BGH Urteil v. - I ZR 165/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: HGB § 425 Abs. 1; HGB § 429 Abs. 1; HGB § 435; HGB § 449 Abs. 2 Satz 1; HGB § 459; CMR Art. 41; ZPO § 139; ZPO § 286; ZPO § 287; BGB § 254 Abs. 1; BGB § 254 Abs. 2 Satz 1

Instanzenzug: LG Düsseldorf, 31 O 170/02 vom OLG Düsseldorf, I-18 U 78/04 vom

Tatbestand

Die Klägerin ist Transportversicherer der H. GmbH in Karlsbad (im Weiteren: Versenderin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin wegen Verlusts von Transportgut in 13 Fällen auf Schadensersatz in Anspruch.

Alle Transportaufträge wurden im sogenannten EDI-Verfahren abgewickelt. Hierbei handelt es sich um ein EDV-gestütztes Verfahren, bei dem die Versenderin die zu befördernden Pakete mittels einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Software selbst im System erfassen kann. Dieses System teilt sodann jedem Paket eine Kontrollnummer zu und erstellt einen Aufkleber, den die Versenderin auf das Paket aufbringen kann. Die Versanddaten werden auf elektronischem Wege an die Beklagte übermittelt. Der Abholfahrer der Beklagten nimmt die Vielzahl der von der Versenderin üblicherweise in einen sogenannten Feeder verladenen Pakete entgegen und quittiert die Gesamtzahl der übernommenen Pakete auf einem Absendermanifest. Einen Abgleich zwischen der Versandliste und dem Inhalt des Feeders nimmt der Abholfahrer nicht vor.

Die von der Beklagten im hier maßgeblichen Zeitraum verwendeten Allgemeinen Beförderungsbedingungen mit Stand von November 2000 enthielten (auszugsweise) folgende Regelungen:

"...

2. Serviceumfang

Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von U. angebotene Service auf Abholung, Transport, Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung.

Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des U. -Systems nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket.

...

9. Haftung

9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt.

In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal DM 1.000,00 pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist....

Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die U. , seine gesetzlichen Vertreter, oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben.

...

9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der "Tariftabelle und Serviceleistungen" aufgeführten Zuschlages auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In keinem Fall dürfen die in Absatz 3 (a) (ii) festgesetzten Grenzen überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Ziffer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt.

U. kann Wertzuschläge namens und im Auftrag des Versenders als Prämie für die Versicherung der Interessen des Versenders an eine Versicherungsgesellschaft weitergeben. In diesem Fall werden etwaige Ansprüche des Versenders auf Schadensersatz durch U. gestellt und im Namen der Versicherungsgesellschaft bezahlt. Die von U. für diese Zwecke eingesetzten Policen können bei der oben genannten Anschrift eingesehen werden.

..."

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe auch im Schadensfall 1 das abhandengekommene Paket übernommen. Die verlorengegangenen Pakete hätten die in den Rechnungen und Lieferscheinen aufgeführten Waren enthalten. Die Beklagte müsse für die Warenverluste in voller Höhe haften, da sie keine Aufklärung über den Verbleib der Sendungen leisten könne.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 52.172,16 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, ihre Allgemeinen Beförderungsbedingungen mit Stand von November 2000 seien in die streitgegenständlichen Beförderungsverträge einbezogen worden. Dadurch habe sie mit der Versenderin einen Verzicht auf Schnittstellenkontrollen vereinbart, weshalb ihr der Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens nicht gemacht werden könne. Im Übrigen müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden der Versenderin wegen fehlender Wertdeklaration zurechnen lassen. Im Falle einer Wertdeklaration behandele sie die ihr zur Beförderung übergebenen Pakete sorgfältiger, sofern deren Wert den Betrag von 2.500 € übersteige.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 50.997,99 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht der Klägerin unter Abweisung der Klage im Übrigen und Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 41.140,49 € nebst Zinsen zuerkannt.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Pakete nach § 425 Abs. 1, § 435 HGB (Schadensfälle 2, 3, 8 und 12) sowie Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR (Schadensfälle 1, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11 und 13) angenommen. Zur Begründung hat es - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:

Auch im Schadensfall 1 stehe fest, dass die Beklagte das Paket zur Beförderung übernommen habe. Die Unterschrift des Abholfahrers unter der EDI-Versanddaten-Zusammenfassung in Verbindung mit dem Absendermanifest erbringe den Beweis für die Übergabe des Pakets, da die Beklagte nach Eingang des Feeders im ersten Umschlagslager nicht unverzüglich eine Differenz zwischen der übertragenen Versandliste und dem tatsächlichen Paketeingang reklamiert habe.

Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass die in den Lieferscheinen und den korrespondierenden Rechnungen aufgeführten Waren dem von der Klägerin behaupteten Paketinhalt entsprochen hätten. In den Schadensfällen 2, 3, 5, 7 und 9 gäben die Lieferscheine und Rechnungen allerdings den Inhalt mehrerer Pakete wieder. Der zugunsten der Klägerin sprechende Anscheinsbeweis beziehe sich in diesen Fällen zunächst (nur) auf die Gesamtheit der versandten Waren. Daraus folge noch nicht, dass sich in dem jeweils in Verlust geratenen Paket die von der Klägerin behaupteten Waren befunden hätten. Die vorgelegten Absendermanifeste ließen aber weitere Rückschlüsse auf den Inhalt der Pakete zu. Gemäß § 287 ZPO stehe fest, dass die verloren gegangenen Pakete in den Schadensfällen 2 und 9 den von der Klägerin behaupteten Inhalt gehabt hätten. In den Schadensfällen 3, 5 und 7 sei dagegen von einem geringeren Warenwert auszugehen.

Die Beklagte hafte für die in Rede stehenden Verluste wegen qualifizierten Verschuldens unbeschränkt, da sie keine durchgängigen Ein- und Ausgangskontrollen an den Schnittstellen durchführe. Sie sei hiervon auch nicht befreit. Der nähere Vortrag der Beklagten zum vermutlichen Zeitpunkt der Verluste und zum Schadensort in den Schadensfällen 6 und 8 führe zu keiner anderen Beurteilung, da die Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt habe, welche Sicherungsmaßnahmen sie hinsichtlich des jeweiligen Pakets am Schadensort zum Zeitpunkt des Abhandenkommens ergriffen habe.

Ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden der Versenderin gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen unterlassener Wertdeklaration komme nicht in Betracht. Es stehe nicht fest, dass die Beklagte die in Verlust geratenen Pakete mit erhöhter Sicherheit befördert hätte, wenn diese als Wertpakete versandt worden wären. In den Schadensfällen 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12 scheitere der Mitverschuldenseinwand schon daran, dass der Wert der Pakete unter der Grenze von 2.500 € gelegen habe. Nach ihrem eigenen Vortrag hätte die Beklagte diese Pakete in jedem Fall wie Standardpakete behandelt. In den übrigen Schadensfällen, in denen der Wert der Pakete über 2.500 € gelegen habe, komme ein Mitverschulden der Versenderin gemäß § 254 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht in Betracht, weil die Beklagte nicht dargetan habe, auf welche Weise Wertpakete im EDI-Verfahren mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert würden. Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB wegen Unterlassens eines Hinweises auf einen außergewöhnlich hohen Schaden scheide ebenfalls aus, da ein ungewöhnlich hoher Schaden erst ab einem Paketwert von über 50.000 US-Dollar anzunehmen sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses über einen Betrag von 5.100,51 € hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt in den Schadensfällen 2, 3, 5, 7, 8 und 13 ein Mitverschulden der Versenderin in Betracht.

1. Das Berufungsgericht hat mit Recht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten für die hier in Rede stehenden Verluste von Transportgut nach § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1 HGB (Schadensfälle 2, 3, 8 und 12) und Art. 17 Abs. 1 CMR (Schadensfälle 1, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11 und 13) bejaht. Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Versenderin als Fixkostenspediteur i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und dass sich ihre Haftung demgemäß grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB, Art. 17 ff. CMR) beurteilt.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht im Schadensfall 1 die Übergabe des verlorengegangenen Pakets an die Beklagte für bewiesen erachtet hat. Durch die Vereinbarung des EDI-Verfahrens haben die Versenderin und die Beklagte die Abrede getroffen, dass der Inhalt einer Versandliste für einen von dem Abholfahrer der Beklagten quittierten Feeder als bestätigt gilt, sofern die Beklagte dem nicht unverzüglich widerspricht. Denn der Versender kann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) davon ausgehen, dass der Spediteur/Frachtführer nach Öffnung des verplombten Behältnisses, in dem sich die Pakete befinden, die Richtigkeit der Versandliste unverzüglich überprüft und dem Versender Beanstandungen ebenfalls unverzüglich mitteilt. Unterbleibt eine solche Beanstandung, kann der Versender dies nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens als Bestätigung der Versandliste ansehen, die damit die Wirkung einer Empfangsbestätigung erhält (, TranspR 2005, 403, 404 = VersR 2006, 573). Die - wie bei einer Empfangsbestätigung - begründete Vermutung, dass die in der Versandliste aufgeführten Pakete in die Obhut der Beklagten gelangt sind, hat die Beklagte im Schadensfall 1 nicht widerlegt.

3. Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde in den Schadensfällen 2, 3, 8 und 12 gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB und in den Schadensfällen 1, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11 und 13 gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR Schadensersatz, ohne sich auf die im Gesetz und in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen zu können, da sie die hier in Rede stehenden Warenverluste leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, verursacht habe.

a) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Beklagten leichtfertiges Handeln i.S. von § 435 HGB vorzuwerfen ist, da ihre Betriebsorganisation Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht (vgl. BGHZ 158, 322, 330 ff.; , TranspR 2004, 399, 401 = VersR 2006, 570; BGH TranspR 2005, 403, 405 m.w.N.).

b) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die Versenderin nicht wirksam auf die Durchführung von Schnittstellenkontrollen verzichtet hat. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein solcher Verzicht nicht aus Nr. 2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten (Stand November 2000). Dabei kann offenbleiben, ob sich die Regelung in Nr. 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten lediglich auf die Dokumentation der Schnittstellenkontrollen bezieht oder sich auch auf die Durchführung der Kontrollen selbst erstreckt. Wie der Senat zeitlich nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, wäre die Klausel, wenn sie einen Verzicht auf die Durchführung von Schnittstellenkontrollen selbst enthielte, gemäß § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB bzw. Art. 41 CMR unwirksam (, TranspR 2006, 171, 173; Urt. v. - I ZR 103/04, TranspR 2006, 169, 170 = NJW-RR 2006, 758 Tz. 18 ff.).

4. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu Inhalt und Wert der verlorengegangenen Pakete halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.

a) Der Beweis für den Inhalt und den Wert des jeweils verlorengegangenen Pakets unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO (, NJW-RR 2007, 28 Tz. 17 = TranspR 2006, 394; Urt. v. - I ZR 31/05, TranspR 2007, 418 Tz. 13; Urt. v. - I ZR 44/05, Umdr. S. 13). Der Tatrichter kann sich die Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, dem Fahrer der Beklagten seien die in den Rechnungen und Lieferscheinen aufgeführten Waren übergeben worden, daher anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls bilden (BGH NJW-RR 2007, 28 Tz. 17).

b) In den Schadensfällen 1, 4, 6, 8, 10, 11, 12 und 13 hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass der Beweis für den Paketinhalt durch die Angaben in den Rechnungen und Lieferscheinen erbracht ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass - wenn die Übergabe des Pakets feststeht - die Angaben in den Rechnungen und Lieferscheinen die Vermutung nahelegen, dass die Versenderin die darin aufgeführten Waren tatsächlich an den Transporteur übergeben hat. Dies folgt aus dem Umstand, dass im kaufmännischen Verkehr eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass an den gewerblichen Kunden exakt die bestellten und sodann berechneten Waren versandt wurden. Sofern die Güter - wie hier - in verschlossenen Behältnissen zum Versand gebracht wurden, ist bei kaufmännischen Absendern prima facie anzunehmen, dass die im Lieferschein und in der dazu korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren in dem Behältnis enthalten waren (vgl. , TranspR 2003, 156, 159; BGH NJW-RR 2007, 28 Tz. 19).

c) In den Schadensfällen 2, 3, 5, 7 und 9 hat sich das Berufungsgericht bei der Feststellung, welchen Inhalt die verlorengegangenen Pakete hatten, zwar auf § 287 ZPO gestützt, obwohl diese Frage einer Beweiswürdigung nach § 286 ZPO unterliegt. Trotz der Berufung auf § 287 ZPO hat sich das Berufungsgericht jedoch in jedem Einzelfall aus den Gesamtumständen seine Überzeugung verschafft, welche Güter in den abhandengekommenen Paketen enthalten waren und welchen Wert sie verkörperten. Diese Ausführungen begegnen auch unter dem Gesichtspunkt einer freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO keinen Bedenken.

5. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden der Versenderin in den Schadensfällen 2, 3, 5, 7, 8 und 13 nicht zurechnen lassen.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Falle des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB bzw. Art. 29 Abs. 1 CMR zu berücksichtigen ist (vgl. , TranspR 2003, 467, 471 = NJW 2003, 3626; Urt. v. - I ZR 55/01, TranspR 2004, 177, 179 = NJW-RR 2004, 394; Urt. v. - I ZR 4/04, TranspR 2006, 116, 117). Ein mitwirkender Schadensbeitrag des Versenders kann sich daraus ergeben, dass dieser eine Wertdeklaration unterlassen oder von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens abgesehen hat (BGH TranspR 2003, 467, 471; TranspR 2006, 116, 117; NJW-RR 2007, 28 Tz. 23).

b) In den Schadensfällen 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12 hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Versenderin zu Recht verneint, weil der Wert der abhandengekommenen Pakete in diesen Fällen jeweils unter 2.500 € lag und die Beklagte selbst vorgetragen hat, sie befördere Pakete erst ab einem Wert von mehr als 2.500 € sicherer.

c) In den Schadensfällen 2, 3, 5, 7, 8 und 13 kann dem Berufungsgericht dagegen nicht in seiner Annahme beigetreten werden, ein Mitverschulden der Versenderin gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen Unterlassens einer Wertdeklaration komme nicht in Betracht.

aa) Die Annahme eines Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration setzt voraus, dass der Versender wusste oder hätte wissen müssen, dass das Paket im Falle der Wertdeklaration sicherer befördert worden wäre (vgl. , TranspR 2006, 205, 206 f.). Nach dem Vortrag der Beklagten waren deren Allgemeine Beförderungsbedingungen (Stand November 2000) Gegenstand der streitgegenständlichen Beförderungsverträge. Hiervon ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren auszugehen. Aufgrund der Regelungen in Nr. 2 dieser Beförderungsbedingungen hätte die Versenderin erkennen können und müssen, dass nach der Betriebsorganisation der Beklagten bei Wertpaketen eine erhöhte Beförderungssicherheit gewährleistet werden soll (vgl. BGH TranspR 2006, 205, 206 f.; , Tz. 32 f.).

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und der bislang getroffenen Feststellungen in den Schadensfällen 2, 3, 5, 7, 8 und 13 ein Mitverschulden der Versenderin gemäß § 254 Abs. 1 BGB in Betracht. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Pakete bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandele, also besonderen Sicherungen unterstelle, wenn der Wert des Paketinhalts 2.500 € übersteige.

(1) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht dargetan, auf welche Weise sie sicherstellt, dass Wertpakete auch im EDI-Verfahren mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert werden. Die von ihr vorgetragenen Kontrollen bei der Beförderung von Wertpaketen könnten nicht umgesetzt werden, wenn Kunden, die am EDI-Verfahren teilnähmen, bei der Eingabe der Paketdaten zwar eine Wertdeklaration vornähmen, das wertdeklarierte Paket dann aber zusammen mit anderen Paketen in den Feeder gäben. Denn das Paket werde dann weiterhin wie eine Standardsendung befördert. Soweit die Beklagte in anderen Verfahren hierzu ausgeführt habe, der EDI-Kunde müsse dem Fahrer wertdeklarierte Pakete gesondert übergeben, fehle es vorliegend an näherem Vortrag dazu, wie sie die Versenderin hierüber informiert habe.

(2) Mit dieser Begründung kann ein Mitverschulden der Versenderin wegen des Unterlassens einer Wertdeklaration nicht verneint werden. Zwar hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die von der Beklagten vorgetragenen Kontrollen bei der Beförderung von Wertpaketen nicht umgesetzt werden können, wenn Kunden, die am EDI-Verfahren teilnehmen, bei der Eingabe der Paketdaten eine Wertdeklaration vornehmen, das wertdeklarierte Paket dann aber zusammen mit anderen Paketen in den Feeder geben. Eine gesonderte Behandlung ist aber im Falle einer separaten Übergabe an den Frachtführer möglich (BGH NJW-RR 2007, 28 Tz. 32). Da dies offenkundig ist, war dieser Umstand auch ohne einen ausdrücklichen Vortrag der Beklagten hierzu zu berücksichtigen (vgl. auch , TranspR 2007, 419 Tz. 22; Urt. v. - I ZR 175/05, TranspR 2007, 414 Tz. 22).

Der Annahme eines Mitverschuldens steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Versenderin hierüber nicht informiert hat. Wenn - was mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Beklagten zu unterstellen ist - die konkrete Ausgestaltung des Versandverfahrens dem Absender keinerlei Anhaltspunkte bietet, auf welche Weise wertdeklarierte Pakete einem besonders kontrollierten Transportsystem zugeführt werden, hat er selbst Maßnahmen zu ergreifen, um auf eine sorgfältigere Behandlung des wertdeklarierten Pakets aufmerksam zu machen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 28 Tz. 32). Von einem schadensursächlichen Mitverschulden der Versenderin ist deshalb auszugehen, weil sie hätte erkennen können, dass eine sorgfältigere Behandlung durch die Beklagte nur gewährleistet ist, wenn wertdeklarierte Pakete nicht mit anderen Paketen in den Feeder gegeben, sondern dem Abholfahrer der Beklagten separat übergeben werden. Dass eine solche gesonderte Übergabe an den Abholfahrer erforderlich ist, liegt angesichts der Ausgestaltung des vorliegend angewandten Verfahrens, das im beiderseitigen Interesse der Beschleunigung des Versands darauf angelegt ist, dass Paketkontrollen zunächst unterbleiben (vgl. BGH TranspR 2005, 403, 404), für einen ordentlichen und vernünftigen Versender auf der Hand (BGH NJW-RR 2007, 28 Tz. 32). Da die Pakete im Falle einer erfolgten Wertdeklaration und gesonderten Übergabe an den Abholfahrer im Ergebnis aus dem EDI-Verfahren herausgenommen werden, bedarf es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keines weiteren Vortrags zur Beförderungssicherheit wertdeklarierter Pakete, für die es keinerlei Frachtpapiere gibt. Auf die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung von § 139 ZPO kommt es daher nicht an.

d) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Versenderin ergebe sich in den Schadensfällen 2, 3, 5, 8 und 13 auch nicht daraus, dass diese nicht auf die Gefahr eines besonders hohen Schadens hingewiesen habe (§ 254 Abs. 2 BGB). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein ungewöhnlich hoher Schaden nicht erst bei einem Paketwert oberhalb von 50.000 US-Dollar gegeben. Wie der Senat zeitlich nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, liegt es angesichts des Umstands, dass nach den Beförderungsbedingungen der Beklagten Beträge von etwa 500 € und 50.000 US-Dollar im Raum stehen, nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert des Pakets 5.000 € übersteigt, also etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze von 511 € gemäß den Beförderungsbedingungen der Beklagten ausmacht (vgl. , TranspR 2006, 208, 209; BGH NJW-RR 2007, 28 Tz. 34).

Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlichen Wert des Guts keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH TranspR 2006, 208, 209). Dazu hat das Berufungsgericht bislang - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht über einen Betrag von 5.100,51 € (Summe der Schadensfälle 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12) hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
PAAAC-71990

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein