BVerwG Urteil v. - 8 C 22.01

Leitsatz

Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Landesgesetzgeber die Tätigkeit einer Teilzeitangestellten des die Gemeinde verwaltenden Amtes ohne Rücksicht auf die konkret ausgeübte Funktion generell für unvereinbar mit der gleichzeitigen Wahrnehmung eines Mandats in der Gemeindevertretung erklärt.

Gesetze: GG Art. 28 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 137 Abs. 1; GO S.-H. § 31 a Abs. 1 Nr. 1; GKWG S.-H. § 37 a Abs. 1; GKWG S.-H. § 37 a Abs. 4; GKWG S.-H. § 44

Instanzenzug: VG Schleswig VG 6 A 271/99 vom OVG Schleswig OVG 2 L 68/00 vom

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung des Gemeindewahlleiters des Beklagten, der Beigeladene - ihr Ehemann - sei für sie in die Gemeindevertretung der von dem Beklagten verwalteten Gemeinde S. nachgerückt.

Die Klägerin ist bei dem beklagten Amt seit 1995 als Angestellte mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 6,92 Stunden beschäftigt; sie betreut Kinder, die über die Schulstunden hinaus in der Grundschule S. verbleiben.

Mit Schreiben vom teilte der Wahlleiter des Beklagten der Klägerin mit, sie sei bei den Gemeindewahlen vom direkt zur Gemeindevertreterin der Gemeinde S. gewählt worden; zugleich forderte er sie im Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit für den Beklagten auf, binnen einer Woche mit der Annahme der Wahl gleichzeitig die Beurlaubung von ihrem Dienstverhältnis nachzuweisen. Nachdem die Klägerin zwar die Wahl angenommen, die Erklärung über die Beurlaubung jedoch nicht abgegeben hatte, teilte ihr der Wahlleiter im April 1998 mit, ihre Annahmeerklärung sei wegen des fehlenden Beurlaubungsnachweises unwirksam. Mit Schreiben vom legte die Klägerin gegen die an den Beigeladenen gerichtete - mit Bescheid vom auch ihr gegenüber getroffene - Feststellung des Wahlleiters, der Beigeladene sei als Nachrücker zum Gemeindevertreter gewählt worden, Einspruch ein, da sie nicht als Angestellte im Sinne der Unvereinbarkeitsregelung des § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO anzusehen sei. Mit Bescheid vom wies der Wahlleiter den Einspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin falle nach dem eindeutigen Wortlaut und dem gesetzgeberischen Willen unter die Unvereinbarkeitsvorschrift des § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO; danach komme es nicht auf die konkret ausgeübte Funktion des Angestellten an.

Ihre am erhobenen Klage gegen die Feststellungsbescheide des Wahlleiters des Beklagten, mit der sich die Klägerin unter Hinweis auf ihr lediglich gegenüber dem beklagten Amt, nicht aber gegenüber der Gemeinde bestehendes Arbeitsverhältnis und die fehlende Gefahr von Interessenkollisionen berufen hat, hat das Verwaltungsgericht Schleswig mit Urteil vom als unbegründet abgewiesen. Mit Urteil vom hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht auch die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Wahlleiter habe zu Recht gemäß § 44 des schleswig-holsteinischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes - GKWG - i.d.F. vom (GVOBl S.-H. 1997, S. 151) im Wege des Nachrückeverfahrens den Beigeladenen als neuen Gemeindevertreter festgestellt. Die Annahme der Wahl durch die Klägerin sei mangels gleichzeitiger Beurlaubung von ihrem Angestelltenverhältnis unwirksam gewesen. Die Tätigkeit der Klägerin als teilzeitbeschäftigte Angestellte des die Gemeinde S. verwaltenden Amtes sei gemäß § 31 a Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein - GO - i.d.F. vom (GVOBl S.-H. 1997, S. 474) mit dem Mandat als Gemeindevertreterin unvereinbar. Die Klägerin sei unstreitig Angestellte im Sinne der genannten Vorschriften. Die Ermächtigung zur Beschränkung des passiven Wahlrechts ergebe sich aus Art. 137 Abs. 1 GG. Danach dürften alle Angestellten eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne Rücksicht auf deren ausgeübte Funktion insoweit Schranken unterworfen werden. Allerdings dürfe der einfache Gesetzgeber nur Beschränkungen der Wählbarkeit in Gestalt von Unvereinbarkeitsregelungen, nicht aber den rechtlichen Ausschluss von der Wählbarkeit (Ineligibilität) vorsehen. Die Wählbarkeit als solche werde rechtlich durch § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO zwar nicht ausgeschlossen; jedoch müsse eine - mangels flankierender Auffangregelungen bestehende - faktische Einengung der Wahlmöglichkeit zwischen Amt und Mandat durch die ansonsten nicht wirksam zu bekämpfende Gefahr von Interessenkollisionen gerechtfertigt sein. Dies sei auch im Hinblick auf Angestellte des die Gemeinde verwaltenden Amtes der Fall. Der Landesgesetzgeber habe - wie die Entstehungsgeschichte der streitigen Norm belege - bewusst alle Angestellten auch des die Gemeinde verwaltenden Amtes ohne Differenzierung nach Leitungsfunktionen und konkreten Aufgaben in die Unvereinbarkeitsregelung einbezogen, weil er insoweit generell Interessenkonflikte befürchtet habe. Dies sei angesichts der Gegebenheiten auf kommunaler Ebene, "auf der sich die verschiedenartigsten örtlichen, personellen und wirtschaftlichen Interessen treffen und verflechten", nicht zu beanstanden. Die - im Einzelnen dargelegten - Besonderheiten der schleswig-holsteinischen Kommunalverfassung belegten einen "untrennbaren Zusammenhang" und "verwaltungsmäßige Verflechtungen" zwischen der jeweiligen Gemeinde und dem sie verwaltenden Amt. Diese enge Verzahnung zwischen amtsangehöriger Gemeinde und Amt rechtfertige die vom Gesetzgeber im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit von Amt und Mandat angestrebte Gleichbehandlung ihrer Angestellten. Der Gesetzgeber habe sich nicht mit weniger wirksamen Einzelfallregelungen zur Begegnung von Interessenkollisionen - wie etwa Befangenheits- und Ausschlussbestimmungen - begnügen müssen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, das Berufungsurteil verletze materielles Recht; § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO verstoße in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht gegen den Verfassungsgrundsatz der passiven Wahlrechtsfreiheit und -gleichheit.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwal-tungsgerichts vom und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom sowie die Bescheide des Beklagten vom und vom aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Beigeladene tritt - ohne Antragstellung - der Revision bei.

II.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§§ 141, 125 Abs. 1 und 101 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist zurückzuweisen, weil das Berufungsgericht zu Recht die zulässige Klage für unbegründet gehalten hat (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die angefochtenen Bescheide sind nach Maßgabe des Bundesrechts rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO), denn der Beklagte ist danach zutreffend davon ausgegangen, dass infolge der Weigerung der Klägerin, sich beurlauben zu lassen (vgl. § 37 a Abs. 1 GKWG, § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO), keine wirksame Annahme der Wahl vorlag (§ 44 Abs. 1 GKWG) und deshalb das Nachrücken des Beigeladenen festzustellen war (§ 44 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKWG).

