BAG Urteil v. - 6 AZR 1045/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: KSchG § 14 Abs. 1; GmbHG § 46 Nr. 5

Instanzenzug: ArbG Mainz 3 Ca 929/05 vom vom

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier von der Beklagten ausgesprochener Kündigungen.

Der Kläger stand seit dem auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 10./ in einem Arbeitsverhältnis zur S AG. Als Leiter Informationstechnologie bezog er ein Grundgehalt von jährlich 170.000,00 DM sowie eine erfolgsabhängige Tantieme.

Die Beklagte ist eine Konzerntochter der S AG. Sie firmierte zunächst unter der Bezeichnung S I GmbH. Ende des Jahres 2000 übernahm die Beklagte für den Konzern schrittweise Aufgaben der Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsbuchhaltung und der Informationstechnologie und wurde zunächst in Sch S C GmbH umbenannt. Am bestellte die Gesellschafterversammlung der Beklagten den Kläger zu einem der drei Geschäftsführer der Beklagten. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am . Der Kläger nahm danach weiterhin die Aufgabe des Leiters der Informationstechnologie entsprechend der im Anstellungsvertrag vom 10./ umschriebenen Aufgabenstellung wahr. Im Jahr 2001 erfolgte die Umbenennung der Beklagten in die jetzige Firmenbezeichnung. Die Konzernmutter S AG änderte Firmierung und Rechtsform in Sa KG.

Zum erfolgte ein Übergang des Betriebsteils Informationstechnologie von der Sa KG auf die Beklagte. Die Sa KG informierte den Kläger mit Schreiben vom über den hierdurch bewirkten Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Gleichzeitig schlossen der Kläger, die Beklagte und die Sa KG eine dreiseitige "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag", die wie folgt lautet:

"...

§ 1

Vertragsgegenstand

Zwischen der SA KG und dem Arbeitnehmer besteht ein Arbeitsverhältnis. Aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Neuordnung des Unternehmens tritt nunmehr die GmbH an die Stelle der SA KG, das heisst, es findet ein Wechsel der Vertragspartei auf Seiten des Arbeitgebers statt.

§ 2

Wechsel des Arbeitgebers

Mit Wirkung zum tritt die GmbH an die Stelle der SA KG. Beginnend mit dem besteht das Arbeitsverhältnis damit ausschließlich zwischen der GmbH und dem Arbeitnehmer. Zwischen der SA KG und der GmbH besteht Einvernehmen, dass die Bezüge des Arbeitnehmers ab von der GmbH getragen werden.

§ 3

Sonstige Vertragsmodalitäten

Sämtliche zwischen den vormaligen Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Regelungen bezüglich des Arbeitsverhältnisses behalten ihre Gültigkeit auch für das Arbeitsverhältnis zwischen der GmbH und dem Arbeitnehmer.

..."

Bei der Beklagten besteht eine Geschäftsordnung, in der die Aufgaben der drei Geschäftsführer näher bestimmt sind. Danach gibt es keine Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die nicht der Zustimmung des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Herrn A S, bedürfen.

Ende des Jahres 2002 bot die Beklagte dem Kläger den Abschluss eines von ihr entworfenen "GmbH-Geschäftsführer-Vertrages" an. Der Kläger lehnte das Vertragsangebot ab.

Mit Schreiben vom , zugegangen am , kündigte die Beklagte "das seit dem ... bestehende Anstellungsverhältnis" zum . Auf Grund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Beklagten abberufen. Mit Schreiben vom , zugegangen am , erklärte die Beklagte vorsorglich eine weitere ordentliche Kündigung zum .

Der Kläger hat geltend gemacht, zur Beklagten bestünden zwei Vertragsverhältnisse. Dies ergebe sich mittelbar aus der "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag" vom April 2002 sowie aus dem Zwischenzeugnis vom . Seiner Organstellung habe ein Geschäftsführerdienstverhältnis zugrunde gelegen, das neben das zur Konzernmutter bestehende Arbeitsverhältnis getreten sei. Das Arbeitsverhältnis sei infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen und habe als ruhendes fortbestanden. Die Kündigungen dieses Arbeitsverhältnisses seien nicht sozial gerechtfertigt. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom , welche dem Kläger am zugegangen ist, nicht mit Ablauf des aufgelöst wird,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom , dem Kläger zugegangen am , nicht mit Ablauf des aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien habe nur ein Rechtsverhältnis bestanden. Zum Zeitpunkt der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer sei kein weiteres Geschäftsführerdienstverhältnis begründet worden. Schuldrechtliche Grundlage der Organstellung sei der Arbeitsvertrag mit der Konzernmutter gewesen. Im Rahmen des Betriebsübergangs sei dieses Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen. Die Kündigung habe auf Grund der Organstellung des Klägers nicht der sozialen Rechtfertigung und der Anhörung des Betriebsrats bedurft.

Das den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als "nicht gegeben" erachtet. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Das Arbeitsgericht hat daraufhin die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom zum beendet worden.

I. Die Kündigung der Beklagten vom bedurfte nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG finden die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes auf das zwischen den Parteien allein bestehende Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Der Kläger war als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Organ der Beklagten. Da der Kläger auf Grund seiner Organstellung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes galt, bedurfte es vor dem Ausspruch der Kündigung auch keiner Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG.

1. Das Landesarbeitsgerichts hat gemäß § 559 ZPO bindend festgestellt, dass im Zusammenhang mit der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Beklagten kein weiteres Geschäftsführerdienstverhältnis zur Beklagten begründet wurde. Die Angriffe der Revision begründen keine andere rechtliche Beurteilung. Schuldrechtliche Grundlage der Organstellung des Klägers war allein der zu der Konzernmutter bestehende Arbeitsvertrag.

a) Hinsichtlich der Rechtsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern ist zu unterscheiden zwischen der Bestellung zum Organ der Gesellschaft und dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das der Bestellung zugrunde liegt. Aus der rechtlichen Trennung von Organ- und Anstellungsverhältnis folgt grundsätzlich, dass beide Rechtsverhältnisse rechtlich selbständig nebeneinander stehen ( - NJW 2003, 351, zu 2 a der Gründe). Durch die Bestellung als solche wird noch keine schuldrechtliche Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer begründet (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck GmbHG 18. Aufl. § 35 Rn. 166). Behauptet der gekündigte Geschäftsführer, es hätten zwei schuldrechtliche Rechtsverhältnisse bestanden (Geschäftsführerdienstverhältnis und ruhendes Arbeitsverhältnis), hat er im Einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass eine klar unterscheidbare und trennbare Doppelstellung vorlag (vgl. - BAGE 84, 377, 381). Der schuldrechtliche Vertrag des Geschäftsführers muss nicht mit der juristischen Person abgeschlossen werden, zu deren Organvertreter er bestellt werden soll. Wird ein bei einer Konzernobergesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer konzernabhängigen Gesellschaft bestellt, kann der mit der Konzernobergesellschaft abgeschlossene Arbeitsvertrag die Rechtsgrundlage für die Geschäftsführerbestellung bei der Tochtergesellschaft sein ( - BAGE 95, 62, 66 mwN).

b) Zwischen dem Kläger und der Konzernmutter der Beklagten wurde mit Wirkung vom ein Arbeitsverhältnis begründet. Dieser Vertrag ist anlässlich der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Beklagten nicht aufgehoben oder zum Ruhen gebracht worden. Der Kläger arbeitete weiterhin für die Konzernmutter der Beklagten und erhielt von ihr seine Vergütung. Zum Aufgabenbereich des Klägers gehörte nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten zum einen unverändert die Verantwortung für die Informationstechnologie im Konzern. Zum andern ist nach den nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit der Begründung der Organstellung die Tätigkeit für die beklagte Tochtergesellschaft in den bestehenden Arbeitsvertrag zur damaligen S AG aufgenommen worden. Die Geschäftsführertätigkeit ist auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Abreden erbracht worden.

c) Der Kläger hat gegen diese Feststellungen keine begründeten Rügen erhoben.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag" vom April 2002 nicht zwingend der Schluss, zum Zeitpunkt der Bestellung zum Geschäftsführer sei zusätzlich zu dem bestehenden Arbeitsvertrag mit der Beklagten ein weiterer Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen worden. Der Kläger übersieht, dass er bis dahin in einem Arbeitsverhältnis zur Konzernmutter stand und dieses Arbeitsverhältnis ohne Weiteres schuldrechtliche Grundlage der zur Beklagten bestehen Organstellung sein konnte (vgl. - BAGE 116, 254; - 5 AZR 664/98 - AP GmbHG § 35 Nr. 10 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 76). Soweit nach § 3 der "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag" sämtliche zwischen den vormaligen Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Regelungen bezüglich des Arbeitsverhältnisses ihre Gültigkeit auch für das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger behalten sollten, haben die Vertragsparteien damit lediglich klarstellend zum Ausdruck gebracht, was ohnehin gemäß § 613a Abs. 1 BGB Rechtsfolge des zum erfolgten Teilbetriebsübergangs war: Das zur Konzernmutter bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers ging mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte über und blieb einzige schuldrechtliche Grundlage der Organstellung des Klägers. Der Kläger unterlag als dritter Geschäftsführer der Beklagten im Innenverhältnis unstreitig ganz erheblichen Beschränkungen und hatte keine eigene Entscheidungskompetenz. Nach der Geschäftsordnung bedurften alle Rechtsgeschäfte und Maßnahmen der Zustimmung des Vorsitzenden der Geschäftsleitung. Im Innenverhältnis blieb der Kläger auch nach dem Betriebsübergang in einer weisungsabhängigen Stellung.

bb) Aus dem Zwischenzeugnis vom ergibt sich gleichfalls nicht, dass neben dem Arbeitsvertrag vom 10./ konkludent ein weiterer Geschäftsführerdienstvertrag vereinbart worden ist. Dort ist zwar ausgeführt, zum Aufgabenbereich des Klägers habe zum einen die Verantwortung für die "IT im Konzern, zum andern die Geschäftsführung ... der zentralen Dienstleistungsgesellschaft ..." gehört. Aus dem Vorliegen zweier abgrenzbarer Aufgabenbereiche kann jedoch nicht zwingend auf das Bestehen zweier Vertragsverhältnisse geschlossen werden. Es ist vielmehr ohne Weiteres denkbar, dass auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses verschiedene Aufgaben wahrgenommen werden.

cc) Die Parteien haben nach dem Betriebsübergang keinen Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen. Der Kläger hat vielmehr das entsprechende Angebot der Beklagten abgelehnt. Bereits auf Grund dieser ausdrücklichen Ablehnung kann die im Zusammenhang mit den Verhandlungen über eine Änderung erfolgte Gehaltserhöhung nicht als konkludenter Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags bewertet werden.

2. Die Kündigung vom bedurfte keines sie rechtfertigenden Grundes.

a) Der Kläger unterlag zum Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung am nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz nach §§ 1 ff. KSchG. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes (§§ 1 bis 14 KSchG) in Betrieben einer juristischen Person nicht für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthält eine negative Fiktion ( - BAGE 100, 182, 185 f.; - NJW 2002, 3104, zu II 3 a der Gründe). Die dort bezeichneten Personengruppen sind ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis vorliegt, allein wegen ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes herausgenommen. Die ordentliche Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers bedarf daher nicht der sozialen Rechtfertigung (vgl. - NJW-RR 2004, 540).

b) Der Kläger war am noch Geschäftsführer der Beklagten. Die Abberufung ist erst am erfolgt. Neben dem Arbeitsverhältnis, das schuldrechtliche Grundlage der Organstellung bei der Beklagten war, gab es kein weiteres Vertragsverhältnis zur Beklagten.

3. Die Kündigung vom ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Kläger galt zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Eine Anhörung des Betriebsrats vor der Kündigung war daher nicht erforderlich.

4. Da das Arbeitsverhältnis bereits auf Grund der Kündigung vom zum geendet hat, ist der gegen die weitere Kündigung vom gerichtete Klageantrag ohne weitere Prüfung abzuweisen.

II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
DB 2008 S. 355 Nr. 7
GmbH-StB 2008 S. 134 Nr. 5
GmbHR 2008 S. 429 Nr. 8
NJW 2008 S. 1018 Nr. 14
VAAAC-68009

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein