasse rückwirkend den Zeitraum bis zum Betriebsübergang am . Die Beklagte könne dem Anspruch keine berechtigten Interessen entgegenhalten. Soweit sie anderweitige Dispositionen getroffen und den Arbeitsplatz der Klägerin neu besetzt habe, sei sie nicht schutzwürdig. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin ihren Beschäftigungsanspruch in B nicht geltend machen werde. Dies ergebe sich schon aus der vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgten Bewerbung der Klägerin um eine Stelle in der in B verbleibenden Kundendienstabteilung.

B. Dem folgt der Senat im Ergebnis. Die Klage ist begründet, da die Klägerin einen Wiedereinstellungsanspruch hat, den die Beklagte erfüllen muss. Dem steht der Widerspruch, den die Klägerin auf die Information der S E erhoben hat, nicht entgegen.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Annahme ihres Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags und damit auf Abgabe einer Willenserklärung der Beklagten, die mit Rechtskraft eines dem Klageantrag stattgebenden Urteils gem. § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO als abgegeben gilt ( -BAGE 110, 336 = AP BGB § 613a Nr. 264 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 25, zu II 1 der Gründe; - 7 AZR 557/96 - BAGE 86, 194 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2, zu I der Gründe). Der Inhalt des abzuschließenden Arbeitsvertrags ist in dem Klageantrag hinreichend bezeichnet ( - BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5, zu I A 1 b der Gründe). Der Vertrag soll zu den Bedingungen und Besitzständen zustande kommen, die laut Arbeitsvertrag vom in dem am begründeten und am beendeten Arbeitsverhältnis mit der S E AG B gegolten haben.

2. Der Antrag enthält keine Einschränkung, dass die Wiedereinstellung erst mit Rechtskraft der Entscheidung erfolgen soll. Die Klägerin stützt ihre Klage darauf, dass infolge der Unbeachtlichkeit ihres Widerspruchs für sie ab bei der Beklagten eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestanden habe. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den Antrag dahingehend verstanden, dass die Klägerin die Einstellung rückwirkend zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs begehrt.

3. Ohne Erfolg wendet die Beklagte gegen die Zulässigkeit der Klage die Rechtskraft eines entgegenstehenden Urteils (§ 322 ZPO) ein. Der Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht mit dem des Kündigungsschutzverfahrens identisch. Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom (- 15 Sa 789/05 -) wurde über die Wirksamkeit der Kündigung der S E AG entschieden. Mit dem Wiedereinstellungsanspruch gegen die Beklagte als Betriebsteil nachfolgerin geht es um einen anderen Streitgegenstand ( - BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5, zu I A 2 der Gründe).

11. Die Klage ist auch begründet.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Wiedereinstellung in der auch nach dem in B verbliebenen Abteilung "Kundenservice".

a) Ein Wiedereinstellungsanspruch kommt in Betracht, wenn sich die der betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende Vorstellung des Arbeitgebers über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dazu muss sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergeben. Entsteht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, kommt nur ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht.

Zwar gehört zu der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit auch die Abschlussfreiheit. Aus der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers folgt, dass er grundsätzlich frei entscheiden kann, ob er dem bisherigen Arbeitnehmer ein neues Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags macht oder dessen Angebot annimmt ( - AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 5).

Auf der anderen Seite stehen das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers am Bestandsschutz nach den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes und die staatliche Verpflichtung zum Schutz seiner Berufsausübungsmöglichkeit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Die zur betriebsbedingten Kündigung entwickelte Rechtsprechung stellt auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs ab. Die hinreichend begründete Prognose zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit genügt und die spätere tatsächliche Entwicklung bleibt grundsätzlich unberücksichtigt. Diese "Vorverlagerung" des Prüfungszeitpunkts vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den oft viele Monate früher liegenden und nicht nur von der Dauer der Kündigungsfrist, sondern auch vom Willensentschluss des Arbeitgebers abhängigen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung verlangt in den Fällen nach einem Korrektiv, in denen sich die maßgeblichen Umstände entgegen der ursprünglichen Prognose nachträglich ändern ( - BAGE 85, 194 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1, zu II 4 b der Gründe; - 2 AZR 509/05 - AP BGB § 311a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 1). In solchen Fällen ist die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers durch einen Kontrahierungszwang eingeschränkt ( - BAGE 110, 336, 339 ff. = AP BGB § 613a Nr. 264 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 25; - 8 AZR 349/06 - AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 61). Die vertragliche Nebenpflicht zum erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags (§ 242 BGB) konkretisiert die Pflicht, auf die berechtigten Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen ( - BAGE 86, 194 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2, zu II 1 b der Gründe; - 7 AZR 904/98 - BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5, zu II B 2 der Gründe).

