BMF - IV A 2 - S 7058 - 26/06

Umsatzsteuer;
Auswirkungen durch den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

I. Allgemeines

Gemäß dem am unterzeichneten Beitrittsvertrag treten die Republiken Bulgarien und Rumänien am der Europäischen Union bei. Das Hoheitsgebiet der Beitrittsstaaten gehört ab diesem Zeitpunkt zu dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft, vgl. Artikel 299 Absatz 1 EG-Vertrag. Ab dem Tag des Beitritts haben die Beitrittsstaaten das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ohne Übergangsfrist einzuführen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bestimmungen über die umsatzsteuerliche Behandlung des innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehrs.

Aufgrund der Beitritte ergeben sich Auswirkungen auf das deutsche Umsatzsteuerrecht. Nach mehreren Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes und der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung treten im grenzüberschreitenden Leistungsverkehr, je nachdem ob ein Staat zur Europäischen Gemeinschaft gehört oder nicht, unterschiedliche Besteuerungsfolgen ein. Das gilt insbesondere für:

  • § 1a UStG: Innergemeinschaftlicher Erwerb

  • § 1b UStG: Innergemeinschaftlicher Erwerb neuer Fahrzeuge

  • § 2a UStG: Fahrzeuglieferer

  • § 3 Abs. 1a UStG: Umsatzsteuerliche Behandlung des Verbringens eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet

  • § 3 Abs. 6, 7 und 8 UStG: Ort der Lieferung

  • § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c und Nr. 4, Abs. 3, 3a und 5 UStG: Ort der sonstigen Leistung

  • § 3b UStG: Ort der Beförderungsleistungen und der damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen

  • § 3c UStG: Ort der Lieferung in besonderen Fällen

  • § 3d UStG: Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs

  • § 3e UStG: Ort der Lieferung während einer Beförderung an Bord eines Schiffes, in einem Flugzeug oder in einer Eisenbahn

  • § 3g UStG: Ort der Lieferung von Gas oder Elektrizität

  • § 4 Nr. 1 Buchst. a und b UStG: Steuerbefreiungen für Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen

  • § 4 Nr. 3 UStG: Steuerbefreiungen für grenzüberschreitende Beförderungen und bestimmte sonstige Leistungen

  • § 4 Nr. 4b UStG: Steuerbefreiung für die einer Einfuhr vorangehenden Lieferung von Gegenständen

  • § 4b UStG: Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen

  • § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG: Steuerbefreiung bei der Einfuhr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung

  • § 6 UStG: Ausfuhrlieferung

  • § 6a UStG: Innergemeinschaftliche Lieferung

  • § 7 UStG: Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr

  • § 14a UStG: Zusätzliche Pflichten bei der Ausstellung von Rechnungen in besonderen Fällen

  • § 14b UStG: Aufbewahrung von Rechnungen

  • § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG: Vorsteuerabzug für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen

  • § 15 Abs. 3 UStG: Ausschluss vom Vorsteuerabzug

  • § 16 Abs. 1a und § 18 Abs. 4c UStG: Elektronische Dienstleistungen

  • § 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 5 UStG: Beförderungseinzelbesteuerung

  • § 16 Abs. 5a und § 18 Abs. 5a UStG: Fahrzeugeinzelbesteuerung

  • § 18 Abs. 9 UStG: Vorsteuer-Vergütungsverfahren

  • § 18a UStG: Zusammenfassende Meldung

  • § 18b UStG: Gesonderte Erklärung innergemeinschaftlicher Lieferungen im Besteuerungsverfahren

  • § 18e UStG: Bestätigungsverfahren

  • § 22 Abs. 2 Nr. 7 UStG: Aufzeichnung der Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie der darauf entfallenden Steuerbeträge

  • § 22 Abs. 4a UStG: Aufzeichnung für Gegenstände, die vom Unternehmer zu seiner Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht werden

  • § 22 Abs. 4b UStG: Aufzeichnung der Gegenstände, die der Unternehmer von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Ausführung einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG erhält

  • § 25 Abs. 2 UStG: Steuerbefreiung von Reiseleistungen

  • § 25a UStG: Differenzbesteuerung

  • § 25b UStG: Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte

  • § 1 UStDV: Sonderfälle des Orts der sonstigen Leistung

  • §§ 8 bis 17 UStDV: Beleg- und buchmäßiger Nachweis bei Ausfuhrlieferungen und Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr

  • §§ 17a bis 17c UStDV: Nachweise bei der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen.

