BAG Urteil v. - 2 AZR 599/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ArbGG § 69 Abs. 2; ArbGG § 69 Abs. 3; ZPO § 313

Instanzenzug: ArbG Leipzig 6 Ca 7988/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Änderungskündigung.

Die 1972 geborene Klägerin ist ledig und einem Kind unterhaltsverpflichtet.

Seit 1989 ist sie bei der Beklagten - zuletzt als Zugansagerin in N - beschäftigt und erzielte zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen iHv. 1.800,00 Euro. Kraft einzelvertraglicher Bezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis die für die Beklagte abgeschlossenen Tarifverträge in der zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen Fassung Anwendung.

Auf der Grundlage des Beschlusses ihres Vorstands vom erließ die Beklagte, wie sie vorgetragen hat, unter dem eine Organisationsanweisung zur Umstrukturierung des Regionalbereichs Südost, bestehend aus den Betrieben S 5 (Sachsen-Anhalt), S 7 (Sachsen) und S 8 (Thüringen). Die Umstrukturierung betraf 884 Arbeitnehmer und hatte ua. einen Personalabbau (je nach Betrieb) von 10 bis 15 % zum Ziel. Unter dem vereinbarten die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat im Hinblick auf die Umsetzung der mit dieser Maßnahme verbundenen Betriebsänderungen einen als Teilinteressenausgleich Nr. 11 (im Folgenden: TIA) bezeichneten Interessenausgleich. Bereits unter dem hatten die Betriebsräte der Betriebe S 5, S 7 und S 8 mit der Beklagten eine Auswahlrichtlinie für personelle Maßnahmen in Zusammenhang mit dem TIA vereinbart. Eine Namensliste der im Rahmen dieser Betriebsänderung von (Änderungs-)Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer, in welcher auch die Klägerin aufgeführt ist, wurde am unter Bezugnahme auf den TIA vereinbart und auf Arbeitnehmerseite durch Vertreter des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin unterzeichnet.

Nachdem die Beklagte den Betriebsrat des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin mit Schreiben vom - dem Betriebsrat zugegangen am - über die beabsichtigte Kündigung informiert hatte, sprach sie der Klägerin unter dem zum Ablauf des eine betriebsbedingte Kündigung aus. Gleichzeitig bot sie der Klägerin mit Wirkung zum eine Weiterbeschäftigung als Mitarbeiterin Service in H an. Die Klägerin lehnte das Angebot ab.

Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Die Beklagte könne sich nicht auf die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG stützen. Im Einzelnen hat die Klägerin im ersten und im zweiten Rechtszug hierzu, ohne dass dieses Vorbringen im Berufungsurteil Erwähnung fände, unter Benennung von Einzeltatsachen und teilweise unter Beweisantritt im Wesentlichen wie folgt vorgetragen: Weder liege eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG vor noch sei ein wirksamer Interessenausgleich mit Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG abgeschlossen worden. Die von der Beklagten behauptete Umstrukturierung werde ebenso bestritten wie ein dahingehender Beschluss. Aus den von der Beklagten überreichten Dokumenten erschließe sich nicht, worin die angebliche Umstrukturierung bestehen solle. Die zu den einzelnen Änderungen von der Beklagten vorgetragenen Zahlen seien widersprüchlich, sinnlos oder falsch. Ihr Arbeitsplatz, so hat die Klägerin behauptet, sei bestehen geblieben. Strukturänderungen habe es in ihrem Bereich nachweislich nicht gegeben. Jedenfalls habe sich die Sachlage nach etwa doch anzunehmendem Zustandekommen eines Interessenausgleichs wesentlich geändert, da wesentlich weniger Arbeitnehmer auf der Namensliste erschienen als anderweitig von der Beklagten mitgeteilt. Überdies sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Die Beklagte habe den Kreis der vergleichbaren Mitarbeiter unrichtig bestimmt. Bestritten werde, dass, wie die Beklagte behaupte, sechs Arbeitnehmer aus ihrer Altersgruppe Sonderkündigungsschutz als Mitarbeiter betriebsverfassungsrechtlicher Gremien genössen. Die Beklagte habe auch widersprüchliche Angaben über die Anzahl der in die Sozialauswahl einbezogenen Personen gemacht. Ferner weiche die Sozialauswahl durch die vorgesehene Berücksichtigung von sozialen Härtefällen mit bis zu 18 Punkten von der gesetzlich vorgesehenen Beschränkung der Auswahlkriterien wesentlich ab. Mit Nichtwissen hat die Klägerin bestritten, dass in ihrem Fall die vorgesehene Einzelfallprüfung stattgefunden habe. Außerdem seien zwei auf der Liste aufgeführte Mitarbeiter nicht gekündigt worden. Zwei vergleichbare und zu kündigende Arbeitnehmer seien nicht in der Liste enthalten. Die Kündigung sei nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt. Die Beklagte habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört. Entgegen dem Anhörungsschreiben seien dem Betriebsrat keine ausreichenden Angaben über die betrieblichen Maßnahmen und die Sozialauswahl gemacht worden. Ebenfalls entgegen dem Anhörungsschreiben sei sie nicht erst seit dem im Bahnhofsmanagement W (Zugansage N) tätig.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die schriftliche Kündigung vom , zugegangen am , nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, auf Grund eines Vorstandsbeschlusses vom Mai 2004 habe sie den Regionalbereich Südost umstrukturiert. Die Zahl der Bahnhofsmanagements sei von 13 auf 7 zurückgeführt worden. Dabei habe sie auch administrative Aufgaben zusammengefasst, mehrere Servicestandorte geschlossen und den Personalbedarf an die aktuelle Nachfrage angepasst. Im Betrieb der Klägerin (Wahlbetrieb S 5, Sachsen-Anhalt) sei die Anzahl der Vollzeitarbeitsplätze von 276,60 auf 217,00 herabgesetzt worden. Eine Betriebsänderung liege deshalb jedenfalls vor. Dementsprechend seien dann der Teilinteressenausgleich, die Namensliste und zuvor die Auswahlrichtlinien mit den je zuständigen betriebsverfassungsrechtlichen Gremien (Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat) vereinbart worden. Die Sachlage habe sich auch nicht nachträglich geändert. Die Berechnungen der Klägerin insoweit seien nicht richtig. Die Sozialauswahl sei entsprechend den Auswahlrichtlinien vorgenommen worden und der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Die Revision ist erfolgreich. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A. Das Landesarbeitsgericht hat - ohne Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin im Tatbestand oder in den Entscheidungsgründen zu erwähnen -seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die mangels Annahme des Änderungsangebots zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Auch auf Änderungskündigungen sei § 1 Abs. 5 KSchG anwendbar. Die Voraussetzungen dieser Norm lägen vor. Eine Betriebsänderung sei sowohl nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG als auch nach § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG gegeben. Die vereinbarte Namensliste entspreche den Formerfordernissen des § 1 Abs. 5 KSchG, §§ 125, 126 BGB. Es reiche aus, dass die nach dem Teilinteressenausgleich erstellte Namensliste auf den Teilinteressenausgleich Bezug nehme. Beide bildeten eine Gesamturkunde. Die Klägerin habe die somit eingreifende Vermutung der Betriebsbedingtheit nicht widerlegt. Die Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. Die Beklagte sei ihrer Auskunftspflicht nachgekommen, die Klägerin habe jedoch keine Tatsachen vorgebracht, aus denen auf grobe Fehlerhaftigkeit geschlossen werden könne. Der angebotene Arbeitsplatz sei zumutbar und habe den Vorgaben des Teilinteressenausgleichs entsprochen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die streitgegenständliche Kündigung erweise sich somit als rechtswirksam. Das gelte auch, soweit Einzelheiten des Tatsachenvortrags und der rechtlichen Argumentation der Parteien nicht ausdrücklich erwähnt worden seien. Die Kammer, so führt das Landesarbeitsgericht unter Hinweis ua. auf den - 2 BvR 949/02 - EzA GG Art. 103 Nr. 5) aus, habe den Vortrag der Parteien, auch soweit er nicht ausdrücklich angesprochen worden sei, vollständig zur Kenntnis genommen und in Gänze im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigt.

B. Das Berufungsurteil unterliegt mangels eines die revisionsrechtliche Überprüfung ermöglichenden Tatbestandes der Aufhebung.

I. Das Berufungsurteil ist schon deswegen aufzuheben, weil es entgegen § 69 ArbGG keinen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Tatbestand enthält. Ein völliges Absehen von der Darstellung des Tatbestandes gem. § 69 Abs. 2 ArbGG, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt bei Berufungsurteilen nur dann in Betracht, wenn ein Rechtsmittelverzicht erklärt worden ist. Liegt ein solcher - wie hier - nicht vor, so ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts ohne einen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Tatbestand von Amts wegen aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (st. Rspr. des BAG vgl. zuletzt - 2 AZR 123/02 - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 4). Daran hat sich durch das ZPO-Reformgesetz 2001 nichts geändert (vgl. - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 69 Rn. 10, 10a). Denn § 69 Abs. 4 Satz 1 ArbGG schließt die Anwendbarkeit von § 540 Abs. 1 ZPO ausdrücklich aus (vgl. Hauck/Helml-Hauck ArbGG 3. Aufl. § 69 Rn. 1; Bader/Creutzfeld/Friedrich ArbGG 4. Aufl. § 69 Rn. 4).

1. Das Berufungsurteil muss einen den Anforderungen des § 69 Abs. 3 ArbGG genügenden Tatbestand enthalten. Nach § 69 Abs. 2 ArbGG kann unter den dort genannten Voraussetzungen von der Darstellung des Tatbestandes nur dann abgesehen werden, wenn das Berufungsurteil unzweifelhaft nicht der Revision unterliegt (§ 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO). § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Das ist erforderlich, um die Nachprüfung durch das Revisionsgericht zu ermöglichen. Zumindest eine verkürzte Darstellung des etwaigen zweitinstanzlichen Vorbringens ist erforderlich (vgl. - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 12 = EzA ZPO § 543 Nr. 12; - BGHZ 156, 97; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge § 69 Rn. 10a). Einem Urteil ohne Tatbestand kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so dass dem Revisionsgericht eine abschließende Überprüfung verwehrt ist. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Zweck des Revisionsverfahrens, dem Revisionsgericht die Nachprüfung des Berufungsurteils und insbesondere dessen Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt zu ermöglichen, im Einzelfall deswegen erreicht werden kann, weil der Sach- und Streitstand sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt ( - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 4, zu I 1 der Gründe).

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das Berufungsurteil einen Tatbestand enthält, dieser aber derart unvollständig ist, dass diese Unvollständigkeit dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Revisionsangriffe unmöglich macht. So liegt es, wenn das Berufungsurteil auf Grund von Lückenhaftigkeit, Widersprüchlichkeit oder Unverständlichkeit seine erschöpfende sachliche Nachprüfung nicht mehr erlaubt ( - BGHZ 158, 60; Schwab/Weth-Schwab ArbGG § 69 Rn. 19). Auch in solchen Fällen liegt ein Mangel im Tatbestand vor (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), der auch ohne Rüge zur Aufhebung und Zurückverweisung führt ( - BGHZ 40, 84).

2. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils macht dessen revisionsgerichtliche Überprüfung in mehreren Punkten unmöglich und leidet damit an einem Mangel, der die Aufhebung des Berufungsurteils erfordert.

a) Die Klägerin macht mit der Revision unter Bezugnahme auf ihren bisherigen, zum Teil sehr ins Einzelne gehenden Tatsachenvortrag, den sie teilweise wiederholt, geltend, es habe keine Betriebsänderung vorgelegen, jedenfalls habe sich die Sachlage nach etwa doch wirksamem Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft und der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Klägerin erstrebt damit eine Überprüfung der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Subsumtion zu den betreffenden Fragen.

b) Diese von der Klägerin erstrebte Überprüfung der Rechtsanwendung auf die gegebenen Tatsachen ist jedoch nicht möglich, weil das Landesarbeitsgericht weder Feststellungen dazu getroffen hat, von welchen der offenkundig streitigen Tatsachen es ausgegangen ist, noch zu erkennen gegeben hat, aus welchen Gründen es diese Tatsachen wie geschehen rechtlich bewertet hat. Es lässt den gesamten strittigen Vortrag der Parteien vielmehr unerwähnt.

aa) Die Klägerin hatte eine Betriebsänderung bestritten und hierzu im Einzelnen vorgetragen, dass in dem für sie überschaubaren Bereich keine Änderungen bemerkbar geworden seien. Ferner hatte die Klägerin die Zahlenangaben der Beklagten in Zweifel gezogen und auf nach ihrer Auffassung vorliegende Widersprüche in den Angaben der Beklagten hingewiesen sowie aus eigener Beobachtung und Nachforschung stammende Zahlen entgegengehalten. Die darlegungsbelastete Beklagte hatte hierzu konkrete Ausführungen gemacht. Das Landesarbeitsgericht erwähnt weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen das Vorbringen der Klägerin, sondern geht ohne jede Begründung vom Vorbringen der Beklagten als unstreitig aus, ohne allerdings das Vorbringen der Beklagten näher zu benennen. Das Landesarbeitsgericht erwähnt die Behauptungen der Klägerin nicht und erläutert auch nicht, warum es sie als falsch oder unerheblich angesehen hat. Diese nicht näher begründete Würdigung kann letztlich zutreffen, ist aber mangels Tatsachenfeststellung für den Senat nicht überprüfbar.

bb) Die Klägerin hatte behauptet, ihr Arbeitsplatz sei nach wie vor besetzt. Es kam ersichtlich in Betracht, dass die Klägerin damit eine Beschäftigungsmöglichkeit behaupten und die etwa nach § 1 Abs. 5 KSchG greifende Vermutung widerlegen wollte.

Das Landesarbeitsgericht hat den betreffenden Vortrag der Klägerin weder erwähnt noch sonst zu erkennen gegeben, warum es ihn nicht für ausreichend gehalten hat, sondern lediglich ausgeführt, die Klägerin habe substantiierten Vortrag unterlassen. Ohne Kenntnis davon, welchen konkreten Vortrag das Berufungsgericht hier als unsubstantiiert bewertet hat, kann das Revisionsgericht nicht feststellen, ob die Würdigung des Landesarbeitsgerichts zutrifft oder nicht.

cc) Die Klägerin hatte - wiederum unter Hinweis auf nach ihrer Auffassung gegebene Widersprüche in den Zahlenangaben der Beklagten - vorgetragen, der Sachverhalt habe sich nach Abschluss des Interessenausgleichs wesentlich geändert. Die Beklagte hatte dies bestritten und ihre Zahlenangaben erläutert. Hierzu enthält das Berufungsurteil keinerlei tatsächliche oder rechtliche Ausführungen. Die betreffende Revisionsrüge kann deshalb nicht überprüft werden.

dd) Auch zur Sozialauswahl hatte die Klägerin Tatsachenvortrag gehalten, der weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen erwähnt ist. Das Berufungsurteil beschränkt sich auf den Hinweis, dem Vorbringen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die Sozialauswahl grob fehlerhaft sein soll. Ob diese Würdigung richtig ist, könnte das Revisionsgericht nur dann feststellen, wenn den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu entnehmen wäre, warum es das Vorbringen der Klägerin als nicht ausreichend angesehen hätte. Indes ist aus dem Berufungsurteil noch nicht einmal ersichtlich, welche Tatsachen und welchen Parteivortrag es hier zugrunde gelegt hat.

ee) Gleiches gilt für das Vorbringen der Klägerin zur Anhörung des Betriebsrates.

c) Zu Unrecht beruft sich das Landesarbeitsgericht für sein - offenbar von ihm selbst für erklärungsbedürftig gehaltenes - Vorgehen auf Rechtsprechung ua. des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts. Die vom Landesarbeitsgericht genannten Entscheidungen besagen jedoch nicht, dass ein Urteil keinen § 313 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 ZPO, § 69 ArbGG entsprechenden Tatbestand enthalten müsse. Vielmehr verpflichtet nach diesen Entscheidungen der Grundsatz des rechtlichen Gehörs die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat ( - EzA GG Art. 103 Nr. 5). Die Gerichte brauchen auch nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Daraus kann aber nicht entnommen werden, die Gerichte müssten das Vorbringen einer Partei in Gänze überhaupt nicht bescheiden und dürften es vollständig unerwähnt lassen. Das gilt erst recht, wenn das Gesetz - wie in § 1 Abs. 5 KSchG - die prozessualen Rechte der betreffenden Partei ohnehin erheblich beschneidet. Würde der Senat die Vorgehensweise des Landesarbeitsgerichts billigen, so könnte ein Arbeitnehmer im Geltungsbereich des § 1 Abs. 5 KSchG auf Grund des Zusammenspiels kollektiver Vereinbarungen, unübersichtlicher Unternehmensstrukturen, einer gesetzlichen Beschneidung seiner prozessualen Rechte und inhaltsleerer Wendungen in der gerichtlichen Entscheidung in die Lage geraten, dass er die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses hinzunehmen hätte, ohne je einen fassbaren Grund hierfür zu erfahren. Abgesehen davon folgt daraus, dass ein Urteil dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht widerspricht, keinesfalls ohne Weiteres, dass es den Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 ArbGG entspricht.

II. Demnach ist das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Zur Rechtslage verweist der Senat auf das in einem Parallelverfahren ergangene Urteil des Senats - 2 AZR 304/06 - vom selben Tage.

Fundstelle(n):
FAAAC-59635

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein