BAG Urteil v. - 3 AZR 196/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrAVG § 1; TVG § 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3; GG Art. 20 Abs. 3; BGB § 133; BGB § 157; ZPO § 256 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 2; ZPO § 258

Instanzenzug: ArbG Berlin 60 Ca 32366/03 vom LAG Berlin 8 Sa 2083/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die im Jahre 1986 eingeführte Nettogesamtversorgungsobergrenze den Versorgungsanspruch des Klägers erfasst.

Der am geborene Kläger war vom bis zum beim S (S), dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, beschäftigt. Nach § 6 des Arbeitsvertrages vom gelten "die ... tarifvertraglichen Vereinbarungen ... als Bestandteil dieses Vertrages, soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird".

Damals galt die Versorgungsvereinbarung vom in der Fassung vom . Sie wurde von der am in Kraft getretenen Versorgungsvereinbarung (VV 67) abgelöst, die der S mit den zuständigen Gewerkschaften abschloss. Nach § 6 Ziff. 2 VV 67 betrug "das Altersruhegeld ... bei Vollendung der Wartezeit 40 v.H. des zuletzt bezogenen ruhegeldfähigen Einkommens". Es stieg "nach Vollendung des 10. bis zum vollendeten 20. Beschäftigungsjahr um 1 v.H. je Beschäftigungsjahr bis zum Höchstsatz von 50 v.H. des ruhegeldfähigen Einkommens".

Die VV 67 wurde durch Tarifvertragsvereinbarung Nr. 5/70 vom (TV 5/70) geändert. § 6 Ziff. 2 in der seit dem geltenden Fassung lautete wie folgt:

"Das Altersruhegeld beträgt bei Vollendung der Wartezeit 35 v. H. des zuletzt bezogenen ruhegeldfähigen Einkommens. Es steigt nach Vollendung des 10. bis zum vollendeten 20. Beschäftigungsjahr um 2 v. H. und nach Vollendung des 20. bis zum vollendeten 25. Beschäftigungsjahr um 1 v. H. bis zum Höchstsatz von 60 v. H. des ruhegeldfähigen Einkommens.

..."

Die Protokollnotiz zur Versorgungsvereinbarung wurde wie folgt ergänzt:

"neue Ziffer 4): Bei Eintritt eines Versorgungsfalles wird die Rente sowohl nach der alten als auch nach der neuen S-Versorgungsvereinbarung berechnet. Der Versorgungsberechtigte erhält die höheren Bezüge.

..."

Die "Versorgungsvereinbarung in der Fassung gemäß Tarifvertragsvereinbarung Nr. 5/70 vom " wurde durch die Tarifvertragsvereinbarung Nr. 12/72 (TV 12/72) geändert. Die Inkrafttretensregelung des § 19 der Versorgungsvereinbarung wurde wie folgt gefasst:

"Diese Versorgungsvereinbarung (neues Recht) tritt mit Wirkung ab in Kraft. Die Versorgungsvereinbarung (altes Recht) vom bleibt aufgrund der Günstigkeitsklausel laut Protokollnotiz gültig."

Textziffer (TZ) 721 des Manteltarifvertrages (MTV) vom schrieb zur betrieblichen Altersversorgung vor:

"Die Rundfunkanstalt gibt dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage entsprechend ihrer Versorgungsregelung."

Nach Kündigung der tariflichen Versorgungsvereinbarung wurde am die Tarifvertragsvereinbarung Nr. 1/86 (TV 1/86) geschlossen. Sie lautete auszugsweise:

"Die zum gekündigte Versorgungsvereinbarung des S in der Fassung gemäß Tarifvertragsvereinbarungen Nr. 5/70 vom und Nr. 12/72 vom gilt weiterhin in der bisherigen Fassung mit der nachfolgenden Ergänzung:

I. Ergänzung zu TZ 721 MTV

(§ 12 Ziff. (6) ff. der S-Versorgungsvereinbarung)

Die Gesamtversorgungsbezüge dürfen als Nettogesamtversorgung 90 v. H. des jeweiligen Nettovergleichseinkommens (Gesamtversorgungsobergrenze) nicht übersteigen. Das Nähere bestimmt die Versorgungsvereinbarung des S unter Beachtung folgender Grundsätze:

...

II. Inkrafttreten

Diese Regelung gilt ab .

III. Übergangsregelung

1. Die Gesamtversorgungsobergrenze beträgt für Versorgungsberechtigte, die

a) am Leistungen nach der Versorgungsvereinbarung des S beziehen oder

b) deren versorgungsfähige Rundfunkdienstzeit vor dem begonnen hat, 91,75 v. H. des Nettovergleichseinkommens.

2. Im Falle 1 a) wird festgestellt, um welchen Betrag die Nettogesamtversorgung die Gesamtversorgungsobergrenze nach 1. zum übersteigt. Der übersteigende Betrag (Verrechnungsbetrag) wird bei jeder Überprüfung der Nettogesamtversorgung nach Ziff. I. 5 um jeweils 1/10 des zum festgestellten Betrages, höchstens jedoch um den jeweiligen Erhöhungsbetrag der Gesamtversorgungsobergrenze vermindert. Ein am ggf. noch vorhandener Rest des Verrechnungsbetrages wird entsprechend verrechnet.

3. Tritt im Falle 1 b) der Versorgungsfall zwischen dem und dem ein, gilt für die Feststellung des Verrechnungsbetrages nach

2. Satz 1 der Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles. Der Verrechnungsbetrag wird für jede Erhöhung der Gesamtversorgungsobergrenze aufgrund einer Überprüfung nach I. Ziff. 5, die vor Eintritt des Versorgungsfalles stattgefunden hat, vorab um 1/10 verringert.

4. Ziff. 2 Sätze 2 und 3 gelten nicht für Versorgungsberechtigte, die bis zum Versorgungsleistungen des S erhalten und deren versorgungsfähige Dienstzeit spätestens am begonnen hat.

Der nach Ziff. 2 Satz 1 festgestellte Verrechnungsbetrag bleibt erhalten. Er nimmt an künftigen Versorgungserhöhungen nicht teil.

5. Bei Versorgungsberechtigten, die bis zum Versorgungsleistungen des S erhalten und deren versorgungsfähige Dienstzeit zwischen dem und dem begonnen hat, erhöht sich die Gesamtversorgungsobergrenze nach Ziff. 1 um 2 v. H. Dasselbe gilt für Versorgungsberechtigte, bei denen der Versorgungsfall zwischen dem und dem eintritt und deren versorgungsfähige Rundfunkdienstzeiten spätestens am begonnen haben. Der Erhöhungsbetrag nimmt jedoch an künftigen Versorgungserhöhungen nicht teil.

..."

Die späteren Änderungen der tariflichen Versorgungsregelungen spielen im vorliegenden Fall keine Rolle.

Mit Schreiben vom und teilte der S dem Kläger mit, dass für ihn die sog. Günstigkeitsklausel gelte und ihm danach die höheren Versorgungsbezüge nach der VV 67 zustünden. Seit dem erhielt der Kläger Altersruhegeld ohne Berücksichtigung einer Nettogesamtversorgungsobergrenze. Im Schreiben vom stellte sich der S auf den Standpunkt, seine früher mitgeteilte Rechtsauffassung beruhe auf einer Fehlinterpretation der tariflichen Bestimmungen. Ab legte er eine Nettogesamtversorgungsobergrenze von 91,75 % zugrunde und zahlte eine entsprechend geringere Betriebsrente.

Dagegen hat sich der Kläger gewandt. Er ist der Ansicht gewesen, dass die Beklagte die tariflichen Versorgungsregelungen früher richtig angewandt habe. Die Auslegung der maßgeblichen tarifvertraglichen Normen ergebe, dass die VV 67 für die dem Kläger zustehende Altersversorgung weitergelte und die durch die TV 1/86 eingeführte Nettogesamtversorgungsobergrenze nicht anzuwenden sei. Der Wortlaut der TV 1/86 iVm. § 19 der Versorgungsvereinbarung in der Fassung des TV 12/72 und der Überleitungsbestimmung der Protokollnotiz sei eindeutig. Diese Regelungen brächten zum Ausdruck, dass bei dem vorgeschriebenen Günstigkeitsvergleich die VV 67 in ihrer ursprünglichen Fassung, also ohne Nettogesamtversorgungsobergrenze heranzuziehen sei. Die Günstigkeitsklausel sei nicht aufgehoben worden. Aus den Ausnahmebestimmungen in den Übergangsregelungen lasse sich nicht entnehmen, dass sich die Nettogesamtversorgungsobergrenze ausnahmslos auf alle Versorgungsberechtigten erstrecken solle. Dagegen spreche auch die Tarifpraxis bis zum Jahr 2002. Die von der Beklagten vertretene erweiternde Auslegung verstoße gegen das Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG.

Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des seiner Meinung nach in der Zeit vom bis einschließlich zu verzeichnenden Differenzbetrages und außerdem sinngemäß die Feststellung beantragt, dass ihm ab dem Altersruhegeld nach der Versorgungsvereinbarung des S vom ohne Berücksichtigung einer Nettogesamtversorgungsobergrenze zustehe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die durch die TV 1/86 eingeführte Nettogesamtversorgungsobergrenze gelte für alle Arbeitnehmer des S. Die Tarifvertragsparteien hätten in der TV 1/86, insbesondere in den Übergangsbestimmungen der Ziffer 5 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Nettogesamtversorgungsobergrenze auch auf Versorgungsanwartschaften anzuwenden sei, die ursprünglich nach der VV 67 erworben worden seien. Die frühere Handhabung durch den S sei unerheblich. Sie beruhe auf einem Versehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision möchte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Gründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Nach Ziffer III 1 Buchst. b TV 1/86 gilt für die dem Kläger zustehende betriebliche Altersversorgung eine Gesamtversorgungsobergrenze von 91,75 % des Nettovergleichseinkommens.

A. Nicht nur die Leistungsklage für den zurückliegenden Zeitraum, sondern auch die Feststellungsklage für die anschließende Zeit ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 ZPO sind erfüllt.

Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage ist ein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Sie soll nicht lediglich eine rechtliche Vorfrage, sondern den Inhalt und die Höhe des Betriebsrentenanspruchs klären.

Ohne die Begrenzung auf die Zeit ab dem würde es sich zweifelsfrei um eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) handeln. Für deren Zulässigkeit genügt es, dass das Bestehen oder Nichtbestehen des festzustellenden Rechtsverhältnisses für die Entscheidung über die Hauptklage vorgreiflich ist und das Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht abschließend regelt. Die Zeitangabe "ab dem " verdeutlicht lediglich, für welchen Zeitraum die zusätzliche Feststellungsklage Bedeutung gewinnt. Ob dieser Hinweis zu strengeren prozessualen Anforderungen führt - Beurteilung nach § 256 Abs. 1 ZPO statt nach § 256 Abs. 2 ZPO -, kann dahinstehen, weil den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO genügt ist.

Ein Interesse an alsbaldiger Feststellung besteht. Der Kläger musste keine Klage auf künftige Leistungen nach § 258 ZPO erheben. Bereits die Feststellungsklage führt zu einer sinnvollen, prozessökonomischen Bereinigung aller zwischen den Parteien bestehenden Meinungsverschiedenheiten.

B. Beide Klageanträge sind unbegründet. Die Beklagte zahlt dem Kläger das ihm zustehende Altersruhegeld. Für ihn gilt eine Gesamtversorgungsobergrenze von 91,75 % des Nettovergleichseinkommens. § 19 Satz 2 Versorgungsvereinbarung idF der TV 12/72 iVm. der Protokollnotiz zu dieser Vorschrift ändert daran nichts. Ein über die tariflichen Regelungen hinausgehender einzelvertraglicher Anspruch steht dem Kläger nicht zu.

I. Die auf die betriebliche Altersversorgung des Klägers anzuwendenden tarifvertraglichen Versorgungsregelungen enthalten die von der Beklagten zugrunde gelegte Nettogesamtversorgungsobergrenze.

1. Das Altersruhegeld des Klägers bestimmt sich nach den tarifvertraglichen Versorgungsbestimmungen in ihrer jeweiligen Fassung. Ob die Tarifvereinbarungen kraft Tarifbindung gelten, spielt keine Rolle. Denn in § 6 des Arbeitsvertrages sind die tarifvertraglichen Versorgungsregelungen als Vertragsbestandteil übernommen worden. Das Fehlen einer ausdrücklichen Jeweiligkeitsklausel ist unschädlich. Wenn die Arbeitsvertragsparteien außerhalb des Arbeitsvertrages liegende Versorgungsvorschriften in Bezug nehmen, handelt es sich in der Regel nicht um eine statische, sondern um eine rechtlich nicht zu beanstandende dynamische Verweisung (ständige Rechtsprechung des Senats vgl. ua. - 3 AZR 108/99 - AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 14 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 4, zu I 1 a der Gründe; - 3 AZR 255/05 - BetrAV 2006, 685, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu A I der Gründe mwN). Eine derartige Verweisung stellt die einheitliche Behandlung aller Versorgungsberechtigten sicher. Die einer Mehrzahl von Arbeitnehmern zugesagte betriebliche Altersversorgung wird im Regelfall im Rahmen eines Systems erbracht, das nicht erstarren soll. Die Zusage einer von späteren Änderungen abgekoppelten Versorgung ist die Ausnahme. Für sie gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Folgerichtig haben die Parteien nicht über die Reichweite ihrer Verweisungsvereinbarung, sondern über den Inhalt des geltenden Tarifrechts gestritten.

2. Ob die Tarifvertragsparteien eine Regelungsmacht für die Rechtsverhältnisse der Betriebsrentner haben, kann dahinstehen. Die im Arbeitsvertrag enthaltene dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden tariflichen Regelungen gilt auch über den Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand hinaus (vgl. ua. - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 1 der Gründe).

3. Die durch den TV 5/70 eingefügte Günstigkeitsklausel (Ziffer 4 der Protokollnotiz zur Versorgungsvereinbarung) schützt die Versorgungsberechtigten, die bereits unter der Geltung der VV 67 in einem Arbeitsverhältnis zur Rechtsvorgängerin der Beklagten standen, nicht vor der Einführung einer Nettogesamtversorgungsobergrenze. Diese Versorgungsberechtigten sollten durch die in der TV 5/70 enthaltenen Änderungen der Versorgungsvereinbarung keine versorgungsrechtlichen Nachteile erhalten. Die Günstigkeitsklausel schreibt vor, dass bei Eintritt eines Versorgungsfalles das Altersruhegeld sowohl nach den alten in der VV 67 enthaltenen als auch nach den neuen am in Kraft getretenen Versorgungsbestimmungen zu berechnen ist. Der Versorgungsberechtigte soll die höheren Versorgungsbezüge erhalten. Die bisherigen Regelungen der VV 67 sind aber nicht für künftig unabänderlich erklärt worden. Eine derartige atypische Zementierung der betrieblichen Altersversorgung lässt sich der TV 5/70 nicht entnehmen. Der Grundsatz, dass spätere Tarifverträge die früheren ändern können (sog. Ablösungsprinzip vgl. ua. - AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11, zu B I 4 a der Gründe), ist nicht aufgehoben worden. Die Tarifvertragsparteien in der TV 5/70 verzichteten auf dieses Recht nicht, das für die in der betrieblichen Altersversorgung besonders wichtige Flexibilität sorgt. Ob und ggf. inwieweit in späteren Tarifverträgen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist, hängt vom Inhalt der Neuregelungen ab.

4. Das Landesarbeitsgericht hat die TV 1/86 zutreffend ausgelegt. Die Nettogesamtversorgungsobergrenze ist für alle Versorgungsberechtigten eingeführt worden.

Sie beläuft sich nach den Übergangsregelungen der TV 1/86 für den Kläger auf 91,75 %.

a) Der Wortlaut der TV 1/86 spricht nicht für die vom Kläger, sondern für die von der Beklagten vertretene Auslegung des Anwendungsbereichs der tarifvertraglichen Nettogesamtversorgungsobergrenze.

aa) Im Einleitungssatz der TV 1/86 wird darauf hingewiesen, dass die "Versorgungsvereinbarung des S in der Fassung gemäß Tarifvertragsvereinbarungen Nr. 5/70 vom und Nr. 12/72 vom " gekündigt worden sei und nur noch mit einer Ergänzung fortgelte. Diese Ergänzung besteht in der Nettogesamtversorgungsobergrenze. Vor Abschluss der TV 1/86 gab es nur eine Versorgungsvereinbarung. Die TV 5/70 vom und die TV 12/72 vom schufen keine neue Versorgungsvereinbarung (an Stelle bzw. neben der VV 67), sondern änderten - wie ihre Einleitungssätze zeigen - lediglich die VV 67. Nach § 19 der Versorgungsvereinbarung in der Fassung der TV 12/72 ist "aufgrund der Günstigkeitsklausel laut Protokollnotiz" statt der durch die TV 5/70 geänderten, neuen Versorgungsregelungen das alte Recht der VV 67 weiter anzuwenden. Das alte Recht der VV 67 ist Bestandteil der in der Neuregelung vorgeschriebenen Vergleichsberechnung und dadurch in die TV 5/70 inkorporiert.

bb) Ziffer I TV 1/86 sprach bei der Ergänzung der TZ 721 MTV von "der S- Versorgungsvereinbarung". Die Verwendung des Singulars ohne Datumsangabe zeigt, dass die Tarifvertragsparteien von einer Versorgungsvereinbarung und nicht von mehreren nebeneinander bestehenden Versorgungsvereinbarungen ausgingen. Ziffer I TV 1/86 führte für alle Versorgungsberechtigten eine Nettogesamtversorgungsobergrenze ein, ohne darauf abzustellen, welche Fassung die Versorgungsvereinbarung bei Erteilung der Versorgungszusage hatte. Die Berechnung des Altersruhegeldes wurde um einen weiteren Rechenschritt ergänzt, der in der Beschränkung der betrieblichen Altersversorgung durch eine Nettogesamtversorgungsobergrenze besteht.

b) Auch Ziffer III TV 1/86 zeigt deutlich, dass eine Nettogesamtversorgungsobergrenze für alle Versorgungsberechtigten eingeführt wurde, unabhängig davon, wann sie ihre Versorgungsrechte erwarben und unabhängig davon, ob sie bei Inkrafttreten der TV 1/86 Versorgungsanwärter oder Versorgungsempfänger waren. Die Übergangsregelung regelt umfassend, bei welchen Versorgungsberechtigten die durch die Nettogesamtversorgungsobergrenze entstehenden Nachteile abgemildert werden und in welchem Umfang dies geschieht.

aa) Für die Versorgungsberechtigten die "am Leistungen nach der Versorgungsvereinbarung des S" beziehen, also bereits zu diesem Zeitpunkt Versorgungsempfänger waren, hob Ziffer III 1 Buchst. a TV 1/86 die Gesamtversorgungsobergrenze von 90 % auf 91,75 % des Nettovergleichseinkommens an. Um eine Kürzung der bis zum gezahlten Betriebsrente zu verhindern, schreibt Ziffer III 2 TV 1/86 vor, dass der die Nettogesamtversorgungsobergrenze überschreitende sog. Verrechnungsbetrag zusätzlich gezahlt, jedoch grundsätzlich nach den tarifvertraglichen Vorgaben abgeschmolzen wird. Diese Abschmelzung unterbleibt nach Ziffer III 4 TV 1/86 lediglich bei den Versorgungsberechtigten, bei denen nicht nur der Versorgungsfall bis zum eingetreten war, sondern außerdem die versorgungsfähige Beschäftigungszeit spätestens am begonnen hatte. Nur diesen Versorgungsberechtigten bleibt ein statischer Verrechnungsbetrag erhalten. Er nimmt an künftigen Versorgungserhöhungen nicht mehr teil (Ziffer III 4 Satz 3 TV 1/86).

Bei den Versorgungsempfängern, bei denen der Versorgungsfall bis zum eingetreten war und deren versorgungsfähige Dienstzeit zwar nach dem , aber bis spätestens begonnen hatte, wird zwar der Verrechnungsbetrag abgeschmolzen. Die Gesamtversorgungsobergrenze wird aber um weitere 2 % erhöht, wobei der Erhöhungsbetrag an künftigen Versorgungserhöhungen nicht teilnimmt (Ziffer III 5 TV 1/86). Da beim Kläger nicht bis zum ein Versorgungsfall eingetreten war, sind die Regelungen der Ziffer III 1 Buchst. a, III 2, III 4 und III 5 TV 1/86 auf ihn nicht anwendbar.

bb) Ziffer III 1 Buchst. b TV 1/86 verlangt nicht, dass der Versorgungsberechtigte am Leistungen nach der Versorgungsvereinbarung des S bezog. Diese Vorschrift kommt den Versorgungsanwärtern zugute, deren versorgungsfähige Rundfunkdienstzeit vor dem begonnen hatte. Diese Voraussetzung erfüllt auch der Kläger, so dass für ihn die auf 91,75 % angehobene Obergrenze des Nettovergleichseinkommens gilt. Die zusätzlichen Vergünstigungen nach Ziffer III 3 und III 5 TV 1/86 erhält er allerdings nicht. Sie setzen voraus, dass der Versorgungsfall zwischen dem und dem eingetreten ist. Dabei handelt es sich um eine - großzügige - Sonderregelung für sog. rentennahe Jahrgänge, zu denen der Kläger nach den tarifvertraglichen Tatbestandsmerkmalen nicht zählt. Beim Kläger ist der Versorgungsfall erst im Jahre 1999 eingetreten.