Bei der Anwendung aller vorstehend aufgeführten Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes und der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung gehören Bulgarien und Rumänien ab dem Beitritt zum Gebiet der Europäischen Gemeinschaft.

II. Im Einzelnen

1. Gebiet der Europäischen Gemeinschaft

Ab dem umfasst das Gemeinschaftsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 1 UStG) auch die Hoheitsgebiete Bulgariens und Rumäniens.

2. Erwerbsschwellen

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch

unterliegt vorbehaltlich eines eventuell erklärten Verzichts auf die Anwendung des Schwellenwerts nur dann der Umsatzbesteuerung, wenn eine bestimmte Grenze (Erwerbsschwelle) überschritten wird.

In den Beitrittsstaaten gelten folgende Erwerbsschwellen:


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Bulgarien
20.000 BGN
Rumänien
33.700 RON

Gemäß Artikel 399 Satz 2 der Richtlinie 2006/112/EG ist der maßgebliche Zeitpunkt für den Umrechnungskurs der Tag des Beitritts des betreffenden Staates.

3. Lieferschwellen

Der Ort der Lieferung richtet sich bei Lieferungen von Gegenständen, die durch den Lieferer oder von einem ihm beauftragten Dritten aus dem Inland in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet werden und bei denen der Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb nicht zu versteuern hat, vorbehaltlich eines eventuell erklärten Verzichts auf die Anwendung des Schwellenwerts danach, ob die maßgebliche Lieferschwelle des anderen Mitgliedstaates (§ 3c Abs. 3 Nr. 2 UStG) überschritten ist oder nicht.

In den Beitrittsstaaten gelten die nachfolgenden Lieferschwellen:


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Bulgarien
70.000 BGN
Rumänien
118.000 RON

Gemäß Artikel 399 Satz 2 der Richtlinie 2006/112/EG ist der maßgebliche Zeitpunkt für den Umrechnungskurs der Tag des Beitritts des betreffenden Staates.

4. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

Ab dem unterliegt der grenzüberschreitende Warenverkehr mit den Beitrittsstaaten den Vorschriften, die für den innergemeinschaftlichen Handel gelten.

Unternehmer in den Beitrittsstaaten erhalten ab dem für umsatzsteuerliche Zwecke eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dient vorrangig als Anzeichen dafür, dass ihr Inhaber Bezüge aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als innergemeinschaftlichen Erwerb in dem Mitgliedstaat, der ihm diese Nummer erteilt hat, versteuern muss. Deutsche Unternehmer benötigen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ihres Leistungsempfängers, um zu erkennen, ob sie nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG steuerfrei an ihn liefern können. Ferner benötigen sie die Nummer des Leistungsempfängers, um den Verpflichtungen zur Rechnungsausstellung nach § 14a UStG nachzukommen. Schließlich müssen sie steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen unter Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers in ihren Zusammenfassenden Meldungen (§ 18a UStG) angeben. Steuerliche Bedeutung hat die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers auch als Tatbestandsmerkmal der Regelungen des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c und Nr. 4 UStG und § 3b Abs. 3 bis 6 UStG über den Ort bestimmter sonstiger Lieferungen.

Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern werden in den Beitrittsstaaten wie folgt aufgebaut sein:


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Bulgarien
BG
BG999999999 oder
BG9999999999
1 Block mit 9 Ziffern oder 1 Block mit
10 Ziffern
Rumänien
RO
RO99 oder
RO999 oder
RO9999 oder
RO99999 oder
RO999999 oder
RO9999999 oder
RO99999999 oder
RO999999999 oder
RO9999999999
1 Block mit 2 bis 10 Ziffern

Das Bundeszentralamt für Steuern bestätigt ab dem gemäß § 18e Nr. 1 UStG auf Anfrage die Gültigkeit von Umsatzsteuer-Identifikationsnummern, die von den Beitrittsstaaten erteilt wurden (einfache Bestätigung) sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde (qualifizierte Bestätigung). Sowohl eine einfache als auch eine qualifizierte Bestätigungsanfrage kann über das Internet unter der Adresse des Bundeszentralamtes für Steuern ( www.bzst.bund.de) erfolgen. Neben der Möglichkeit der Online-Bestätigungsanfrage können Anfragen zur qualifizierten Bestätigung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auch postalisch, telefonisch, per Telefax oder E-Mail erfolgen. Ein entsprechendes Kontaktformular steht dafür auf der o.g. Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern zur Verfügung. Die Antwort erfolgt grundsätzlich schriftlich, bei Internetanfragen allerdings nur auf Wunsch des Anfragenden.

Nach § 6a Abs. 3 UStG müssen die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vom Unternehmer nachgewiesen werden. Hierzu gehört nach § 17c Abs. 1 UStDV als buchmäßiger Nachweis die Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers. Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wird die fehlende Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Abnehmers in den Beitrittsstaaten unter den folgenden Voraussetzungen nicht beanstandet:

  1. Die Lieferung wird nach dem und vor dem ausgeführt.

  2. Die Lieferung erfolgt nicht im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise (vgl. § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV). Die außer der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach den §§ 17a bis 17c UStDV erforderlichen Nachweise für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung liegen vor. Der Abnehmer gibt gegenüber dem Unternehmer die schriftliche Erklärung ab, dass er die Erteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer beantragt hat und dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen.

  3. Die zunächst fehlende Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers wird nachgeholt.

Im Übrigen ist die Durchführung des (einfachen oder qualifizierten) Bestätigungsverfahrens nicht materiell-rechtliche Voraussetzung für den buchmäßigen Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen. Das Bestätigungsverfahren dient dem Unternehmer insbesondere in den Fällen, in denen Geschäftsbeziehungen aufgenommen werden oder Zweifel an der Gültigkeit einer erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bestehen, als Anhaltspunkt dafür, dass die jeweilige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dem Abnehmer erteilt wurde.

5. Behandlung der Lieferungen vor dem , bei denen die gelieferten Gegenstände nach dem in einen der Beitrittsstaaten oder aus einem der Beitrittsstaaten in das Inland gelangen

Liefert ein Unternehmer vor dem einen Gegenstand im Inland an einen Abnehmer und gelangt dieser Gegenstand nach dem in das Gebiet eines Beitrittsstaats, ist diese Lieferung unter den weiteren Voraussetzungen des § 6 UStG als Ausfuhrlieferung steuerfrei.

Gegenstände, die vor dem Beitrittsdatum geliefert wurden und nach dem Beitrittsdatum verwendet werden, unterliegen unter den Voraussetzungen des Artikels 408 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2006/112/EG der Einfuhrumsatzsteuer.

6. Zentrale Erstattungsbehörden

Aufgrund der 8. EG-Richtlinie sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, den in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmern die Vorsteuern in einem besonderen Verfahren zu erstatten und hierfür eine zentrale Erstattungsbehörde zu bestimmen. Die Anschriften der Erstattungsbehörden lauten wie folgt:


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Bulgarien:
 
Territorial Directorate of NRA Sofia-city
21 Axakov str.
1000 Sofia
Bulgaria
Tel.: 00359 2 986 3801
Fax: 00359 2 986 4810
Rumänien:
 
General Directorate of Public
Finances in Bucharest
Dimitric Gerota str, no. 13
Bucharest

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.

BMF v. - IV A 2 - S 7058 - 26/06


Fundstelle(n):
DStZ 2007 S. 157 Nr. 6
UStB 2007 S. 72 Nr. 3
UVR 2007 S. 107 Nr. 4
KAAAC-36618