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht unter Anwendung dieser Rechtsprechung grundsätzlich einen Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin bejaht. Die ursprünglich von ihrer Arbeitgeberin, der S E AG unter dem aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochene Kündigung ist wirksam, weil im Zeitpunkt der Kündigung die Stilllegung der Abteilung "Kundenservice" in B zu prognostizieren war. Dies hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zur Kündigung rechtskräftig festgestellt. Jedoch ist spätestens Anfang März 2005, also noch während des Laufs der Kündigungsfrist, der Entschluss gefasst worden, den Kundenservice weiter in B fortzuführen, jetzt mit der Beklagten als Betriebsinhaberin. Damit entstand eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin, die zu einem Wiedereinstellungsanspruch führt.

2. Dieser Wiedereinstellungsanspruch richtet sich gegen die Beklagte, die ab die Abteilung "Kundenservice" als Betriebsteil in B übernommen hat.

Der Senat hat im Fall einer Insolvenzkündigung einen Wiedereinstellungsanspruch infolge eines vier Tage nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgten Betriebsübergangs abgelehnt ( - 8 AZR 198/03 - BAGE 110, 336 = AP BGB § 613a Nr. 264 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 25, zu II 2 d der Gründe). Besonderheiten des Bestandsschutzes bei Insolvenz spielen aber vorliegend keine Rolle. Der Senat hat dagegen einen Fortsetzungsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber dem neuen Betriebsinhaber dann bejaht, wenn der Betriebsübergang zwar erst am Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist stattfand, die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit jedoch schon während des Laufs der Kündigungsfrist entstanden und die ursprünglich bei Ausspruch der Kündigung anzustellende Prognose dadurch während des Laufs der Kündigungsfrist unzutreffend geworden war ( - 8 AZR 295/95 -BAGE 87, 115 = AP BGB § 613a Nr. 169 = EzA BGB § 613a Nr. 154, zu II 3 c der Gründe). So liegt der Fall hier. Der Anspruch der Klägerin auf Fortsetzung ihres wirksam gekündigten Arbeitsverhältnisses entstand gegenüber der S E AG spätestens Anfang März 2005, als der Beschluss gefasst wurde, die Abteilung "Kundenservice" in B fortzuführen, wobei die Beklagte ab neue Inhaberin des Betriebsteils werden sollte. Die S E AG ist diesem Anspruch nicht, selbst nicht angesichts der Bewerbung der Klägerin um eine der in B wiederzubesetzenden Stellen, nachgekommen. Dieser Fortsetzungsanspruch ist als Anspruch auf Wiedereinstellung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte als neue Betriebsinhaberin übergegangen. Weder der frühere noch der neue Betriebsinhaber können sich auf die Wirksamkeit der Kündigung berufen, wenn die an sich wirksame Kündigung noch während des Laufs der Kündigungsfrist durch einen Fortsetzungsanspruch korrigiert werden musste, weil mittlerweile Tatsachen entstanden sind, die die Prognose bei Kündigungsausspruch nachträglich als unzutreffend erscheinen lassen. Nichts anderes ergibt sich aus dem europäischen Recht ( - aaO).

3. Dem Klageantrag steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu einem rückwirkenden Abschluss eines Arbeitsvertrags verurteilt werden soll. Nach § 306 BGB aF war die Verurteilung zur Eingehung eines rückwirkenden Vertragsverhältnisses ausgeschlossen. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht geschlossen, eine Verurteilung zum Abschluss eines in der Vergangenheit liegenden Arbeitsvertrags sei nicht möglich ( - 7 AZR 904/98 - BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5). Diese Rechtslage hat sich mit dem Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (vom BGBl. I S. 3138) ab geändert. Nach § 275 Abs. 1 BGB nF ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Jedoch ist der rückwirkende Abschluss eines Vertrags nicht mehr nichtig. Damit ist auch eine dahingehende Verurteilung möglich ( - AP BGB § 311a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 1, zu B IV 2 der Gründe; - 9 AZR 522/03 - BAGE 110, 232 = AP TzBfG § 8 Nr. 12 = EzA TzBfG § 8 Nr. 10).

Aus § 894 ZPO ergibt sich nichts anderes. Danach gilt die Willenserklärung erst mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Beim Wiedereinstellungsanspruch ist es der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer berechtigt war, den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags vom Arbeitgeber zu verlangen. Hat der Arbeitgeber keinen Grund, dem Arbeitnehmer den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu verweigern, so ist er ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, das Angebot des Arbeitnehmers anzunehmen und ihm einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Unterlässt er dies, so regelt sich die Rechtsfolge nach den allgemeinen Vorschriften ( - AP BErzGG § 15 Nr. 47). Vorliegend war die Klägerin seit Anfang März 2005 berechtigt, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder die Wiedereinstellung zu verlangen.

4. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte auf Grund des Informationsschreibens der S E steht dem Klagebegehren nicht entgegen. Er ist unbeachtlich.

a) Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Information der S E ein "Betriebsübergang" auf die Beklagte in M werde am stattfinden, rechtlich zutreffend war.

Die S E AG hat darüber informiert, dass die Abteilung Kundenservice bei ihr ausgegliedert und dem Bereich der Produktion angegliedert werden soll. Dies wurde mit gemeinsamer Ressourcennutzung, gemeinsamer Ersatzteilversorgung und gegenseitiger Unterstützung bei Auftragsspitzen in den Bereichen Fertigung und Kundenservice sowie einer einheitlichen Leitung beider Abteilungen begründet. Wörtlich hieß es weiter:

"Für Sie bedeutet das, dass Ihr Arbeitsverhältnis zum auf die S H P GmbH in M übergeht und in unserem Unternehmen in B endet."

Gegen die Richtigkeit dieser Auskunft spricht, dass nur die Übertragung der Funktion "Kundenservice" auf die Beklagte geplant war. Diese Funktion sollte die Beklagte mit eigenen Betriebsmitteln, einer eigenen Organisation und unter Aufgabe der bisherigen Identität der Abteilung, wie sie in B existierte, in Zukunft ausüben. Die Kundendienstabteilung sollte in den Betriebsräumen in M und nicht mehr in B arbeiten. Sie sollte keine selbständige Abteilung mehr sein, sondern einheitlich mit der Abteilung Produktion geleitet werden, gemeinsam mit dieser das Material beziehen und bei Auftragsspitzen sollten die Mitarbeiter des Kundenservice in der Produktion arbeiten oder umgekehrt Produktionsarbeiter beim Kundenservice aushelfen. Der Kundenservice sollte auch stärker in die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der Industrie und des Handels einbezogen werden. Geplant war damals, die Eigenständigkeit der Abteilung zu verändern oder ganz aufzugeben und die Aufgaben des Kundenservice mit den Anforderungen der Produktion in M und dem Verkauf zu verzahnen. Die bisherige Kundenservice-Abteilung in B sollte dagegen aufgegeben werden. Die bloße Funktionsübertragung auf die Beklagte in M, verbunden mit der Stilllegung eines Teilbetriebs in B, hätte keinen Betriebsübergang dargestellt. Die anders lautende rechtliche Würdigung durch die S E AG wäre ebenso unzutreffend wie der Widerspruch der Klägerin unbeachtlich.

b) Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn selbst wenn nach der ursprünglichen Planung ein Betriebsübergang zu bejahen gewesen wäre, ist der Widerspruch der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht beachtlich. Die Maßnahme, über die seitens der S E AG unter dem informiert wurde, ist nicht durchgeführt worden. Zwar hat am ein Betriebsübergang auf die Beklagte stattgefunden. Die Beklagte hat jedoch an diesem Tag die unverändert in B weiterarbeitende Abteilung "Kundenservice" übernommen, was mit der durch Schreiben vom dargestellten Maßnahme nichts zu tun hat. Hinsichtlich dieses Betriebsübergangs hat die Klägerin auch keinen Widerspruch ausgesprochen. Der Widerspruch der Klägerin vom konnte sich schon deswegen nicht auf die neu beschlossene Maßnahme beziehen, da diese Beschlussfassung erst Anfang März 2005 erfolgt ist. Der Widerspruch der Klägerin zu dem Betriebsübergang gemäß der Information vom ging ins Leere, weil er sich auf eine Maßnahme bezog, die später, und zwar bis zum Abschluss der Tatsacheninstanzen dieses Rechtsstreits, nicht durchgeführt wurde. Bei einer völlig anderen Maßnahme als der, über die nach § 613a Abs. 5 BGB informiert wurde, handelt es sich auch nicht um eine Planungsänderung, bei der grundsätzlich kein Anspruch auf ergänzende Unterrichtung besteht, wenn der Unterrichtungspflichtige dem Arbeitnehmer Informationen nach seinem Kenntnisstand im Zeitpunkt der Unterrichtung erteilt hat ( - AP BGB § 613a Nr. 312 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 56, zu II 1 a der Gründe).

5. Der Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt.

a) Der Arbeitnehmer hat unverzüglich nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber zu stellen ( - BAGE 90, 153 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 5 = EzA BGB § 613a Nr. 171, zu C III 1 der Gründe). Entsprechend der Frist zur Ausübung des Widerspruchsrechts muss auch das Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsverlangen binnen einer Frist von einem Monat geltend gemacht werden, da der Zweck des Bestandsschutzes Phasen vermeidbarer Ungewissheit über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigt.

b) Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom um Einstellung beworben. Die Bewerbung erfolgte innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Planungsänderung und noch innerhalb der Kündigungsfrist. Zwar hat sie sich nicht auf einen Wiedereinstellungsanspruch berufen. In Ansehung des Bewerbungsschreibens konnte sich gleichwohl ein Vertrauen der S E AG als der bisherigen Betriebsinhaberin oder der Beklagten als der ausschreibenden künftigen Arbeitgeberin auf die endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nicht einstellen. Der Beklagten waren die den Wiedereinstellungsanspruch begründenden Tatsachen ebenso bekannt wie der Klägerin. Mit ihrer Bewerbung hat die Klägerin kundgetan, dass sie an einer Weiterbeschäftigung bei der Beklagten interessiert ist. Folglich wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, der Klägerin die Wiedereinstellung anzubieten.

6. Dem Wiedereinstellungsanspruch stehen berechtigte Interessen der Beklagten nicht entgegen. Solche können zwar durch zwischenzeitlich anderweitig getroffene Dispositionen entstanden sein, etwa wenn der Arbeitgeber den unvorhergesehen frei gewordenen Arbeitsplatz schon wieder im Vertrauen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt hat. Das gilt aber nicht, wenn der Arbeitgeber den erneuten Wegfall der in Betracht kommenden Beschäftigungsmöglichkeit treuwidrig herbeigeführt hat. Dies folgt aus dem in § 162 BGB normierten allgemeinen Rechtsgedanken, nach dem niemand aus einem von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile ziehen darf ( - AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51, zu II 3 c aa der Gründe; - 7 AZR 904/98 - BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5, zu II B 3 c der Gründe).

Die Beklagte war verpflichtet, der Klägerin die Wiedereinstellung anzubieten.

Die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin mit Schreiben vom und die anderweitige Neubesetzung des Arbeitsplatzes der Klägerin stellen sich als treuwidrig dar. Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass durch ihre eigenen Dispositionen eine Weiterbeschäftigung der Klägerin gemäß ihrem Wiedereinstellungsanspruch nicht mehr möglich ist.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 731 Nr. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 21/2008 S. 1981
YAAAC-72450

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein