BVerwG Urteil v. - 5 C 42.03

Leitsatz

1. Heimbewohner müssen die Beschaffung von Leibwäsche (Unterwäsche, Socken u.ä.) aus dem Barbetrag zur persönlichen Verfügung bestreiten.

2. Es bedarf der Überprüfung durch die Tatsacheninstanz, ob der Mindestbarbetrag in Höhe von 30 v.H. des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes ausreicht, um zusammen mit den einmaligen Leistungen der Sozialhilfe und dem in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt den notwendigen Lebensunterhalt vollständig sicherzustellen.

Gesetze: BSHG § 21 Abs. 1; BSHG § 21 Abs. 1 a; BSHG § 21 Abs. 3

Instanzenzug: VG Hannover VG 7 A 1511/02 vom OVG Lüneburg OVG 4 LC 545/02 vom

Gründe

I.

Die 1977 geborene Klägerin ist geistig behindert und wird in einem Heim betreut. Der überörtliche Träger der Sozialhilfe gewährte den Heimbewohnern unter 60 Jahren in Niedersachsen bis Ende 1999 einmalige Leistungen zum Lebensunterhalt auch für die Beschaffung von Leibwäsche von geringem Anschaffungspreis. Anfang 2000 wies er die herangezogenen örtlichen Träger an, die Heimbewohner zur Deckung dieses Bedarfs auf den Barbetrag zur persönlichen Verfügung nach § 21 Abs. 3 BSHG zu verweisen. Die Klägerin beantragte im Mai 2001 eine einmalige Leistung zur Beschaffung von Leibwäsche (sechs Unterhosen und vier Paar Socken) im Gesamtwert von 68 DM (34,77 €).

Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen, das Berufungsgericht den Beklagten jedoch zur Leistung verpflichtet und im Wesentlichen ausgeführt (vgl. RdLH 2003, 62 = NDV-RD 2003, 83):

Es bestehe schon deswegen ein Anspruch auf die beantragte einmalige Leistung, weil der Barbetrag zur persönlichen Verfügung nicht zur Beschaffung von Wäsche geringen Anschaffungspreises bestimmt sei. Wegen der Festsetzung des "angemessenen Barbetrages zur persönlichen Verfügung" auf mindestens 30 v.H. des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes liege es nahe, für die Zweckbestimmung des Mindestbarbetrages auf die Regelsatzverordnung zurückzugreifen. Diese differenziere in § 1 Abs. 1 Satz 1 für die nach Regelsätzen zu gewährenden laufenden Leistungen zwischen drei Bedarfsgruppen (Ernährung, hauswirtschaftlicher Bedarf einschließlich Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens), zu denen - ohne Zuordnung zu einer bestimmten Bedarfsgruppe - nach Satz 2 auch die laufenden Leistungen für die Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert, für die Instandsetzung von Kleidung, Schuhen und Hausrat in kleinerem Umfang sowie für Körperpflege und Reinigung rechneten. Problematisch sei, ob die "Wäsche" (von geringem Anschaffungspreis) der Bedarfsgruppe "Hausrat" oder "persönliche Bedürfnisse" zuzuordnen sei. Nach dem "Statistik-Warenkorb" gehöre sie - zusammen mit der Instandsetzung von Kleidung, Schuhen und Hausrat in kleinerem Umfang - zur Bedarfsgruppe "hauswirtschaftlicher Bedarf". Der Barbetrag umfasse hauswirtschaftlichen Bedarf indes nicht, weil dieser jedenfalls zum größten Teil vom Heimträger gedeckt werde. Auch wenn der Heimträger regelmäßig Leibwäsche nicht stelle, folge daraus aber nicht, dass der Heimbewohner diesen Bedarf aus dem Barbetrag decken müsse; vielmehr habe der Sozialhilfeträger diesen Bedarf des Heimbewohners durch eine einmalige Leistung nach § 21 Abs. 1 a BSHG auch dann zu decken, wenn nur "Wäsche von geringem Anschaffungswert" zu beschaffen ist. Da die in § 21 Abs. 1 a Nr. 1 bis 7 BSHG enthaltene Aufzählung nicht abschließend sei, stehe dem nicht entgegen, dass in Nummer 1 einmalige Leistungen nur zur Beschaffung von Wäsche "von nicht geringem Anschaffungspreis" vorgesehen seien. Wäsche von geringem Anschaffungspreis gehöre auch nicht zu den persönlichen Bedürfnissen des Heimbewohners, zu deren Deckung der Barbetrag zur persönlichen Verfügung bestimmt sei. Von den Regelsätzen umfasste persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens seien nicht solche Bedürfnisse, die einem Hilfeempfänger von seinem Willen unabhängig entstünden; damit sei nicht jedes Bedürfnis gleichzusetzen, dessen Deckung notwendig sei wie hier der Bedarf an Wäsche in ausreichender Menge. Diese Auslegung werde gestützt durch einen Vergleich der Höhe des Mindestbarbetrages mit der Höhe des Anteils im Regelsatz für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens. Dieser Regelsatzanteil betrage 34,93 %. Die gesetzlich mit 30 % erheblich niedriger festgesetzte Höhe des Mindestbarbetrages rechtfertige also ebenfalls die Annahme, dass er nicht dazu bestimmt sei, auch den Bedarf des Heimbewohners an Wäsche von geringem Anschaffungspreis zu decken.

