BGH Beschluss v. - XII ZB 163/04

Leitsatz

[1] Verliert ein zulässig erhobenes Anschlußrechtsmittel seine Wirkung durch Rücknahme des Rechtsmittels, sind dem Rechtsmittelkläger im Regelfall auch die Kosten des Anschlußrechtsmittels aufzuerlegen (im Anschluß an BGHZ 4, 229, 233 ff.; 80, 146, 150; 100, 383, 390).

Gesetze: ZPO § 516 Abs. 3 Satz 1; ZPO § 524 Abs. 4

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom AG Weilburg

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Kindes- und Trennungsunterhalt. Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhalt für die beiden minderjährigen Kinder in Höhe von 121 % des jeweiligen Regelbetrages abzüglich halben Kindergeldes sowie rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen. Mit seiner Berufung hat der Beklagte eine Herabsetzung des Trennungsunterhalts beantragt. Die Klägerin hat mit ihrer unselbständigen Anschlußberufung eine Erhöhung des Trennungsunterhalts im Umfang ihrer ursprünglichen Anträge begehrt. Das Oberlandesgericht hat den Parteien die jeweils für ihr Rechtsmittel beantragte Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt und ihnen lediglich Prozeßkostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung der anderen Partei bewilligt. Darauf hat der Beklagte die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückgenommen. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Verlust des eingelegten Rechtsmittels festgestellt und die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Klägerin gegen diese Kostenentscheidung.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und begründet.

1. Das Berufungsgericht hat trotz der von ihm zitierten abweichenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Oberlandesgerichte an der Auffassung festgehalten, daß im Falle einer Rücknahme der Berufung über die Kosten einer unselbständigen Anschlußberufung nicht nach § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO, sondern nach den Grundsätzen des § 91 a ZPO zu entscheiden sei. Dieses gelte "gerade unter Berücksichtigung der Änderung der Zivilprozeßordnung im Bereich des Berufungsrechts und insbesondere der Vorschrift des § 524 ZPO". Unter Anwendung dieser Grundsätze seien die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufzuheben, weil die Berufungen beider Parteien bei etwa gleichem Streitwert nur in geringem Umfang erfolgreich gewesen wären. Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

2. Nach § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Partei zur Last, die es eingelegt hat. Diese Rechtsfolge wird in den §§ 516 Abs. 3 Satz 1, 565 ZPO ausdrücklich auch auf die Rücknahme eines Rechtsmittels erstreckt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden diese Vorschriften allerdings auf die unselbständige Anschließung an ein gegnerisches Rechtsmittel grundsätzlich keine Anwendung, weil diese ihrem Wesen nach kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Antrag innerhalb des vom Prozeßgegner eingelegten Rechtsmittels ist (BGH GSZ, BGHZ 4, 229, 233, 235; BGH BGHZ 17, 398, 399 und 67, 305, 306). Dem Berufungs- oder Revisionsbeklagten sind die Kosten seiner nach den §§ 524 Abs. 4, 565 ZPO wirkungslos gewordenen Anschließung also nicht schon deshalb aufzuerlegen, weil sie durch den Verlust des eingelegten Rechtsmittels letztlich ohne Erfolg geblieben ist (vgl. auch BGH GSZ, BGHZ 80, 146, 150 und Senatsbeschluß BGHZ 86, 51, 52). Dem haben sich das VI C 86.56 - unveröffentlicht, vgl. auch BVerwGE 26, 297, 300 f.), das Bundesarbeitsgericht (Beschlüsse vom - 2 AZR 506/57 - AP Nr. 1 zu § 515 ZPO und vom - 5 AZR 19/63 - AP Nr. 2 zu § 556 ZPO), das Bundessozialgericht (BSGE 24, 247 sowie Urteil vom - 1 RJ 94/80 - MDR 1982, 349) und der Bundesfinanzhof (BFHE 132, 515 sowie Beschluß vom - III R 42/91 - unveröffentlicht) angeschlossen.

Nur wenn ausnahmsweise über das Anschlußrechtsmittel in der Sache entschieden wird, sei es, daß es als unbegründet zurückgewiesen wird (RGZ 44, 374, 377; BGH GSZ, BGHZ 4, 229, 235), sei es, daß es selbst unzulässig war (BGHZ 4, aaO, 240; 67 aaO, 306; BFHE 98, 461), sei es, daß die nach § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordene Anschlußberufung weiterverfolgt wird und diese als unzulässig zu verwerfen ist (Senatsbeschluß BGHZ 100, 383, 390 sowie - NJW 2000, 2315), ist das Anschlußrechtsmittel auf Kosten dessen zu verwerfen, der es eingelegt hat. Dann ergeht über das unselbständige Anschlußrechtsmittel eine eigene Entscheidung, die nach dem Grundsatz des § 97 Abs. 1 ZPO bei der einheitlichen Kostenentscheidung zu berücksichtigen ist. Gleiches gilt, wenn der Anschlußrechtsmittelkläger in die Rücknahme des Rechtsmittels eingewilligt hat und die Einwilligung zur Wirksamkeit der Rücknahme notwendig war. Denn dann hat er selbst daran mitgewirkt, sein unselbständiges Anschlußrechtsmittel zu Fall zu bringen. Auch in solchen Fällen fehlt es an einer Abhängigkeit der Anschließung von dem eingelegten Rechtsmittel, weil der Rechtsmittelkläger bei der im notwendigen Einverständnis bewirkten Rücknahme dem Anschlußrechtsmittelkläger die Möglichkeit zur Durchführung des Verfahrens nicht in freier Entschließung nimmt. Auch in diesen Fällen versagt der Grundgedanke für die Anwendung des § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO hinsichtlich der Kosten der Anschließung (BGHZ 4, aaO, 241 f.; BFHE 98, 461).

3. An dieser Rechtsprechung hat sich durch die zum in Kraft getretene Reform des Zivilprozeßrechts nichts geändert. Nach § 524 Abs. 1 und 2 ZPO kann sich der Berufungsbeklagte nach Ablauf seiner eigenen Berufungsfrist der Berufung des Gegners bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung im Wege der unselbständigen Anschlußberufung anschließen. Diese Anschließung verliert nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluß zurückgewiesen wird. Die unselbständige Anschlußberufung (und die unselbständige Anschlußrevision) ist damit auch weiterhin kein eigenes Rechtsmittel, sondern ein auch angriffsweise wirkender Antrag innerhalb des fremden Rechtsmittels. Sie begründet ein durch die Einlegung des Hauptrechtsmittels erworbenes Recht des Rechtsmittelbeklagten, auch von sich aus durch Anträge die Grenzen der neuen Verhandlung zu bestimmen, wobei es sich auch weiterhin um das einheitliche vom Rechtsmittelkläger eingelegte Rechtsmittel handelt.

Durch die Neuregelung des § 516 Abs. 1 ZPO ist die Wirkung des unselbständigen Anschlußrechtsmittels sogar noch stärker dem Einfluß des Anschlußrechtsmittelklägers entzogen, als dieses nach dem früheren Prozeßrecht der Fall war. Denn jetzt kann der Berufungskläger die Berufung auch ohne Zustimmung des Berufungsbeklagten bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. Wird die Anschließung aber durch die - im Belieben des Rechtsmittelklägers stehende - Rücknahme des Rechtsmittels hinfällig, läßt sich weder durch unmittelbare noch durch entsprechende Anwendung der Kostenvorschriften der §§ 91 ff. ZPO begründen, dem Anschlußrechtsmittelkläger die Kosten für seine durch eine Prozeßhandlung des Rechtsmittelklägers ohne Sachentscheidung hinfällig gewordene Anschließung aufzuerlegen. Ist das Anschlußrechtsmittel also - wie hier - weder unzulässig, noch in der Hauptsache zu bescheiden, bleibt es bei dem Grundsatz, daß der Rechtsmittelkläger sowohl die Kosten seines eigenen Rechtsmittels, dessen er durch Rücknahme verlustig gegangen ist, als auch die Kosten der hierdurch wirkungslos gewordenen Anschließung trägt (§§ 516 Abs. 3 Satz 1, 524 Abs. 4 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
KAAAC-06035

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja