BFH Beschluss v. - III B 197/05

Unentgeltliche Übertragung von GmbH-Anteilen auf minderjährige Kinder als Entnahme aus dem Betriebsvermögen/Bargründung oder verschleierte Sachgründung

Gesetze: UmwStG § 20 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1998 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.

Der Kläger gründete durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom eine GmbH. Das Stammkapital von 50 000 DM zahlte er voll ein. Zum übertrug er das Umlauf- und Anlagevermögen seines Einzelunternehmens —mit Ausnahme des Grundstücks— gegen Übernahme der kurzfristigen Verbindlichkeiten auf die GmbH. In Höhe des Unterschiedsbetrags ergab sich eine Darlehensforderung. Das Grundstück vermietete der Kläger durch Betriebsüberlassungs- und Mietvertrag vom an die GmbH, die den Betrieb des bisherigen Einzelunternehmens fortführte. Der Kläger war im Streitjahr 1998 alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH. Die Beteiligung an der GmbH gehörte zum Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom übertrug der Kläger mit Wirkung zum Geschäftsanteile an der GmbH in Höhe von jeweils 10 000 DM unentgeltlich auf seine beiden minderjährigen Söhne. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom hoben die Vertragsparteien den Vertrag vom wieder auf.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) sah in der unentgeltlichen Übertragung der GmbH-Anteile eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Es ermittelte den Teilwert der GmbH-Anteile und erhöhte den Gewinn des Besitzunternehmens für das Jahr 1998 um die aufgedeckten stillen Reserven in Höhe von 97 400 DM. Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 war erfolglos.

Mit der Klage brachten die Kläger vor, die Übertragung der GmbH-Anteile auf die Kinder sei unwirksam. Bei der Errichtung der GmbH habe es sich nicht um eine Bargründung, sondern um eine sog. verschleierte Sachgründung gehandelt. Die Hafteinlage gelte daher als nicht erbracht und wäre im Haftungsfall erneut zu leisten gewesen. Wegen dieses erhöhten Risikos hätten die GmbH-Anteile nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts auf die Kinder übertragen werden dürfen. Selbst bei Wirksamkeit der Übertragung der Anteile dürfe aber kein Entnahmegewinn angesetzt werden, weil die Abtretung der Anteile tatsächlich und wirtschaftlich nicht durchgeführt worden sei. Der Kläger habe nach wie vor allein sämtliche Weisungs-, Kontroll- und Stimmrechte allein ausgeübt. Zumindest aber sei der Entnahmegewinn falsch berechnet worden, weil bei einer verschleierten Sachgründung § 20 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) nicht anzuwenden sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus:

Die Übertragung der Anteile auf die Kinder sei nicht genehmigungsbedürftig gewesen. Eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts wäre nur erforderlich gewesen, wenn der Kläger seine Stammeinlage tatsächlich nicht erbracht hätte und die Kinder die Haftung für die Stammeinlage nach § 24 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) hätten übernehmen müssen. Der Kläger habe die Stammeinlage aber bar eingezahlt. Die Einlage sei auch nicht zeitnah zurückgezahlt worden. Es habe daher keine verschleierte Sachgründung vorgelegen. Durch die Übertragung auf die Kinder habe der Kläger die Anteile aus dem Betriebsvermögen seines Besitzunternehmens entnommen. Diese Entnahme habe durch die Aufhebung des Vertrags nicht rückwirkend beseitigt werden können. Schließlich sei weder ersichtlich noch substantiell vorgetragen, dass der Entnahmegewinn falsch berechnet worden sei.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 und 2 FGO) sowie die Verletzung rechtlichen Gehörs und der Amtsermittlungspflicht durch das FG (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend.

Sie tragen im Wesentlichen vor, das FG weiche von dem Urteil des FG des Landes Brandenburg vom   5 K 1549/98 F, G (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2000, 16) ab, weil es nicht berücksichtigt habe, dass die Kinder an der Ausübung ihrer formalen Gesellschafterrechte überhaupt nicht beteiligt gewesen und deshalb die Anteile nicht rechtswirksam übertragen worden seien. Des Weiteren liege eine Divergenz zu dem (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst —DStRE— 2003, 532) vor, das unter bestimmten Voraussetzungen die Rückabwicklung eines Anteilsveräußerungsvertrages als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) beurteilt habe. Auch habe das FG das (BFHE 169, 224, BStBl II 1993, 131) nicht beachtet. Danach hätten bei Einbringung im Wege der Sachübernahme bzw. der verschleierten Sachgründung die Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert angesetzt werden müssen.