Aber selbst wenn davon ausgegangen werde, dass Wäsche von geringem Anschaffungspreis an sich aus dem kleinen Barbetrag zu beschaffen sei, könne die begehrte Leistung deshalb beansprucht werden, weil der Betrag von 68 DM (34,77 €) jedenfalls nicht "gering" sei. Der Anschaffungswert sei auf den gesamten geltend gemachten Bedarf zu beziehen und nicht etwa auf die "kleinste Einheit" (eine Unterhose zu 8 DM, ein Paar Socken zu 5 DM). Die Klägerin habe glaubhaft gemacht, dass die Ersatzbeschaffung insgesamt notwendig und unaufschiebbar gewesen sei. Sie habe deswegen auch nicht darauf verwiesen werden dürfen, zur Deckung des Bedarfs mehrere Monate anzusparen oder jeden Monat nur ein Einzelstück zu kaufen. Da in dem Regelsatz von 561 DM, der ab gegolten habe, nur 1,59 % oder 8,92 DM für die Beschaffung von Wäsche von geringem Anschaffungspreis enthalten gewesen seien - im Barbetrag, wenn er dafür überhaupt bestimmt sei, entsprechend weniger -, hätte die Klägerin unter Verstoß gegen das Bedarfsdeckungsprinzip über viele Monate die Deckung des notwendigen Bedarfs strecken oder dafür ansparen müssen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, der eine Verletzung des § 21 BSHG rügt. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision ist im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), indem für den Bedarf an Leibwäsche eine einmalige Leistung zugesprochen worden ist. Auf der Grundlage des vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts lässt sich jedoch nicht beurteilen, ob und inwieweit dem Hilfebegehren - was der Senat als vom Klageantrag mit umfasst ansieht - im Wege der Zuerkennung eines erhöhten Barbetrages zu entsprechen ist. Zur Nachholung der hierzu noch erforderlichen Ermittlungen wird darum der Rechtsstreit unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

1. Mit Bundesrecht unvereinbar ist die Ansicht des Berufungsgerichts, eine einmalige Leistung sei hier nach § 21 Abs. 1 a BSHG zu erbringen, weil es um die Beschaffung von Wäsche von nicht geringem Anschaffungspreis gehe.

Fraglos - und unter den Beteiligten auch nicht bezweifelt - haben die einzelnen Bedarfsgegenstände nur einen "geringen" Anschaffungspreis. Mag auch der für die Beschaffung der benötigten Leibwäsche insgesamt aufzubringende Anschaffungspreis "nicht gering" im Sinne des § 21 Abs. 1 a Nr. 1 BSHG sein, so ist bei der Beurteilung der Höhe des Anschaffungspreises doch - entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts - nicht von dem Gesamtpreis, sondern vom Anschaffungspreis des einzelnen Bedarfsgegenstandes auszugehen. Aus der systematischen Stellung des § 21 Abs. 1 a Nr. 1 BSHG als einer Regelung über einmalige Leistungen folgt, dass sie nicht auf die Kosten eines einheitlichen Beschaffungsvorgangs abstellt, sondern den Bedarf jeweils an einem einzelnen Gegenstand im Blick hat. Andernfalls gäbe eine Beschränkung der Berücksichtigungsfähigkeit von Bedarfen im Rahmen des § 21 Abs. 1 a BSHG, wie sie durch die auf den Anschaffungspreis bezogene Eigenschaft "nicht gering" bewirkt wird, keinen Sinn; denn der Hilfeempfänger hätte es sonst in der Hand, einen durch Leistungen für den laufenden Bedarf an Lebensunterhalt an sich abgegoltenen Bedarf in den Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1 a Nr. 1 BSHG "hineinwachsen" zu lassen.

2. Gegen Bundesrecht verstößt ferner der Rechtsstandpunkt, eine einmalige Leistung könne vorliegend nach § 21 Abs. 1 a BSHG beansprucht werden, weil die in dieser Vorschrift enthaltene Aufzählung von Bedarfen, für die einmalige Leistungen gewährt werden, nicht abschließend sei. Dieser Ansicht steht für die dort genannten Bedarfsgegenstände der aus Absatz 1 a Nr. 1 zu ziehende Umkehrschluss entgegen, dass das Gesetz, indem es als Gewährungsvoraussetzung auf einen nicht geringen Anschaffungspreis abstellt, einmalige Leistungen für die Beschaffung von Wäsche von geringem Anschaffungspreis nicht vorsieht.

Dem Oberverwaltungsgericht ist allerdings einzuräumen, dass die mit "insbesondere" eingeleitete Aufstellung von Bedarfsgruppen in § 21 Abs. 1 a BSHG nicht abschließend ist (vgl. BVerwGE 101, 34 <36>); darum ist es an sich nicht ausgeschlossen, auf der Grundlage von § 21 Absatz 1 (nicht Absatz 1 a) BSHG einmalige Leistungen auch für andere als die in Absatz 1 a benannten Bedarfe zu erbringen. Dies kann jedoch nicht für Bedarfe gelten, die sich zwar ihrer Art nach nicht von den gesetzlich benannten Bedarfen nicht unterscheiden (wie hier z.B. Wäsche), die aber gerade nicht zugleich auch die im Gesetz ausdrücklich genannten weiteren qualifizierenden Merkmale in mengenmäßiger Hinsicht (vgl. Nr. 1 und 4: "in nicht kleinem Umfang") oder wie hier hinsichtlich der Höhe des Anschaffungspreises (Nr. 1: "nicht gering") aufweisen.

Dieser Betrachtungsweise steht nicht das Urteil des Senats in BVerwGE 105, 281 (betreffend allgemeine Schulmaterialien) entgegen. Die dort erörterte Regelung des § 21 Abs. 1 a Nr. 3 BSHG (einmalige Leistungen für die Beschaffung von "besonderen" Lernmitteln für Schüler) schließt deshalb eine einmalige Leistung für allgemeine Schulmaterialien nicht aus, weil deren Beschaffung auf der einen Seite zum notwendigen Lebensunterhalt von Schülern gehört, andererseits aber von den laufenden Leistungen nach Regelsätzen nicht erfasst ist, so dass dafür nach pflichtgemäßem Ermessen des Sozialhilfeträgers auf der Grundlage des § 21 Abs. 1 BSHG laufende oder einmalige Leistungen zu gewähren sind (BVerwG, a.a.O., S. 287).

3. Mit Bundesrecht unvereinbar ist es auch, § 21 Abs. 1 BSHG mit der Begründung als Rechtsgrundlage für den Klageanspruch heranzuziehen, der den Heimbewohnern nach § 21 Abs. 3 BSHG zustehende Barbetrag sei nicht dazu bestimmt, einen Bedarf an Leibwäsche abzugelten.

Gegen ein so eingeschränktes Verständnis des § 21 Abs. 3 BSHG sprechen schon die Gesetzesmaterialien. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei der Umbenennung des bis dahin in § 21 Abs. 3 BSHG geregelten "Taschengeldes" in den "Barbetrag zur persönlichen Verfügung" (Art. II § 14 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes vom - BGBl I S. 1450 -) sollen damit die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, Aufwendungen für Körperpflege und Reinigung, für die Instandhaltung der Schuhe, Kleidung und Wäsche in kleinerem Umfang sowie für die Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert abgegolten werden (BTDrucks 9/1859 vom , S. 2). Darin liegt eine Anlehnung an die Bedarfspositionen, die nach § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung von den laufenden Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt nach Regelsätzen erfasst werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist der Barbetrag zur persönlichen Verfügung folglich (jedenfalls auch) zur Deckung solchen Bedarfs gedacht, der bei der Hilfegewährung außerhalb von Einrichtungen zum Regelbedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung gehört und nach § 1 Abs. 2 Regelsatzverordnung durch die Regelsatzleistungen gedeckt wird.

Diese Sichtweise wird durch die Systematik des Bundessozialhilfegesetzes bestätigt. Außerhalb von Einrichtungen wird Hilfe zum Lebensunterhalt durch laufende Leistungen nach Regelsätzen, durch laufende Leistungen für die Unterkunft und durch einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1 und Abs. 1 a BSHG erbracht. In einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung (wie im vorliegenden Fall) umfasst Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 27 Abs. 3 BSHG auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt einschließlich der einmaligen Leistungen, die sonst im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu erbringen wären; Regelsatzleistungen werden bei der Hilfe in einer Einrichtung nicht erbracht (vgl. § 22 Abs. 1 BSHG: "außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen"). Da (jedenfalls) die Unterkunft bei der Hilfe in einer Einrichtung voraussetzungsgemäß durch den Einrichtungsträger bereitgestellt wird, kommt dem Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG somit die Aufgabe zu, zusammen mit den übrigen laufenden Leistungen in der Einrichtung und den einmaligen Leistungen der Sozialhilfe den notwendigen Lebensunterhalt bedürftiger Heimbewohner sicherzustellen: So wie bei Hilfegewährung außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen die Regelsatzleistungen, die Leistungen für die Unterkunft und die einmaligen Leistungen sich zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts ergänzen, ist darum auch der Barbetrag zur persönlichen Verfügung seiner gesetzlichen Zielsetzung nach zu den einmaligen Leistungen der Sozialhilfe und den in der Einrichtung erbrachten laufenden Leistungen im Sinne vollständiger Deckung des Bedarfs an notwendigem Lebensunterhalt von Heimbewohnern komplementär.

Demzufolge ist der Bedarf an Leibwäsche als ein Bedarf an Wäsche von geringem Anschaffungspreis, der weder durch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt noch durch einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1 und 1 a BSHG gedeckt ist, aus dem Barbetrag zur persönlichen Verfügung zu bestreiten.

4. Allerdings bedarf näherer Prüfung, ob diese Aufgabe stets und unabhängig von Art und Umfang der Leistungen des Einrichtungsträgers von einem Barbetrag in Höhe von 30 v.H. des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes zuverlässig erfüllt wird, wie er im vorliegenden Fall - unstreitig - auf der Grundlage von § 21 Abs. 3 Satz 2 BSHG gezahlt wird.

a) Dass die Umstände es gebieten können, den für den Barbetrag verbleibenden, weder durch einmalige Leistungen noch durch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt gedeckten Restbedarf für den notwendigen Lebensunterhalt konkret und u.U. orientiert am Einzelfall zu bemessen, geht schon daraus hervor, dass der Barbetrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2 BSHG nur ein Mindestbetrag ist ("Barbetrag in Höhe von mindestens 30 v.H. des Regelsatzes ..."). Diese Regelung ist als eine Öffnungsklausel zu verstehen, die eine vollständige Deckung des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen sicherstellen soll.

b) Ob ein Barbetrag in der gesetzlich festgesetzten Mindesthöhe ausreicht, um den nach Abzug des in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalts sowie etwaiger einmaliger Leistungen im Sinne von § 21 Abs. 1 und 1 a BSHG verbleibenden Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt von volljährigen Heimbewohnern vollständig zu decken, hängt nicht notwendig davon ab, ob die Regelsätze selbst hinreichend bemessen sind, um den Regelbedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung vollständig zu decken. Die Anknüpfung an den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes in § 21 Abs. 3 Satz 2 BSHG bedeutet nur eine rechnerische Anknüpfung und enthält insbesondere keine gesetzliche Aussage darüber, ob der auf diesem Wege ermittelte Betrag im Sinne der Aufgabe des Barbetrages zur persönlichen Verfügung, wenigstens im Regelfall, d.h. bei Fehlen von Besonderheiten, die für den Lebensunterhalt von Heimbewohnern von Bedeutung sind (wie z.B. hinsichtlich des Umfangs der vom Heimentgelt umfassten Leistungen des Heimträgers für Unterkunft, Verpflegung, hauswirtschaftliche Verrichtungen) vollständig bedarfsdeckend zu sein, ausreichend bemessen ist. Insoweit ist vielmehr eine dem Wesen eines Mindestbarbetrages Rechnung tragende Überprüfung erforderlich.

c) Diese Überprüfung darf sich unmittelbar weder an einzelnen Bedarfspositionen des sog. "Statistik-Warenkorbs" noch gar des früheren "Warenkorbs" orientieren noch, wie dies im Berufungsurteil bei der Betrachtung des Verhältnisses der Barbetragshöhe zur Höhe des Anteils im Regelsatz für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens geschehen ist, an den im Regelsatz enthaltenen Bedarfskategorien.

Die Bemessung des sozialhilferechtlich anzuerkennenden durchschnittlichen Bedarfs für den notwendigen Lebensunterhalt erfolgt bei der Regelsatzfestsetzung orientiert an den tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen (§ 22 Abs. 3 Satz 3 BSHG); Datengrundlage ist dabei die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (§ 22 Abs. 3 Satz 4 BSHG). Dieses sog. "Statistik-Modell" (siehe dazu auch BVerwGE 102, 366) ist an die Stelle des zuvor zur Regelsatzbemessung herangezogenen "Warenkorbs" getreten und gilt als methodische Vorgabe der Bemessung des Lebensunterhaltsbedarfs auch für die Prüfung, wie hoch der Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG mindestens bemessen sein muss, um seine komplementäre Bedarfsdeckungsfunktion in Durchschnittsfällen verlässlich erfüllen zu können.

Somit schreibt das Bundesrecht auch im Rahmen der Frage, ob der in § 21 Abs. 3 Satz 2 BSHG normierte Mindestbarbetrag noch als bedarfsdeckend angesehen werden kann, die Überprüfung vor, ob ein Verbrauchsverhalten, auf das die - hier auf das Jahr 1998 bezogene - Einkommens- und Verbrauchsstichprobe hindeutet, aufgrund des Barbetrages zur persönlichen Verfügung zusammen mit dem in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt und den einmaligen Leistungen der Sozialhilfe für den notwendigen Lebensunterhalt auch Heimbewohnern möglich ist, ob also der Mindestbarbetrag es den Hilfeempfängern in einer Einrichtung zuverlässig ermöglicht, ihren nicht anderweitig gedeckten Lebensunterhalt in gleichwertiger Weise wie bei Hilfe außerhalb von Einrichtungen zu bestreiten, und zwar einschließlich der Beschaffung von Leibwäsche, mag sie auch nur einen geringen Anschaffungspreis haben. Dagegen ist für diese Prüfung noch nichts mit der Feststellung des Berufungsgerichts gewonnen, der Barbetrag reiche zur Deckung (auch) des Bedarfs an Leibwäsche nicht aus, weil er mit 30 % erheblich niedriger festgesetzt sei als der auf die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens entfallende Regelsatzanteil in Höhe von 34,93 %. Vielmehr wird das Oberverwaltungsgericht statt auf die Höhe des Regelsatzes bzw. auf die anteilige Höhe bestimmter darin enthaltener Bedarfe unmittelbar auf relevantes statistisches Material zur Bedarfsbemessung zurückgreifen und sich hierzu ggf. der Hilfe von Sachverständigen bedienen müssen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
WAAAC-12871