c) Die Übergangsregelung der Ziffer III TV 1/86 stellt demnach nicht darauf ab, ob auf den Versorgungsberechtigten die VV 67 anwendbar war. Die durch die TV 1/86 eingeführte Nettogesamtversorgungsobergrenze wirkt sich sogar auf die Versorgungsempfänger aus, bei denen der Versorgungsfall unter der Geltung der VV 67 eingetreten war. Lediglich die sich aus der Nettogesamtversorgungsobergrenze ergebenden Nachteile wurden abgemildert. Dies entspricht dem Zweck dieser Versorgungsbegrenzung durch die TV 1/86. Sie dient dem Abbau einer Überversorgung im öffentlichen Dienst.

d) Entgegen der Ansicht des Klägers sind lang gediente Mitarbeiter, die unter die VV 67 fielen und am nicht Versorgungsempfänger, sondern noch Versorgungsanwärter waren, nicht von der Geltung der Nettogesamtversorgungsobergrenze ausgeklammert. Dies wäre weder mit dem Wortlaut der TV 1/86, deren Systematik und dem Zweck der Nettogesamtversorgungsobergrenze noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren. Auch im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung unmittelbar oder mittelbar wegen der aus den Grundrechten folgenden Schutzpflichten an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden sind. Diese Frage wirkt sich auf den Prüfungsmaßstab nicht aus (vgl. ua. - BAGE 111, 8, zu B II 2 und 3 der Gründe; - 3 AZR 14/05 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 a der Gründe). Die Tarifvertragsparteien sind zumindest an das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Für eine Schlechterstellung der schutzbedürftigeren Versorgungsberechtigten gibt es keinen sachlich einleuchtenden Grund. Mit Eintritt des Versorgungsfalles wird das Schutzbedürfnis nicht geringer, sondern größer ( - EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 24, zu III 1 c der Gründe). Den Tarifvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, dass sie eine objektiv willkürliche Regelung treffen wollten.

e) Die frühere Tarifpraxis hat im vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung. Der Tarifwortlaut, die tariflichen Gesamtzusammenhänge und der Regelungszweck führen zu einem hinreichend klaren Auslegungsergebnis. Da keine ernsthaften Zweifel bleiben, kommt es nicht mehr auf die weiteren Auslegungskriterien an, zu denen die praktische Tarifübung gehört (vgl. ua. - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185, zu II 1 a der Gründe; - 6 AZR 579/04 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 21 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 42, zu A II 1 a der Gründe). Eine fehlerhafte Anwendung von Tarifnormen ändert deren Regelungsinhalt nicht.

5. Die durch die TV 1/86 auch für das Altersruhegeld des Klägers eingeführte Nettogesamtversorgungsobergrenze von 91,75 % ist wirksam.

a) Die Anwendbarkeit der Nettogesamtversorgungsobergrenze auf die Versorgungsrechte des Klägers verstößt weder gegen das Gebot der Normenklarheit noch gegen das Schriftformgebot des § 1 Abs. 2 TVG.

Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Normenklarheit gilt zwar für die Tarifvertragsparteien (vgl. ua. - BAGE 100, 339, zu B II 3 b dd der Gründe). Bereits aus dem Wortlaut und der Systematik des TV 1/86 ergibt sich aber mit hinreichender Klarheit, dass für den Kläger eine Nettogesamtversorgungsobergrenze von 91,75 % gilt.

Das Schriftformgebot des § 1 Abs. 2 TVG ist gewahrt. Auch formbedürftige Erklärungen sind der Auslegung zugänglich (vgl. dazu - BAGE 112, 58, zu B I 2 der Gründe).

b) Die Begrenzung des dem Kläger zustehenden Altersruhegeldes auf 91,75 % des Nettovergleichseinkommens ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Inhalt der Tarifverträge unterliegt keiner Billigkeitskontrolle. Die Gerichte haben die Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen (vgl. ua. - AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11, zu B I 4 b bb der Gründe). Dieser Überprüfung hält die Einschränkung der Versorgungsrechte des Klägers durch den TV 1/86 stand.

aa) Das vom Senat für die Überprüfung von Eingriffen in Versorgungsanwartschaften entwickelte dreistufige Prüfungsschema (ständige Rechtsprechung des Senats seit - 3 AZR 72/83 - BAGE 49, 57, zu B II 3 c der Gründe) kann nicht unbesehen auf Tarifverträge angewandt werden, denn die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) verlangt eine diesem Grundrecht entsprechende Zurückhaltung der Gerichte. Die Tarifvertragsparteien sind jedoch an die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden ( - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 a der Gründe). Diesen Grundsätzen wird die durch die TV 1/86 eingeführte Nettogesamtversorgungsobergrenze gerecht.

Diese Begrenzung der betrieblichen Altersversorgung dient dem Abbau von Überversorgungen. Wegen des haushaltsrechtlichen Gebots des sparsamen und wirtschaftlichen Handels darf im öffentlichen Dienst auch eine sog. planmäßige Überversorgung abgebaut werden. Sie liegt vor, wenn die Versorgungsberechtigten mehr erhalten als eine volle Sicherung ihres bisherigen Lebensstandards. Dabei ist das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu berücksichtigen. Dementsprechend beläuft sich die Vollversorgung nicht auf 100 % des Nettoeinkommens, das der Betriebsrentner als Aktiver erzielen würde. Denn die Betriebsrentner haben nicht mehr die mit der Erzielung des Arbeitseinkommens typischerweise verbundenen Aufwendungen aktiver Arbeitnehmer ( - AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11, zu B I 4 b bb (3) der Gründe). Die sich aus der Tarifautonomie ergebende sog. Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien (vgl. ua. - AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 33 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 22, zu II 1 c aa der Gründe; - 7 AZR 140/01 - BAGE 102, 65, zu B I 3 b bb der Gründe) führt dazu, dass die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der maßgeblichen Vollversorgung einen Beurteilungs- und Bewertungsspielraum haben ( - aaO). Ebenso ist die Tarifautonomie bei der Ausgestaltung der Besitzstandsregelungen zu beachten. Insoweit steht den Tarifvertragsparteien ein weiter Gestaltungsspielraum zu ( - aaO, zu B I 4 b bb (4) der Gründe). Er ist auch im vorliegenden Fall nicht überschritten.

bb) Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass dem Kläger nicht die Sonderregelungen zugute kommen, die für Versorgungsberechtigte gelten, bei denen der Versorgungsfall bereits am eingetreten war oder bis spätestens eintrat, deren Beschäftigungszeit jedoch unter Umständen kürzer war als die des Klägers.

(1) Für die Sonderregelung zugunsten der Versorgungsberechtigten, bei denen bis zum ein Versorgungsfall eingetreten war, ergeben sich einleuchtende Gründe daraus, dass mit Eintritt in den Ruhestand die Versorgungsanwartschaft zum Versorgungsanspruch erstarkt. Der Eintritt des Versorgungsfalles ist eine wesentliche Zäsur und ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für versorgungsrechtliche Übergangsvorschriften ( - AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11, zu B II 1 d der Gründe).

(2) Soweit Ziffer III 3 TV 1/86 auf den Eintritt des Versorgungsfalles bis zum abstellt, handelt es sich um eine Sonderregelung für rentennahe Jahrgänge. Bei ihnen besteht, selbst wenn sie eine geringere Betriebszugehörigkeit aufweisen, ein erhöhtes Schutzbedürfnis.

II. Der Kläger hat keinen über die tariflichen Regelungen hinausgehenden einzelvertraglichen Anspruch, dass ihm die Beklagte Altersruhegeld nach der VV 67 ohne Berücksichtigung der Nettogesamtversorgungsobergrenze gewährt. Ein entsprechender rechtsgeschäftlicher Verpflichtungstatbestand fehlt. Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen sind vom Vollzug der Tarifnormen zu unterscheiden. Der S brachte jedoch in den Schreiben vom und unmissverständlich zum Ausdruck, dass er lediglich die tariflichen Regelungen korrekt anwenden wollte. Den Schreiben lässt sich nicht entnehmen, dass der S unabhängig von den tariflichen Regelungen eine arbeitsvertragliche Verpflichtung begründen wollte.

Fundstelle(n):
EAAAC-53549

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein