BFH Urteil v. - VI R 26/04 BStBl 2008 II S. 204

Zuschuss des Arbeitgebers zur Risikoübernahme durch Dritte bei ausgelagertem Optionsmodell als Sachlohn

Leitsatz

Leistet der Arbeitgeber im Rahmen eines ausgelagerten Optionsmodells zur Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer Zuschüsse an einen Dritten als Entgelt für die Übernahme von Kursrisiken, so führt dies bei den Arbeitnehmern zu Sachlohn, wenn die Risikoübernahme des Dritten auf einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruht.

Gesetze: EStG § 8 Abs. 1EStG § 8 Abs. 2 Satz 1EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1EStG i.d.F. des JStG 1996 § 8 Abs. 2 Satz 9

Instanzenzug: (EFG 2004, 1368) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft, die ihren Arbeitnehmern Vermögensbeteiligungen in zwei Modellvarianten anbot. Die erste Variante sah die steuerbegünstigte Überlassung von Aktien nach § 19a des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor. Im Rahmen der zweiten Variante (Innovatives Modell) bestand für die Arbeitnehmer der Klägerin und ihrer Konzernunternehmen die Möglichkeit, sich an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Beteiligungs-GbR) zu beteiligen. Alleiniger Geschäftszweck der Beteiligungs-GbR war es, ein Paket Aktien der Klägerin zu erwerben, zu halten und zu verwalten. Die Arbeitnehmer erhielten für eine Bareinlage von 300 DM einen Anteil am Aktienpaket im Emissionswert von 1 500 DM. Der Differenzbetrag von 1 200 DM wurde durch ein verzinsliches Darlehen der X (Bank) an die Beteiligungs-GbR finanziert. Zur Verwaltungsoptimierung und Risikoverlagerung wurde das Aktienpaket der Beteiligungs-GbR im Rahmen einer Wertpapierleihe gegen Kompensationszahlungen und eine Leihgebühr auf die Bank übertragen. Während der Dauer der Wertpapierleihe konnte die Bank über die geliehenen Aktien frei verfügen. Anstelle der jährlichen Zinszahlung konnte die Beteiligungs-GbR wahlweise ihre Ansprüche aus der Wertpapierleihe an Erfüllungs Statt an die Bank abtreten. Das Darlehen hatte eine Laufzeit von etwas mehr als fünf Jahren. So lange sollte auch die Beteiligungs-GbR bestehen. Am Laufzeitende war das Darlehen an die Bank zurückzuzahlen, wobei der Rückzahlungsbetrag von der Notierung der Aktie der Klägerin am Rückzahlungstag abhängig war. Lag der Wert der Aktie unter dem Wert bei Darlehensabschluss, fiel der Rückzahlungsbetrag um den Unterschiedsbetrag, so dass die Arbeitnehmer ihre Bareinlage von 300 DM in voller Höhe zurückerhielten. Für die Übernahme des Kursrisikos und die Gewährleistung der Rückzahlung der Bareinlage zahlte die Klägerin der Bank einen Modellkostenzuschuss (Zuschuss) von insgesamt 220 DM für jeden beteiligten Arbeitnehmer, der bis zum Laufzeitende der Beteiligungs-GbR in monatlichen Teilbeträgen geleistet wurde.

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) den Zuschuss für die Streitjahre (1996 und 1997) als steuerpflichtigen Arbeitslohn an, da der Zuschuss eine Kostenerstattung seitens der Klägerin gegenüber den Arbeitnehmern für die Absicherung des Kursrisikos durch die Bank darstelle. Das FA erließ einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer nebst Annexsteuern in Höhe von . DM. Hiervon entfielen ein Teilbetrag in Höhe von . DM auf die Nachforderung von Lohnsteuer nebst Annexsteuern für 1996 und 1997, die die geleisteten Zuschüsse betraf, und ein weiterer Teilbetrag in Höhe von . DM auf die Nachforderung von Lohnsteuer nebst Annexsteuern für die steuerbegünstigte Überlassung von Aktien nach § 19a EStG.

Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die Klägerin Klage gegen die Lohnsteuer-Nachforderung für die geleisteten Zuschüsse und die steuerbegünstigte Überlassung von Aktien nach § 19a EStG. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1368 veröffentlichten Gründen statt. Zur Begründung führte das FG hinsichtlich der geleisteten Zuschüsse aus, der Zuschuss der Klägerin bilde einen steuerfreien Sachbezug nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (a.F.). Die Revision wurde vom FG nur hinsichtlich dieses Streitpunkts zugelassen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit eine über den —für die steuerbegünstigte Überlassung von Aktien nach § 19a EStG nachgeforderten— Betrag von . DM hinausgehende Reduzierung des Nachforderungsbescheides beantragt wird.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt nicht vor. Der Senat hat die vom FA erhobene Verfahrensrüge geprüft. Er erachtet sie nicht für durchgreifend und sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

2. Das FG hat den von der Klägerin an die Bank gezahlten Zuschuss zutreffend als steuerfreien Sachbezug angesehen und den Haftungs- und Nachforderungsbescheid des FA insoweit zu Recht aufgehoben.

a) Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Zu den geldwerten Vorteilen gehören neben Einnahmen in Geld auch Güter in Geldeswert (Sachbezüge). Sachbezüge, die nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewerten sind, bleiben gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG a.F. außer Ansatz, wenn die geldwerten Vorteile des Steuerpflichtigen insgesamt 50 DM im Kalendermonat nicht übersteigen.

Eine —die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG a.F. ausschließende— Einnahme in Geld i.S. des § 8 Abs. 1 EStG liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber eine Zahlung an einen Gläubiger des Arbeitnehmers leistet und dadurch in Abkürzung des Zahlungswegs eine Forderung des Gläubigers gegen den Arbeitnehmer getilgt wird (, BFHE 183, 568, BStBl II 1997, 667; Urteile vom VI R 161/01, BFHE 201, 130, BStBl II 2003, 331; vom VI R 51/03, BFHE 207, 314, BStBl II 2005, 137). Die Annahme einer Barlohnzuwendung im abgekürzten Zahlungsweg setzt voraus, dass zwischen dem Arbeitnehmer und dem Zahlungsempfänger hinsichtlich der von diesem zu erbringenden Leistung ein Vertragsverhältnis besteht. Ist dagegen der Arbeitgeber Vertragspartner des Leistungserbringers, liegt beim Arbeitnehmer ein Sachbezug vor (Schmidt/ Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 8 Rz 30; Adamek in Bordewin/ Brandt, § 8 EStG Rz 9; Bergkemper, Anm. in Finanzrundschau —FR— 2006, 1134; Kanzler, Anm. in FR 2002, 590; MIT, Anm. in Deutsches Steuerrecht —DStR— 2003, 732; vgl. BFH-Urteile in BFHE 201, 130, BStBl II 2003, 331; in BFHE 207, 314, BStBl II 2005, 137).

b) Nach diesen Grundsätzen ist das angefochtene Urteil des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Der von der Klägerin an die Bank gezahlte Zuschuss gehört zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Zuschuss begründet einen geldwerten Vorteil, der den Arbeitnehmern für eine Beschäftigung bei der Klägerin bzw. ihrem Konzernunternehmen gewährt wurde. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), wurde der Zuschuss von der Klägerin ausschließlich für eigene Arbeitnehmer und Arbeitnehmer ihrer Konzernunternehmen gezahlt. Die Veranlassung durch das Beschäftigungsverhältnis schließt eine Zuordnung des Zuschusses zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 und 2 EStG aus.

Der Klägerin ist nicht darin zu folgen, dass die Zahlung des Zuschusses in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse erfolgt sei. Denn das Interesse der Klägerin daran, über eine hohe Mitarbeiterbeteiligung zum Erfolg des Börsengangs beizutragen, ist allenfalls als gleichwertig zum Interesse der Arbeitnehmer anzusehen, dass durch die Bank das Kursrisiko für die über die Beteiligungs-GbR erworbenen Aktien der Klägerin übernommen und die Rückzahlung der Einlage in die Beteiligungs-GbR sichergestellt wurde (vgl. , BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687, unter 2. a der Gründe).

bb) Entgegen der Auffassung des FA führt der an die Bank gezahlte Zuschuss der Klägerin bei den Arbeitnehmern nicht zu Einnahmen in Geld i.S. des § 8 Abs. 1 EStG, sondern zu einem Sachbezug nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG leistete die Klägerin den Zuschuss aufgrund einer eigenen Verpflichtung gegenüber der Bank. Der Zuschuss bildete danach das Entgelt dafür, dass die Bank das Risiko aus der Wertentwicklung der von den Arbeitnehmern über die Beteiligungs-GbR erworbenen Aktien der Klägerin übernahm und zugleich für die Arbeitnehmer über die gesamte Laufzeit des Innovativen Modells die Rückzahlung der in die Beteiligungs-GbR geleisteten Einlage sicherstellte. Die von der Bank gegenüber den Arbeitnehmern erbrachten Dienstleistungen beruhten auf vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin. Zwischen der Bank und den einzelnen Arbeitnehmern bestanden —im Gegensatz zur Auffassung des FA auch nicht über die Beteiligungs-GbR— im Hinblick auf den Zuschuss keine eigenständigen Rechtsbeziehungen. Die Klägerin hat damit durch den Zuschuss nicht lediglich eine fremde Dienstleistung im abgekürzten Zahlungsweg finanziert, sondern den Arbeitnehmern selbst über die Bank eine Dienstleistung verschafft (vgl. BFH-Urteil in BFHE 201, 130, BStBl II 2003, 331; MIT, Anm. in DStR 2003, 732).

cc) Der den Arbeitnehmern in den Streitjahren als Sachbezug zugeflossene Arbeitslohn liegt unterhalb der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG a.F.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wurde der Zuschuss von insgesamt 220 DM von der Klägerin ab dem Streitjahr 1996 monatlich anteilig über etwas mehr als fünf Jahre an die Bank gezahlt. Als Gegenleistung übernahm die Bank bereits in den Streitjahren gegenüber den Arbeitnehmern das Kursrisiko der Aktien der Klägerin und sicherte die Rückzahlung der Einlage der Arbeitnehmer in die Beteiligungs-GbR. Das FG hat daher zutreffend angenommen, dass den Arbeitnehmern in den Streitjahren Sachbezüge in Höhe der monatlich anteilig an die Bank gezahlten Zuschüsse zugeflossen sind.

Auf die Sachbezüge der Arbeitnehmer ist im Streitfall § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG a.F. anwendbar, da sich die Bewertung der Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG richtet. Die monatlich anteilig gezahlten Zuschüsse der Klägerin überstiegen —in Ermangelung weiterer Sachbezüge— die danach geltende Freigrenze von 50 DM nicht, so dass die Sachbezüge der Arbeitnehmer steuerfrei blieben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:



Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 204
BB 2008 S. 96 Nr. 3
BStBl II 2008 S. 204 Nr. 5
DB 2008 S. 33 Nr. 1
DStRE 2008 S. 141 Nr. 3
DStZ 2008 S. 235 Nr. 8
DStZ 2008 S. 60 Nr. 3
EStB 2008 S. 9 Nr. 1
FR 2008 S. 280 Nr. 6
HFR 2008 S. 119 Nr. 2
KÖSDI 2008 S. 15852 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2008 S. 4718
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2007 S. 4715
SJ 2008 S. 7 Nr. 2
StB 2008 S. 2 Nr. 1
StBW 2007 S. 2 Nr. 26
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2007 S. 953
WPg 2008 S. 127 Nr. 3
SAAAC-65405