BFH Beschluss v. - III B 12/06

Entscheidungen bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen

Gesetze: FGO § 135, FGO § 138

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob Klagen wegen Kindergeld für seinen Sohn für Januar 2001 bis Dezember 2001 sowie für Januar 2002 bis Mai 2003. Neben der Aufhebung der Kindergeldfestsetzungen beantragte er die Zahlung von Zinsen und die Rückzahlung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen sowie die Erstattung von Bearbeitungskosten und Auslagen für die Einspruchsverfahren. Die zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren wurden vom Finanzgericht (FG) bis zum Ergehen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Sachen 2 BvR 167/02 ausgesetzt.

Nach Ergehen des (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) unter dem die angefochtenen Bescheide auf und setzte das Kindergeld für die Monate Januar bis Dezember 2001 und Januar bis September 2002 antragsgemäß fest. Der Kläger teilte darauf unter dem dem FG mit, durch den Abhilfebescheid sei seiner Klage nur teilweise abgeholfen worden. Lediglich die „Grundforderung” —Zahlung von Kindergeld— sei erfüllt worden, nicht jedoch sein Begehren auf Zahlung von Zinsen, Mahngebühren und Kosten. Erst nach Begleichung der beigefügten „Kostennote” im Betrag von 1 319 € sehe er seiner Klage „Abhilfe geschaffen”. Unter dem erklärte die Familienkasse die Hauptsache für erledigt.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Durch den Änderungsbescheid sei dem Klageantrag hinsichtlich des Kindergeldes entsprochen worden. Damit sei das Rechtsschutzbedürfnis für den auf Kindergeld gerichteten Antrag entfallen. Auch im Übrigen sei die Klage unzulässig. Hinsichtlich der Säumniszuschläge seien etwaige Streitigkeiten durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden. An einem solchen Bescheid fehle es, sodass auch das Vorverfahren nicht durchgeführt sei. Entsprechendes gelte für die Zinsen. Auch hier fehle es an einem Festsetzungsverfahren und daher ebenso an einem Vorverfahren. Die den Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen würden im Kostenfestsetzungsverfahren vom Urkundsbeamten des Gerichts festgesetzt. Dies sei ein eigenes Verfahren und setze die Beendigung des Klageverfahrens voraus.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln. Er trägt im Wesentlichen vor: Sein Schriftsatz vom an das FG sei hinsichtlich des Kindergeldes als Erledigungserklärung anzusehen, sodass beidseitige Erklärungen vorlägen, die —nachdem die Familienkasse seinen Anträgen stattgegeben habe— gemäß § 138 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu einer Kostenentscheidung zu Lasten der Familienkasse hätten führen müssen. Die Entscheidung des FG zu den Säumniszuschlägen, den Zinsen und den geltend gemachten Aufwendungen sei ebenfalls fehlerhaft. Denn das FG hätte ihn, den Kläger, auf eine zutreffende Antragstellung hinweisen müssen, insbesondere auch deshalb, weil er nicht fachkundig vertreten gewesen sei. Im Übrigen hätte die Familienkasse spätestens zum Zeitpunkt der Klageeinreichung einen Abrechnungsbescheid hinsichtlich der Säumniszuschläge erlassen müssen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zuzulassen.

Die Familienkasse beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.

II. Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Sie führt hinsichtlich der Kindergeldsache zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO.

a) Entgegen der Auffassung des FG hat nicht nur die Familienkasse, sondern auch der Kläger hinsichtlich des geltend gemachten Kindergeldes, das neben den übrigen mit der Klage erhobenen Ansprüchen einen selbständigen Streitgegenstand darstellt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, sodass insoweit übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten vorliegen.

Das Schreiben des Klägers vom , seiner Klage sei nur teilweise „beholfen” worden, da die Familienkasse lediglich der Auszahlung des begehrten Kindergeldes nachgekommen sei, er sehe seiner Klage erst nach Begleichung der beigefügten Kostennote „Abhilfe geschaffen”, ist dahin zu verstehen, dass er hinsichtlich des Kindergeldes —nicht aber im Übrigen— den Klageanspruch als erfüllt ansieht und insoweit kein Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat.

b) Ausgehend von übereinstimmenden Erledigungserklärungen für das Kindergeld rügt der Kläger zu Recht, dass das FG mit dem Erlass eines die Klage als unzulässig zurückweisenden Prozessurteils verfahrensfehlerhaft entschieden hat. Hinsichtlich des erledigten Kindergeldstreits hätte das FG lediglich über die Kosten nach den Grundsätzen des § 138 Abs. 2 FGO befinden dürfen. Der Erlass eines Prozessurteils statt einer Kostenentscheidung aufgrund beiderseitiger Erledigungserklärungen nach § 138 Abs. 2 FGO stellt einen Verfahrensfehler dar.

Das FG hätte entweder die erledigte Kindergeldsache abtrennen und insoweit eine Kostenentscheidung nach § 138 FGO treffen müssen oder im Urteil über die restlichen Streitpunkte entscheiden und im Rahmen einer gemischten Kostenentscheidung beruhend auf § 138 und § 135 FGO über die Kosten des erledigten Teils befinden müssen (, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 503; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Rz 83).

c) Zur Behebung des Verfahrensfehlers ist es sachdienlich, den Rechtsstreit nach § 116 Abs. 6 FGO an das FG zurückzuverweisen. Nachdem das FG in seinem Urteil bereits über die restlichen Streitpunkte entschieden hat und für diesen Teil des Streitgegenstands, wie nachfolgend unter 2. ausgeführt, die Rügen des Klägers nicht durchgreifen, wird das FG über die Kosten des erledigten Teils nach § 138 FGO zu befinden haben.

2. Soweit die Entscheidung des FG die vom Kläger neben dem Kindergeld geltend gemachten Ansprüche betrifft, ist die Beschwerde unbegründet und daher nach § 132 FGO zurückzuweisen.

Die Rüge, das FG habe seine Hinweispflicht verletzt, greift nicht durch. Eine Hinweispflicht kann bestehen, wenn sich andernfalls das Urteil als eine sog. Überraschungsentscheidung erweisen würde. Dies ist der Fall, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt, mit dem der Beteiligte nicht zu rechnen brauchte (vgl. , BFH/NV 2007, 209). Solche Umstände hat der Kläger in seiner Beschwerdeschrift nicht dargelegt. Im Übrigen hat die Familienkasse in ihrem Schriftsatz vom ausführlich und für den Kläger auch als nicht Fachkundigen nachvollziehbar ihre Rechtsauffassung dargelegt, dass die Anträge des Klägers, soweit sie Säumniszuschläge, Zinsen und Kosten betreffen, keine Rechtsgrundlage haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1905 Nr. 10
PAAAC-52569