1. Das Berufungsurteil beruht auf der Annahme, die Klägerin unterfalle als Angestellte des die Gemeinde verwaltenden Amtes der Inkompatibilitätsregelung des § 37 a Abs. 1 und 4 GKWG i.V.m. § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO.

a) Nach § 37 a Abs. 1 GKWG erwerben Beamte, die unter anderem in eine Gemeindevertretung gewählt worden sind - das Gleiche gilt gemäß § 37 Abs. 4 GKWG für Angestellte des öffentlichen Dienstes - bei Unvereinbarkeit ihres Amtes mit dem Mandat die Mitgliedschaft in der Gemeindevertretung erst, wenn sie gleichzeitig mit ihrer Annahmeerklärung die Beurlaubung von ihrem Dienstverhältnis schriftlich nachweisen. Gemäß § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO darf ein Mitglied einer Gemeindevertretung nicht tätig sein als "Beamtin oder Beamter, Angestellte oder Angestellter der Gemeinde oder des die Gemeinde verwaltenden Amtes". Das Berufungsgericht hat dem Landes(verfassungs)recht ferner die - irrevisible - Aussage entnommen, die darin liegende Einschränkung des passiven Wahlrechts sei dem Landesgesetzgeber durch die schleswig-holsteinische Verfassung nicht verwehrt (BU S. 11).

b) In Anwendung einfachgesetzlicher landesrechtlicher Vorschriften hat das Oberverwaltungsgericht ferner festgestellt, dass die Klägerin trotz ihrer "geringfügigen Tätigkeit von 6,92 Stunden wöchentlich zur Durchführung der betreuten Grund- und Hauptschule S., deren Träger das die Gemeinde verwaltende Amt ist, ... die Merkmale einer Angestellten im Dienste des die Gemeinde verwaltenden Amtes (erfüllt) und ... daher gemäß § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO nicht als Mitglied der Gemeindevertretung tätig sein (darf)"; ihre Tätigkeit sei einem Angestelltenverhältnis zuzuordnen (BU S. 10) und § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO erfasse auch geringfügig beschäftigte Angestellte unabhängig von ihrer Funktion (BU S. 14). Damit steht für das Bundesverwaltungsgericht bindend fest, dass die Klägerin "Angestellte" im Sinne der landesrechtlichen Inkompatibilitätsregelungen ist und dass Amt und Mandat im Sinne von § 37 a Abs. 1 GKWG unvereinbar sind, wenn der Tatbestand des § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO erfüllt ist, also auch dann, wenn es um ein Teilzeit-Angestelltenverhältnis zu dem die Gemeinde verwaltenden Amt geht. Von diesen tatsächlichen und landesrechtlichen Gegebenheiten hat die revisionsrechtliche Prüfung auszugehen.

2. Die genannten landesrechtlichen Inkompatibilitätsvorschriften sind mit dem ihnen vom Berufungsgericht beigemessenen Inhalt mit Bundesrecht vereinbar. Sie verstoßen nicht gegen den Verfassungsgrundsatz der (passiven) Gleichheit und Freiheit der Wahl, der auch für Gemeindevertretungen gilt (Art. 28 Abs. 1 Satz 2; vgl. BVerfGE 58, 177 <190 f.>). Die Einengung der schleswig-holsteinischen Inkompatibilitätsvorschriften im Wege verfassungskonformer Auslegung - wie sie der Klägerin vorschwebt - kommt daher nicht in Betracht. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt.

a) Allerdings beschränken die angegriffenen Regelungen die Wählbarkeit von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst der Gemeinde bzw. des die Gemeinde verwaltenden Amtes; sie sind deshalb nur zulässig, wenn das Grundgesetz ausdrücklich dazu ermächtigt oder der Verfassungsordnung sonst eine ausreichende Ermächtigung entnommen werden kann (BVerfGE 58, 177 <191>).

b) Als Ermächtigungsgrundlage für den Landesgesetzgeber kommt Art. 137 Abs. 1 GG in Betracht. Diese Verfassungsnorm gilt auch für die Wählbarkeit zu kommunalen Vertretungskörperschaften, also auch zu Gemeinderäten (BVerfGE 58, 177 <191>; 48, 64 <82>). Art. 137 Abs. 1 GG gestattet dem Gesetzgeber, bestimmte Gruppen von öffentlichen Bediensteten in ihrer Wählbarkeit zu beschränken. Er führt ausdrücklich die "Angestellten des öffentlichen Dienstes" an und erfasst damit jedenfalls alle Angestellten, die in einem Dienstverhältnis zu einem öffentlich- rechtlichen Dienstherrn stehen (BVerfGE 58, 117 <192>; 48, 64 <84>). Die Ermächtigung in Art. 137 Abs. 1 GG stellt damit auf das Dienstverhältnis und nicht auf die Funktion ab, soweit es um die Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst geht (vgl. Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG, Art. 137 Rn. 9 ff.; von Campenhausen, in: von Mangoldt/Klein, GG, Art. 137 Rn. 21 ff.). Die Personengruppe, die in der bindenden Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht von § 31 a Abs. 1 Nr. 1 GO erfasst wird und zu der die Klägerin gehört, steht in einem solchen Dienstverhältnis.

c) Die durch Art. 137 Abs. 1 GG im Grundsatz gestattete landesrechtliche Unvereinbarkeitsregelung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil sie mangels flankierender, die Härten des Amtsverzichts kompensierender oder zumindest mildernder Vorschriften zu einem faktischen Ausschluss der betroffenen Personengruppe von der Wahrnehmung des kommunalen Mandats führt.

Zwar darf eine auf Art. 137 Abs. 1 GG gestützte gesetzliche Regelung nur eine Wählbarkeitsbeschränkung in Gestalt einer Unvereinbarkeitsregelung (Inkompatibilität) nicht aber den rechtlichen Ausschluss von der Wählbarkeit (Ineligibilität) anordnen (BVerfGE 58, 177 <192>; 48, 64 <88> m.w.N.). Die streitigen landesrechtlichen Vorschriften überschreiten bei rein rechtlicher Betrachtung diesen Rahmen nicht, weil sie - abstrakt gesehen - dem Betroffenen die Wahl zwischen Amt und Mandat belassen. Da aber auf der kommunalen Ebene - bis auf die Zuerkennung eines Anspruchs auf Beurlaubung (§ 37 a Abs. 2 GKWG), die zwingende Anrechnung der Zeit der Mitgliedschaft in der Gemeindevertretung als Dienstzeit im Sinne des Besoldungs- und Versorgungsrechts (§ 37 a Abs. 1 S. 2 GKWG) und in der Regel eine geringfügige Entschädigung - keine die Nachteile der Beurlaubung aufwiegenden, insbesondere keine flankierenden finanziellen Regelungen zur materiellen Existenzsicherung vorgesehen sind und der Landesgesetzgeber auf der kommunalen Ebene dazu auch nicht verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 58, 177 <193>), kann sich die gesetzliche Unvereinbarkeitsregelung auf die beruflichen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen so schwerwiegend auswirken, dass sie einem faktischen Ausschluss des betroffenen Personenkreises von der Wählbarkeit in die Gemeindevertretung und damit der Ineligibilität nahe- oder gleichkommt (Lübbe-Wolff, a.a.O., Rn. 14; zum faktischen Ausschluss vgl. auch BVerfGE 18, 172 <182>; 38, 336 <338>; 48, 64 <88>; 98, 145 <156>). Sie bedarf deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (die dogmatische Einordnung ist im Einzelnen streitig; vgl. Lübbe-Wolff, a.a.O., Art. 137 Rn. 7 und Fußn. 70 bei Rn. 17 mit Nachweisen zum Streitstand) über die Ermächtigung in Art. 137 Abs. 1 GG hinaus jeweils eines sachlichen Grundes, der dem Sinn der verfassungsrechtlichen Ermächtigung gerecht wird (BVerfGE 58, 177 <193>; 48, 64 <89 f.>). Ein solcher zusätzlich erforderlicher Rechtfertigungsgrund ist anzuerkennen, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist (BVerfGE 58, 177 <193>; 48, 64 <90>). In einem derartigen Ausnahmefall ist auch der generelle faktische Ausschluss von der Wählbarkeit hinzunehmen (BVerfGE 48, 64 <89> m.w.N.; Lübbe-Wolff, a.a.O., Rn. 15).

d) Die angegriffenen schleswig-holsteinischen Inkompatibilitätsregelungen beruhen auf solchen rechtfertigenden Gründen.

aa) Interessenkollisionen zwischen der Ausübung des Ratsmandates in einer amtsangehörigen Gemeinde und dem Dienst als Angestellte des die Gemeinde verwaltenden Amtes sind nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sich "kommunale Legislative" und Exekutive seitens des verwaltenden Amtes im vorliegenden Fall auf verschiedenen Ebenen gegenüber stünden (vgl. zum Verhältnis zwischen kreisangehörigen Gemeinden und Landkreisangestellten: BVerfGE 58, 177 <193 f.>; zu Bundestags- und Landtagsmandaten kommunaler Wahlbeamter: BVerfGE 18, 172 <183 f.>). Dies ist nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (BU S. 16) nämlich nicht der Fall. Danach bilden die amtsangehörige Gemeinde und das Amt trotz ihrer jeweiligen formalen Selbständigkeit "verwaltungsmäßig einen untrennbaren Zusammenhang". Dies hat das Berufungsgericht daraus gefolgert, dass

- das Amt im Einvernehmen mit dem Bürgermeister die Beschlüsse der Gemeindevertretung vorbereitet und nach diesen Beschlüssen die Selbstverwaltungsaufgaben der amtsangehörenden Gemeinde durchführt (§ 3 Abs. 1 der Amtsordnung),

- das Amt die Kassen- und Rechnungsführung und die Aufstellung der Haushaltspläne der amtsangehörenden Gemeinden besorgt (§ 4 Abs. 3 der Amtsordnung),

- das Amt die ihm von der Gemeinde übertragenen Einzelaufgaben (z.B. die Trägerschaft für Schulen) nach deren Weisungen ausführt (§ 5 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der Amtsordnung),

- der Amtsausschuss als das entscheidende Organ sich aus den Bürgermeistern der amtsangehörenden Gemeinden und den von den Gemeindevertretungen zugewählten weiteren Mitgliedern zusammensetzt (§ 9 Abs. 1 der Amtsordnung).

Diese enge Verzahnung zwischen amtsangehörenden Gemeinden und dem Amt rechtfertige "unter Berücksichtigung der (o.a.) Besonderheiten der schleswig-holsteinischen Kommunalverfassung" (BU S. 16) die Gleichbehandlung ihrer Bediensteten mit Blick auf die Inkompatibilität (BU S. 15 f.). Bei einer - von der Klägerin befürworteten - Beschränkung auf einzelfallbezogene Ausschluss- oder Befangenheitsregelungen verblieben Zweifelsfälle - etwa bezüglich der Voraussetzungen der §§ 22 a Abs. 1, 24 a GO -, die den Gesetzgeber im Interesse einer möglichst effizienten Gewaltenteilung zu einer abstrakt-generellen Bestimmung befugten (BU S. 17; vgl. hierzu auch BVerfGE 58, 177 <200>).

bb) Diese Feststellungen tragen die Annahme einer ansonsten nicht wirksam zu bekämpfenden Gefahr von Interessenkollisionen und stehen - entgegen der Auffassung der Klägerin - mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang. Denn die nach der schleswig-holsteinischen Kommunalverfassung vorgesehenen Berührungspunkte und Zusammenarbeitspflichten zwischen Amt und amtsangehöriger Gemeinde schließen die Möglichkeit wechselseitiger Einflussnahme ein (vgl. BVerfGE 58, 177 <195, 196>) und lassen Raum für Interessengegensätze, die sich bei gleichzeitiger Wahrnehmung des Mandats in einer Gemeindevertretung und der Tätigkeit als Angestellter des die Gemeinde verwaltenden Amtes in unerwünschter Weise auf die Mandatswahrnehmung auswirken könnten (vgl. BVerfGE 58, 177 <197 f.>).

Die in der Verbindung von Gemeinderatsmandat und Dienstverhältnis zu dem die Gemeinde verwaltenden Amt begründete Gefahr von Interessenkollisionen ist wegen der Vielfalt der denkbaren Berührungspunkte weder auf bestimmte Sachbereiche beschränkt noch sonst eindeutig eingrenzbar. Die erheblichen Schwierigkeiten einer Abgrenzung innerhalb der Gruppe der Beamten und/oder Angestellten - etwa nach Funktionen - gestattet es dem Gesetzgeber, in generalisierenden Tatbeständen die Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG auszuschöpfen (BVerfGE 58, 177 <198>; 40, 296 <320 f.>). Dass der Gesetzgeber - wo die Beschränkung auf leitende Angestellte praktikabel und zur Gefahrenbekämpfung wirksam ist - auch zu weniger beschränkenden Eingriffen in die passive Wahlrechtsfreiheit berechtigt und verpflichtet ist, bedarf keiner besonderen Begründung. Das Bundesverfassungsgericht hat solche weniger einschneidenden Inkompatibilitätsregelungen etwa für die Wählbarkeit leitender Angestellten des Landkreises in den Rat einer kreisangehörenden Gemeinde gebilligt (BVerfGE 58, 177 ff.); für das Gemeindevertretungsmandat von Angestellten des die Gemeinde verwaltenden Amtes folgt angesichts der unterschiedlich intensiven Verflechtung daraus nicht ebenfalls eine Verpflichtung zur Beschränkung auf Leitungsfunktionen. Dass die Gefahr von Interessenkonflikten auch mit Blick auf die Klägerin als Bedienstete des Beklagten nicht rein theoretisch und abstrakt ist, ergibt sich unter anderem daraus, dass das Amt die Trägerschaft der Schule, an der die Klägerin beschäftigt ist, nur nach Weisung der Gemeinde wahrnehmen darf. Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Angestellte privatrechtlicher, von der Gemeinde beherrschter Unternehmen von der Inkompatibilitätsregelung auszunehmen, wenn sie keine Leitungsfunktion ausüben (BVerfGE 48, 64 ff.), folgt nichts zu Gunsten der von der Klägerin befürworteten Auslegung des Landesrechts. Mit der Beschränkung auf leitende Angestellte derartiger Unternehmen hat das Bundesverfassungsgericht nämlich nur deren enge Beziehung zur öffentlichen Hand und damit deren Zurechnung zum "öffentlichen Dienst" im Sinne von Art. 137 Abs. 1 GG begründet; für zweifelsfrei schon aus formalen Gründen dem öffentlichen Dienst angehörende Angestellte hat es hingegen eine weitere Differenzierung nach Funktionen nicht für geboten erachtet (ebenso Lübbe-Wolff, a.a.O., Rn. 8, 10 und 17 Fußnote 71; Schefold, JuS 1980, 493 <500>).

cc) Dem Gesetzgeber steht nämlich bei der Frage, ob die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit von Interessen- oder Entscheidungskonflikten besteht und deshalb eine Beschränkung der passiven Wahlrechtsfreiheit gerechtfertigt erscheint, ein Einschätzungsspielraum zu, den er durch generalisierende Tatbestände ausschöpfen kann (BVerfGE 98, 145 <161>). Dass der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber für die kommunale Ebene die Wahrnehmung eines Gemeinderatsmandates bei gleichzeitiger Tätigkeit als Angestellter des die Gemeinde verwaltenden Amtes als generellen Unvereinbarkeitstatbestand ausgestaltet hat, ist deshalb angesichts der dort sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht verstärkten Verflechtungen (vgl. hierzu Engelken, DÖV 1996, 853 <858>; Niebler, in: BVerfGE 48, 64, 94 <97>) mit Blick auf Art. 137 Abs. 1 GG und die passive Wahlrechtsfreiheit nicht zu beanstanden. Die Feststellung, ob und inwieweit Interessenkonflikte zu befürchten sind und zur Vermeidung von Störungen der Exekutiv- und Legislativfunktionen eine generelle Inkompatibilitätsregelung erfordern, ist in erster Linie Sache des einfachen Gesetzgebers (Lübbe-Wolff, a.a.O., Rn. 18). Auf die weniger effizienten Befangenheitsregelungen musste der Gesetzgeber sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht beschränken, zumal der Einfluss des im Einzelfall ausgeschlossenen Ratsmitgliedes angesichts der besonderen, im Regelfall sehr überschaubaren und durch persönliche Beziehungen stärker geprägten kommunalen Verhältnisse bestehen bleibt und sich auf indirektem Wege letztlich doch Geltung verschaffen kann (Schefold, JuS 1980, 493 <500>).

e) Die landesrechtliche Inkompatibilitätsregelung ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie - ohne Berücksichtigung der konkret ausgeübten Funktion - zwar kommunale Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, nicht aber Arbeiter des öffentlichen Dienstes, die im Dienst der Gemeinde oder des die Gemeinde verwaltenden Amtes stehen, erfasst. Mit diesem Einwand musste sich das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom (BVerfGE 48, 64 <73, 83, 85>) beschäftigen; das Bundesverfassungsgericht hat keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen. Die Ermächtigung zur Beschränkung der passiven Wahlrechtsgleichheit in Art. 137 Abs. 1 GG bezieht sich eindeutig und gewollt nur auf die Personengruppen der Beamten und der Angestellten des öffentlichen Dienstes. Zwar ist der Begriff des "Angestellten" nicht notwendigerweise in allen Rechtsbereichen gleich (BVerfGE 48, 64 <83 f.>); eine am Zweck orientierte Auslegung des Art. 137 Abs. 1 GG ermöglicht deshalb auch die Einbeziehung leitender Angestellter von durch die Gemeinde beherrschten Unternehmen (BVerfGE 48, 64 <85 f.>). Die Einbeziehung von Arbeitern ist vom Verfassungsgeber jedoch ausdrücklich nicht vorgesehen worden, obwohl sich auch bei Arbeitern des öffentlichen Dienstes - besonders im gemeindlichen Bereich - häufig Fallgestaltungen ergeben können, die an sich eine Beschränkung der Wählbarkeit als sachgerecht ausweisen würden (BVerfGE 48, 64 <85>). Der Verfassungsgeber hat jedoch bewusst differenziert und so zu erkennen gegeben, welche Gesichtspunkte innerhalb des öffentlichen Dienstes die Auslösung der Regelungsbefugnis rechtfertigen; das Bundesverfassungsgericht hat aus der von Verfassungs wegen hinzunehmenden Nichteinbeziehung der Arbeiter des öffentlichen Dienstes nur Schlüsse dafür abgeleitet, welche außerhalb eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses stehenden Angestellten in den Begriff des "Angestellten des öffentlichen Dienstes" im Sinne von Art. 137 Abs. 1 GG einzuordnen sind (vgl. a.a.O., S. 85).

f) Die streitigen gesetzlichen Regelungen verstoßen auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Wenn eine Inkompatibilitätsvorschrift

- wie hier - nach Art. 137 Abs. 1 GG zulässig ist, verletzt sie auch nicht die Berufsfreiheit (BVerfGE 98, 145 <163>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für alle Instanzen auf jeweils 6 135,50 € (entspricht 12 000 DM) festgesetzt (vgl. Ziff. 19.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit <NVwZ 1996, 563>).

Fundstelle(n):
PAAAC-13439