Ferner bedürfe der Rechtsstreit einer Entscheidung durch den BFH auch deshalb, weil das FG in Bezug auf die Grundsätze der verschleierten Sachgründung zu Ergebnissen gelangt sei, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürften. Rechtlich mache es keinen Unterschied, ob ein Betrag in Höhe des Stammkapitals ausgezahlt werde oder ob dem Gesellschafter Forderungen eingeräumt würden oder ob er von Verbindlichkeiten befreit werde.

Schließlich habe das FG den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und sei seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachgekommen. In der Klagebegründung sei dargelegt worden, weshalb die Voraussetzungen einer verschleierten Sachgründung erfüllt seien. Bis zum Zeitpunkt der Ladung zur mündlichen Verhandlung am habe sich für ihren Prozessbevollmächtigten keinerlei Hinweis darauf ergeben, dass das FG den genannten Sachvortrag als unerheblich oder gar als unrichtig betrachte. Dies sei erst aufgrund eines nach der Ladung mit dem Berichterstatter geführten Telefonats deutlich geworden. Insoweit habe der Berichterstatter am Telefon sinngemäß geäußert, in Klagebegründungen werde viel geschrieben. Ihr Prozessbevollmächtigter habe sich in der kurzen Zeit bis zum Verhandlungstermin bemüht, seinen Vortrag unterstützende Unterlagen beizubringen. Dies sei kaum gelungen. Wäre ihm die Auffassung des FG bereits zu einem früheren Zeitpunkt bekannt geworden, wäre zur Frage der verschleierten Sachgründung in tatsächlicher und vor allem auch in rechtlicher Hinsicht ein erheblich präziserer Vortrag möglich gewesen. Insbesondere hätten gegebenenfalls weitere Zeugen über die Abläufe im Jahr 1989 genannt werden können. So hätte er sich mit einer eilig eingeholten eidesstattlichen Versicherung ihres damaligen Steuerberaters begnügen müssen. Das gesamte Verhalten des FG stehe der Verweigerung des rechtlichen Gehörs gleich.

Darüber hinaus habe sich das FG ersichtlich nicht mit dem Vorbringen in der Klageschrift auseinander gesetzt, die Übertragung der GmbH-Anteile sei wirtschaftlich und tatsächlich nicht vollzogen worden, da der Kläger auch nach Übertragung der GmbH-Anteile auf seine minderjährigen Kinder sämtliche Rechte der Gesellschaft allein ohne Beteiligung seiner minderjährigen Kinder ausgeübt habe.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Die von den Klägern gerügte Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von Entscheidungen anderer Gerichte, die eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) rechtfertigen würden, liegt nicht vor.

Eine Divergenz ist nur gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von dem tragenden Rechtssatz des Urteils eines anderen Gerichts abweicht. Zudem müssen die Sachverhalte, über die entschieden worden ist, vergleichbar sein (z.B. , BFH/NV 2002, 1046, m.w.N.).

a) Die von den Klägern behauptete Divergenz zu dem Urteil des FG des Landes Brandenburg in EFG 2000, 16 ist schon deshalb nicht gegeben, weil dem Urteil kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. Das FG hatte zu entscheiden, ob derjenige, der einen Kommanditanteil schenkweise auf den Ehegatten überträgt, steuerrechtlich weiterhin als Gesellschafter und Mitunternehmer zu behandeln ist, wenn er sich hinsichtlich des Kernbereichs der Kommanditistenstellung ein Weisungsrecht vorbehält. Der Streitfall betrifft dagegen die Übertragung von Anteilen an einer GmbH auf minderjährige Kinder. Als gesetzlicher Vertreter der Kinder hat der Kläger deren Gesellschaftsrechte wahrgenommen. Der vertragliche Vorbehalt eines Weisungsrechts ist aber mit der Vermögenssorge für minderjährige Kinder nicht zu vergleichen.

b) Mangels vergleichbarer Sachverhalte liegt auch keine Abweichung von dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz in DStRE 2003, 532 (bestätigt durch , BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107) vor. Das Urteil betraf die Frage, ob der Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer GmbH mit steuerlicher Rückwirkung entfällt, wenn der Anteilskaufvertrag rückgängig gemacht wird aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs, mit dem die Vertragsparteien den Rechtsstreit über den Eintritt einer im Kaufvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung beilegen. Im Streitfall enthielt der Vertrag über die schenkweise Übertragung der GmbH-Anteile auf die Kinder aber keine auflösende Bedingung. Ein Irrtum über die steuerrechtlichen Folgen der Übertragung ist kein rückwirkendes Ereignis. Die in der Übertragung der GmbH-Anteile auf die Kinder liegende Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Besitzunternehmens des Klägers kann daher durch die Aufhebung des Übertragungsvertrags nicht mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit rückgängig gemacht werden (, BFHE 139, 79, BStBl II 1983, 736).

c) Das FG-Urteil weicht auch nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 169, 224, BStBl II 1993, 131 ab. Dieses BFH-Urteil enthält zwar —wie die Kläger vortragen— den abstrakten Rechtssatz, dass die verschleierte Sachgründung nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UmwStG erfüllt. Hiervon weicht das FG aber nicht ab, da es auf der Grundlage der weiteren Rechtsgrundsätze dieses Urteils gerade keine verschleierte Sachgründung angenommen hat.

2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Der BFH hat bereits in seinem Urteil in BFHE 169, 224, BStBl II 1993, 131 geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine verschleierte Sachgründung anzunehmen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die —sich aus der Übertragung des Betriebs auf die GmbH ergebende— Forderung des einbringenden Gesellschafters gegen die GmbH mit der Forderung der GmbH gegen den Gesellschafter auf die Bareinlage verrechnet wird oder wenn die Forderung aus der der GmbH zugeflossenen Bareinlage getilgt wird oder wenn die GmbH die übernommenen Sachgüter zunächst bezahlt und der Gesellschafter dann mit dem Erlös seine Bareinlageschuld begleicht. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor, da nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) die Bareinlage erbracht worden und bei der GmbH verblieben ist.

Ein weiterer für die Entscheidung des Streitfalls erheblicher Klärungsbedarf hinsichtlich der Voraussetzungen für die Annahme einer verschleierten Sachgründung besteht nicht.

3. Die Verfahrensrügen der Kläger greifen ebenfalls nicht durch.

a) Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht verletzt.

Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. § 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO; vgl. auch § 93 Abs. 1 FGO; , BFH/NV 2001, 1580).

Die Kläger haben selbst vorgetragen, dass sie den gesamten entscheidungserheblichen Sachverhalt hinsichtlich der behaupteten verschleierten Sachgründung noch vor der mündlichen Verhandlung schriftlich dargelegt hätten. Dementsprechend hat das FG auch die gesamte Darstellung der Kläger in den Tatbestand seines Urteils aufgenommen. Dass das FG hinsichtlich der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts nicht der Argumentation der Kläger gefolgt ist, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Dieses Recht gewährleistet lediglich einen Anspruch auf „Gehör”, nicht aber auf „Erhörung”. Auch Anhaltspunkte für eine sog. Überraschungsentscheidung sind weder vorgetragen noch erkennbar.

Ebenfalls keine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich aus dem Vorwurf, das FG habe sich nicht mit dem Argument der Kläger auseinandergesetzt, die Übertragung der GmbH-Anteile sei wirtschaftlich und tatsächlich nicht vollzogen worden.

Das FG ist verpflichtet, alle Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das rechtliche Gehör ist jedoch nicht schon deshalb verletzt, weil das FG in den Gründen seiner Entscheidung einen bestimmten Vortrag eines Beteiligten nicht erörtert hat (vgl. , BFH/NV 2001, 631, m.w.N.).

Im Übrigen kann aus dem Vortrag, der Kläger habe nach wie vor sämtliche Weisungs-, Kontroll- und Stimmrechte allein ausgeübt, nicht gefolgert werden, die Anteilsübertragung sei tatsächlich und wirtschaftlich nicht vollzogen worden. Denn der Kläger hatte als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Kinder auch deren Gesellschafterrechte wahrzunehmen.

b) Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG ist bereits unzulässig.

Wird die Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das FG gerügt (§ 76 Abs. 1 FGO), ist genau anzugeben, welche konkreten Tatsachen das FG von sich aus hätte aufklären sollen und/oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und/oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes auf der Grundlage der insoweit maßgebenden, gegebenenfalls auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Insbesondere haben die Kläger nicht vorgetragen, welche konkreten Tatsachen sich bei einer weiteren Sachverhaltsaufklärung ergeben hätten und weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 28 Nr. 1
CAAAC-19145