BVerwG Beschluss v. - 6 P 7.01

Leitsatz

Eine zu Arbeitsschutzzwecken durchgeführte Befragung der Beschäftigten durch den Dienststellenleiter unterliegt nicht der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG.

Gesetze: BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 11; BPersVG § 81; ArbSchG § 5; ArbSchG § 6; ArbSchG § 21

Instanzenzug: VG Berlin VG 72 A 2.98 vom OVG Berlin OVG 70 PV 2.99 vom

Gründe

I.

Mit Erlass vom an die obersten Bundesbehörden übermittelte die Zentralstelle für Arbeitsschutz beim Bundesministerium des Innern unter Hinweis auf §§ 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes die für ein einheitliches Vorgehen im Bundesdienst ressortübergreifend erstellten Prüflisten zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen und entsprechende Dokumentationsunterlagen mit der Bitte, danach zu verfahren. Unter Bezugnahme darauf übersandte das Bundesministerium für Gesundheit durch Erlass vom dem Beteiligten eine Kopie der zweibändigen Ausgabe "Beurteilung der Arbeitsbedingungen in der Bundesverwaltung - Handlungshilfe -" mit der Bitte, die entsprechenden Prüfungen und Beurteilungen anhand der Muster durchzuführen.

Mit Schreiben vom an die Bereichsingenieure bzw. die verantwortlichen Beschäftigten übersandte der Beteiligte die Prüflisten für die Bereiche "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" und "Brandschutz" sowie "Erste Hilfe" mit der Bitte um Ausfüllung und Rücksendung. Mit Schreiben vom 14. und an die Beschäftigten in den Laboratorien sowie an den Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen übersandte der Beteiligte die entsprechenden Prüflisten mit der Bitte um Ausfüllung und Rücksendung. Mit Schreiben vom rügte der Antragsteller die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG. Ein Gespräch mit dem Beteiligten am blieb ohne Ergebnis. Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Der Abschlussbericht des Beteiligten vom zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen an den Bildschirmarbeitsplätzen gelangte zu dem Ergebnis, aufgrund der großen Zeitspanne, der inzwischen vorhandenen neuen Technologien, der Änderungen politischer Gegebenheiten sowie der selbständigen Beschaffung von Arbeitsmitteln durch die Mitarbeiter seien aussagekräftige Gefährdungsbeurteilungen nicht mehr möglich.

Das auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts gerichtete Begehren des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht aus folgenden Gründen zurückgewiesen: Vorüberlegungen und Bestandsaufnahmen der hier streitigen Art fielen nicht unter den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG. Auf dieser Stufe kämen lediglich die arbeitsschutzbezogene Beteiligung nach § 81 Abs. 1 BPersVG sowie der allgemeine Informationsanspruch nach § 68 Abs. 2 BPersVG zum Zuge. Der Effektivität der Personalratsbeteiligung diene ferner das bereichspezifische Initiativrecht nach § 70 BPersVG. Europäisches Gemeinschaftsrecht sei nicht verletzt; die Arbeitsschutzrahmenrichtlinie verlange kein Mitbestimmungsrecht bereits bei der Gefährdungsanalyse.

Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde vor: Die nach der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie erforderliche ausgewogene Beteiligung der Arbeitnehmerrepräsentanten meine sehr viel mehr als ein einfaches Beratungsrecht. Herzstück des Arbeitsschutzgesetzes sei die Pflicht des Arbeitgebers zur Festlegung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Zwingende Voraussetzung für die Erfüllung dieser Pflicht sei die Feststellung von Gefahren. Werde die Gefährdungsbeurteilung der Mitbestimmung des Personalrats entzogen, so entfalle damit dessen effektive Beteiligung beim Gesundheitsschutz. Erst mit der Mitbestimmungspflichtigkeit der Gefährdungsanalyse werde der dynamischen Konzeption des Arbeitsschutzgesetzes Rechnung getragen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und festzustellen, dass der Beteiligte mit der arbeitsschutzorientierten Befragung im Herbst 1997 (z.B. Laboratorien- und Bildschirmarbeitsplätze) das Mitbestimmungsrecht gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG verletzt hat.

Der Beteiligte beantragt,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 ArbGG).

1. Das im Rechtsbeschwerdeverfahren weiter verfolgte Feststellungsbegehren des Antragstellers ist zulässig. Freilich bedarf es in Fällen, in denen sich die zum Streit Anlass gebenden Vorgänge erledigt haben, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. - BAGE 39, 259, 266 f.; Beschluss vom - 1 ABR 17/96 - AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes Bl. 318 R), welcher der Senat gefolgt ist (vgl. BVerwG 6 P 3.92 - BVerwGE 92, 295, 298), des Übergangs vom konkreten zum abstrakten Feststellungsantrag. Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn die im Oktober 1997 durchgeführte Befragung ist ein abgeschlossener Vorgang, der nicht mehr rückgängig gemacht, namentlich wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr durch eine unter vergleichbaren Bedingungen stattfindende neue, vom Antragsteller mitbestimmte Befragung korrigiert werden kann. Dem hat die Antragstellung noch bis zur Anhörung vor dem Oberverwaltungsgericht ausdrücklich Rechnung getragen. Unter diesen Umständen bestehen keine Bedenken dagegen, in der dort veränderten, offenbar auf eine Anregung des Oberverwaltungsgerichts zurückgehenden Antragstellung weiterhin ein abstraktes Feststellungsbegehren zu erblicken, zumal es dem Antragsteller bereits im Beschwerdeverfahren ausweislich seiner dortigen Ausführungen um die Klärung der hinter dem Anlass gebenden Vorgang stehenden abstrakten Rechtsfrage ging (vgl. in diesem Zusammenhang aber BVerwG 6 P 9.92 - Buchholz 250 § 27 BPersVG Nr. 2 S. 2; BVerwG 6 P 15.93 - Buchholz 251.0 § 49 BaWüPersVG Nr. 1 S. 4). Das Begehren ist demnach sinngemäß auf die Feststellung gerichtet, dass dem Antragsteller bei arbeitsschutzorientierten Befragungen der Beschäftigten durch den Beteiligten (z.B. im Bezug auf Laboratorien- und Bildschirmarbeitsplätze) ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG zusteht. Dass diese Rechtsfrage zwischen den Beteiligten weiterhin streitig ist und bei künftigen dem Arbeitsschutz seiner Beschäftigten dienenden Befragungen des Beteiligten erneut aufgeworfen werden wird, begründet das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr.

2. Das Feststellungsbegehren ist jedoch nicht begründet. Dem Antragsteller steht bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes - ArbSchG - vom (BGBl I S. 1246, zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes vom , BGBl I S. 2167) dienenden Befragungen der Beschäftigten ein Mitbestimmungsrecht nicht zu.

a) Bedenken gegen das Beteiligungsrecht des Antragstellers unter dem Gesichtspunkt des § 82 Abs. 1 BPersVG bestehen allerdings nicht. Wie aus dieser Vorschrift folgt, setzt die Beteiligung des Personalrats der Beschäftigungsdienststelle voraus, dass diese für die beteiligungspflichtige Maßnahme zuständig ist; andernfalls ist die bei der zuständigen Dienststelle gebildete Stufenvertretung (§ 53 BPersVG) zu beteiligen. Der Beteiligte ist jedoch für den Arbeitsschutz in seiner Dienststelle zuständig; ihn treffen daher auch die Arbeitgeberpflichten aus §§ 5, 6 ArbSchG. Abweichendes ergibt sich nicht aus § 21 Abs. 5 Satz 1 ArbSchG. Danach ist vorbehaltlich der nachfolgenden - hier nicht einschlägigen - Bestimmungen zuständige Behörde für die Durchführung des Arbeitsschutzgesetzes in den Betrieben und Verwaltungen des Bundes die Zentralstelle für Arbeitsschutz beim Bundesministerium des Innern. Unter "Durchführung" ist dabei, wie bereits der Blick in die vorhergehenden Regelungen in § 21 Abs. 1, 3 und 4 ArbSchG zeigt, Überwachung zu verstehen. Der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche Sinn und Zweck der Regelung in § 21 Abs. 5 ArbSchG bestätigt dies. Danach ging es dem Gesetzgeber darum, anstatt der beim Bund damals noch größtenteils bestehenden Eigenüberwachung durch den jeweiligen Dienststellenleiter die Überwachung durch spezielle und in dieser Hinsicht besonders sachkompetente Stellen einzurichten (vgl. Bundestagsdrucksache 13/3540 S. 21; 13/4854 S. 3). Die Zuständigkeit jeder Dienststelle, die Verpflichtungen des Arbeitgebers nach dem Arbeitsschutzgesetz zunächst in eigener Verantwortung zu erfüllen, bleibt von der Regelung in § 21 Abs. 5 ArbSchG unberührt.

b) Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG erstreckt sich nicht auf Befragungen des Dienststellenleiters im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG.

aa) Eine derartige Befragung der Beschäftigten ist keine Maßnahme im Sinne von § 69 Abs. 1 und § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG.

Wie sich aus § 69 Abs. 1 und Abs. 2 BPersVG ergibt, ist Voraussetzung für die Mitbestimmungspflichtigkeit nach § 75 BPersVG, dass der Dienststellenleiter eine Maßnahme zu treffen beabsichtigt. § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG wiederholt diesen Begriff, indem er ausdrücklich "Maßnahmen" zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen für mitbestimmungspflichtig erklärt. Anhaltspunkte dafür, dass der Maßnahmebegriff in § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG anders, insbesondere weiter zu verstehen ist als derjenige in § 69 Abs. 1 BPersVG, bestehen nicht. Eine Maßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben (vgl. BVerwG 6 P 9.98 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 2 S. 2; BVerwG 6 P 4.00 - BVerwGE 114, 103, 105). Lediglich der Vorbereitung einer Maßnahme dienende Handlungen der Dienststelle sind, wenn sie nicht bereits eine beabsichtigte Maßnahme vorwegnehmen oder unmittelbar festlegen, keine Maßnahmen (vgl. BVerwG 6 P 10.80 - Buchholz 238.33 § 52 BPersVG Nr. 2 S. 12; BVerwG 6 P 6.94 - Buchholz 251.95 § 51 S-HPersVG Nr. 1 S. 2).

Danach ist die Befragung der Beschäftigten durch Ausgabe der Prüflisten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG keine Maßnahme. Denn durch die Befragung als solche erfahren weder die Arbeitsverhältnisse noch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten eine Änderung. Durch sie werden Maßnahmen des Gesundheitsschutzes erst vorbereitet. Zwar wird durch Art und Umfang der Befragung als Bestandteil des Erkenntnisprozesses nach § 5 ArbSchG die Qualität des Arbeitsschutzes in der Dienststelle gesteuert. Die Befragung ist jedoch ergebnisoffen, sodass mit ihr nicht bereits die am Ende des Erkenntnisprozesses eventuell stehende Maßnahme des Gesundheitsschutzes vorweggenommen oder unmittelbar festgelegt wird.

Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass die Gefährdungsbeurteilung und deren Dokumentation in §§ 5, 6 ArbSchG normativ gestaltet und damit verselbstständigt ist. Denn die spezialgesetzliche Verselbstständigung einer Vorbereitungshandlung zieht nicht notwendig die Mitbestimmungspflichtigkeit nach dem Personalvertretungsrecht nach sich. Abgesehen davon unterscheidet auch das Arbeitsschutzgesetz zwischen den Maßnahmen des Arbeitsschutzes nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 ArbSchG und der diesen jeweils vorausgehenden Beurteilung der Arbeitsbedingungen einschließlich Dokumentation nach §§ 5, 6 ArbSchG.

Auch dass das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung häufig die Veränderungsbedürftigkeit der Arbeitsbedingungen anzeigt, bedeutet noch nicht die Veränderung der Arbeitsbedingungen selbst. Zwar folgt aus einem derartigen Resultat die Rechtspflicht des Arbeitgebers zum Handeln. Erst mit deren Erfüllung durch Anordnung und Durchführung der Maßnahme wird aber die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten tatsächlich verbessert.

Nicht entgegensteht, dass der Senat die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten nach § 719 RVO als mitbestimmungspflichtige Arbeitsschutzmaßnahme beurteilt hat (vgl. BVerwG 6 P 27.92 - Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 16 S. 5). Denn die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten - jetzt auf der Grundlage von § 22 SGB VII - stellt eine personelle Entscheidung dar, durch welche die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Dienststelle im Bereich des Gesundheitsschutzes unmittelbar beeinflusst werden. Mit dem Bestellungsakt erwächst den Sicherheitsbeauftragten die Aufgabe, den Dienststellenleiter bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu unterstützen (§ 22 Abs. 2 SGB VII). Insofern reiht sich diese Maßnahme ein in die Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit nach den Bestimmungen des Arbeitssicherheitsgesetzes vom (BGBl I S. 1885, zuletzt geändert durch Gesetz vom , BGBl I S. 3412), die gleichfalls nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG mitbestimmungspflichtig ist, sofern nicht spezielle Mitbestimmungstatbestände wie z.B. § 75 Abs. 3 Nr. 10 und § 76 Abs. 2 Nr. 4 BPersVG eingreifen (vgl. dazu BVerwG 6 P 19.93 - BVerwGE 97, 316, 320 ff.)

bb) Selbst wenn in einer zum Zweck der Gefährdungsbeurteilung durchgeführten Befragung der Beschäftigten eine Maßnahme im Sinne von § 69 Abs. 1 BPersVG zu erblicken wäre, würde es sich dabei jedenfalls mit Rücksicht auf die Regelung in § 81 BPersVG nicht um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG handeln. § 81 BPersVG enthält ein detailliertes Programm zu Rechten und Pflichten der Personalvertretung beim Arbeitsschutz. Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem die Regelung in § 81 Abs. 2 Satz 1 BPersVG von Bedeutung.

Beabsichtigt der Dienststellenleiter eine arbeitsschutzorientierte Befragung der Beschäftigten z.B. in den Laboratorien oder an den Bildschirmarbeitsplätzen, so stehen dem Personalrat spezielle Informations- und Anregungsrechte zu. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ist der Dienststellenleiter verpflichtet, bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen den Personalrat derjenigen Dienststelle hinzuzuziehen, in der die Besichtigung oder Untersuchung stattfindet. Die Vorschrift ist redaktionell nicht vollständig geglückt. Der letzte Hauptsatz bezieht sich nur auf Besichtigungen und Untersuchungen, obwohl im ersten Halbsatz auch von "Fragen" die Rede ist. Doch ist die Vorschrift unschwer dahin zu verstehen, dass für die Behandlung von Fragen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung, die nicht mit konkreten Besichtigungen oder Untersuchungen im Zusammenhang stehen, es bei den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen verbleibt (vgl. Lorenzen, in: Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak, BPersVG, § 81 Rn. 24; Kunze, ZfPR 2002, 181, 184). Die Bestimmung enthält daher die Grundaussage: "Der Dienststellenleiter .... sind verpflichtet, bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz .... stehenden .... Fragen .... den Personalrat .... hinzuzuziehen." Dabei bedeutet "hinzuziehen" mit Rücksicht auf die allgemeinen Rechte des Personalrats aus § 68 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2 BPersVG, dass er über die bevorstehende Befragung zu informieren, dass ihm ein Exemplar der zur Verwendung vorgesehenen Prüflisten auszuhändigen und dass ihm Gelegenheit zu Alternativvorschlägen zu geben ist. Dass er bei mit der Befragung etwa einhergehenden Besichtigungen ein Teilnahmerecht hat, ergibt sich ebenfalls aus § 81 Abs. 2 Satz 1 BPersVG.

Diese Vorschrift ist demnach gerade auf den von §§ 5, 6 ArbSchG erfassten Erkenntnisprozess zugeschnitten, welcher den nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne von § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 ArbSchG vorausgeht. Sie bettet sich ein in die übrigen in § 81 BPersVG normierten Rechtspositionen des Personalrats (Zusammenarbeit mit den für Arbeitsschutz zuständigen Stellen, Kontrolle auf Einhaltung der Vorschriften, Unterrichtung über Auflagen und Anordnungen, Teilnahme an Besprechungen mit den Sicherheitsbeauftragten, Aushändigung von Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen sowie von Unfallanzeigen), die gleichfalls unterhalb der Schwelle der Mitbestimmung bleiben. Die Zusammenschau von § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG einerseits und § 81 BPersVG andererseits zeigt, dass der Gesetzgeber im Bereich des Arbeitsschutzes zwischen der beteiligungs-, aber nicht mitbestimmungspflichtigen Vorbereitungsphase und der Entscheidungsphase unterscheidet, auf welche sich die Mitbestimmung konzentriert. Auf diese Weise stellt das spezielle Beteiligungsrecht nach § 81 BPersVG eine sinnvolle Ergänzung des Mitbestimmungsrechts nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG dar. Indem der Personalrat Gelegenheit erhält, die Analysephase informiert und zugleich aktiv zu begleiten, findet eine qualifizierte Vorbereitung der Maßnahme des Arbeitsschutzes statt, die seiner Mitbestimmung unterliegt.

cc) Gegen dieses Auslegungsergebnis kann nicht eingewandt werden, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG immer dann leer läuft, wenn der Maßnahme des Arbeitsschutzes eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG vorausgeht. Es ist nämlich für das Mitbestimmungsrecht des Personalrats im Ergebnis unschädlich, wenn sich der Dienststellenleiter in der Analysephase über Anregungen des Personalrats, etwa die zur Befragung eingesetzten Prüflisten zu ändern oder zu ergänzen, hinweggesetzt hat. Das Gesetz gibt keinen Anhalt dafür, dass der Personalrat mit Einwänden, die er im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach Maßgabe von § 81 BPersVG erfolglos geltend gemacht hat, im späteren Mitbestimmungsverfahren nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG ausgeschlossen wäre.

Entscheidet sich der Dienststellenleiter nach durchgeführter Befragung der Beschäftigten zu Maßnahmen des Gesundheitsschutzes im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG, so kann der Personalrat die nach § 69 Abs. 1 BPersVG erforderliche Zustimmung mit der Begründung verweigern, die beabsichtigten Maßnahmen seien unzureichend. Dabei kann er ggf. anführen, die Befragung der Beschäftigten mittels der eingesetzten Prüflisten sei unvollständig gewesen, und dabei auf Bedenken und Anregungen verweisen, die er gegenüber dem Dienststellenleiter schon vor der Befragung vorgebracht hatte. Da der Personalrat das Ergebnis der modifizierten Befragung nicht kennt, wird er häufig nicht präzise angeben können, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes er selbst für richtig hält. Dies ist aber auch nicht nötig. Im Verfahren nach § 69 Abs. 2 BPersVG ist der Personalrat nämlich nicht verpflichtet, seine Zustimmungsverweigerung mit einem Alternativvorschlag zu verbinden. Dies kann vielmehr dem weiteren Gang des Mitbestimmungsverfahrens vor der Stufenvertretung oder der Einigungsstelle vorbehalten bleiben (vgl. BVerwG 6 P 31.84 - Buchholz 238.3 A § 69 BPersVG Nr. 8 S. 13 f.; Altvater/Bacher/Hörter/Peiseler/Sabottig/Schneider/Vohs, BPersVG, 4. Aufl. 1996, § 69 Rn. 38).

Entsprechendes gilt, wenn sich der Dienststellenleiter nach Auswertung der Befragungsergebnisse entscheidet, keine Maßnahmen des Gesundheitsschutzes im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG zu treffen. In diesem Fall steht dem Personalrat das Initiativrecht gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 BPersVG zur Seite, worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend hingewiesen haben. Dieses Recht kann sich der Personalrat auch dann zu Nutze machen, wenn er die Fragestellung in den vom Dienststellenleiter verwandten Prüflisten für unzureichend hält. In diesen Fällen wird er die von ihm befürworteten Maßnahmen des Arbeitsschutzes wegen der Ergebnisoffenheit einer erneuten, modifizierten Befragung nicht direkt benennen können. Sein Antrag nach § 70 Abs. 1 Satz 1 BPersVG kann aber in solchen Fällen dahin gehen, Maßnahmen zu ergreifen, die nach Maßgabe einer veränderten Befragung zu treffen sind. Insofern unterliegt das vom Personalrat bei der Wahrnehmung seines Initiativrechts zu beachtende Bestimmtheitsgebot (vgl. dazu Gerhold in: Lorenzen u.a., a.a.O., § 70 Rn. 7) einer gewissen Einschränkung. Dies ist jedoch mit Rücksicht auf die Effektivität des Mitbestimmungsrechts und den hohen Rang des Gesundheitsschutzes hinzunehmen. Lehnt der Dienststellenleiter den Initiativantrag ab, so geht die Angelegenheit nach Maßgabe von § 69 Abs. 3 und 4 BPersVG wiederum in das Verfahren vor der Stufenvertretung und der Einigungsstelle über (§ 70 Abs. 1 Satz 2 BPersVG).

dd) Die vorstehende Auslegung des Gesetzes verstößt nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (Amtsblatt Nr. L 183 S. 1) hören die Arbeitgeber die Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter an und ermöglichen deren Beteiligung bei allen Fragen betreffend die Sicherheit und die Gesundheit am Arbeitsplatz (Satz 1). Dies beinhaltet die Anhörung der Arbeitnehmer, das Recht der Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertreter, Vorschläge zu unterbreiten, sowie die ausgewogene Beteiligung nach den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken (Satz 2). Ob die Auffassung des Antragstellers zutrifft, dass Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht beim Arbeitsschutz einräumt und dass sich dieses auch auf die Beurteilung der Arbeitsbedingungen und ihrer Dokumentation nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie bezieht, kann auf sich beruhen. Denn solches ist bei dem hier gewonnenen Auslegungsergebnis garantiert. Wie dargelegt, kann der Personalrat im Rahmen seines reaktiven wie auch seines aktiven Mitbestimmungsrechts nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG geltend machen, dass die vom Dienststellenleiter verwandten Prüflisten ergänzungsbedürftig sind und dass über Maßnahmen des Arbeitsschutzes nach Durchführung einer erneuten, verbesserten Befragung zu entscheiden ist. Dass das nationale Recht jedoch ein Mitbestimmungsverfahren zur Gefährdungsbeurteilung und ein weiteres Mitbestimmungsverfahren zur Sachentscheidung vorhalten muss, gibt die Richtlinie nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck nicht zu erkennen. Dies ist offensichtlich, so dass eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs nach Art. 234 Abs. 3 EGV ausscheidet.

3. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO a.F., § 10 Abs. 1, § 134 Abs. 1 BRAGO. Die Festsetzung in Höhe des Auffangwerts entspricht ständiger Senatspraxis. Eine Erhöhung hat der Senat bisher lediglich bei subjektiver oder objektiver Antragshäufung vorgenommen. Die vom Antragsteller befürworteten Kriterien "Gegenstand, Umfang und Schwierigkeit" sind nicht geeignet, unterschiedliche Gegenstandswerte präzise zu bemessen.

Fundstelle(n):
CAAAC-13144