BGH Urteil v. - VII ZR 430/02

Leitsatz

[1] Planungs- und Bauaufsichtsleistungen von Architekten und Ingenieuren gehören nicht zu den Bauleistungen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Gesetze: EStG § 48

Instanzenzug: OLG Oldenburg vom LG Osnabrück vom

Tatbestand

Der Kläger verlangt restliches Honorar für Ingenieurleistungen zur Erschließung ehemaliger Betriebsgrundstücke. Die in drei gesonderten Verträgen in Auftrag gegebenen Leistungen betrafen Straßenarbeiten sowie einen Regen- und Schmutzwasserkanal; Ziel der Erschließung war letzten Endes die Bebauung der Grundstücke.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 54.865,50 € verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. In der vom Senat zugelassenen Revision der Beklagten geht es nur noch um einen Steuerabzug nach § 48 EStG, das Honorar für ein Verkehrsgutachten, den Umfang der der Honorarberechnung zugrunde zu legenden anrechenbaren Kosten für die Straßenbauarbeiten sowie ein Honorar für nicht ausgeführte Planung.

Gründe

Die Revision hat teilweise Erfolg.

I.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist von dem Honorar, das dem Kläger zusteht, ein Steuerabzug nach § 48 EStG in Höhe von 15 % nicht vorzunehmen. Es könne offenbleiben, ob § 48 EStG hier überhaupt anwendbar sei. Jedenfalls sei für eine Berücksichtigung des fünfzehnprozentigen Steuerabzugs zugunsten des zuständigen Finanzamtes im Urteilstenor kein Raum. Denn der Kläger habe diesbezüglich seine Aktivlegitimation nicht verloren.

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Es ist richtig, daß die Beklagte keinen Steuerabzug einzubehalten hat. Dies folgt bereits daraus, daß § 48 EStG die Vergütungsforderung des Klägers nicht erfaßt. Er hat keine Bauleistungen erbracht. Somit kommt es weder darauf an, ob die Begründung des Berufungsgerichts zutrifft, noch darauf, daß der Kläger im Revisionsrechtszug Freistellungsbescheinigungen vorgelegt hat.

a) Wer Unternehmer im Sinne des § 2 UStG ist und sich eine Bauleistung im Sinne des § 48 EStG erbringen läßt, ist verpflichtet, an einer Quellenbesteuerung mitzuwirken. Er darf vorbehaltlich verschiedener Ausnahmen seine Gegenleistung, den Werklohn, nicht in voller Höhe an den die Bauleistung erbringenden Auftragnehmer auszahlen. Vielmehr hat er einen Steuerabzug in Höhe von 15 % für Rechnung des Leistenden vorzunehmen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG) und an das für den Leistenden, d.h. für den Auftragnehmer zuständige Finanzamt gemäß § 48a EStG abzuführen (vgl. hierzu , zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

b) Danach kann der Kläger die Zahlung seines Werklohns ohne den fünfzehnprozentigen Abzug verlangen, weil die Beklagte nicht verpflichtet und dementsprechend auch nicht berechtigt ist, diesen Abzug vorzunehmen.

Zwar ist die Beklagte Unternehmer (§ 2 UStG). Der Kläger hat jedoch keine Bauleistungen im Sinne des § 48 EStG erbracht, so daß diese Vorschrift für das Entgelt seiner Vertragsleistung nicht gilt.

(1) Nach der Legaldefinition sind Bauleistungen alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. vom , BGBl. I, S. 2267, übereinstimmend aaO Satz 3 i.d.F. vom , BGBl. I, S. 4210). Die Straßen sowie der Regen- und Schmutzwasserkanal, um deren Herstellung es geht, sind Bauwerke im werkvertraglichen Sinne (vgl. nur , BauR 2001, 621 = ZfBR 2001, 267; Urteil vom - VII ZR 334/90, BauR 1992, 502 = ZfBR 1992, 161; Urteil vom - VII ZR 248/89, BauR 1991, 210 = ZfBR 1991, 101, jeweils m.w.N.). Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß sie auch in dem hier maßgeblichen steuerrechtlichen Zusammenhang als Bauwerke anzusehen sind. Weniger eindeutig ist dagegen, was in den Bereich der "Leistungen, die der Herstellung ... dienen", gehört. Das Gesetz will "alle" solche Leistungen einbeziehen.

Eine Ausrichtung allein am Wortlaut könnte ein weites Verständnis des Begriffs Bauleistung nahelegen. Dazu ließen sich sogar die Vermittlung des Baugrundstückes ebenso zählen, wie die Aktivitäten der finanzierenden Bank, die Planungen der Architekten und Ingenieure oder die Bauaufsicht.

Sinn und Zweck des Gesetzes verlangen demgegenüber ein deutlich engeres Verständnis. § 48 EStG ist durch das Gesetz zur Eindämmung der illegalen Betätigung im Baugewerbe eingefügt worden (Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes vom , BGBl. I, S. 2267). Mit der Vorschrift ist eine teilweise Quellenbesteuerung als besonderes Steuerabzugsverfahren für das Baugewerbe eingeführt worden. Das Verfahren ist auf diesen Gewerbezweig beschränkt in der Meinung, dort bestehe der dringendste Bedarf für Maßnahmen gegen verbreitete Steuerhinterziehungen (vgl. BT-Drucks. 14/4658, S. 1 und 9-11). Daß allein Unternehmen des Baugewerbes gemeint sind, zeigt sich auch in der Verweisung der Begründung des Regierungsentwurfs auf § 211 Abs. 1 SGB III. Dort werden Bauleistungen als Aktivitäten in einem Betrieb des Baugewerbes definiert, wobei die Aufzählung im einzelnen wörtlich mit der Aufzählung der Leistungen in § 48 EStG übereinstimmt.

Es bedarf hier keiner abschließenden Bestimmung, was alles möglicherweise als Leistung in einem Betrieb des Baugewerbes anzusehen ist. Jedenfalls zählen Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren nicht dazu. Dasselbe gilt für deren Leistungen im Bereich der Bauaufsicht (im Ergebnis ebenso z.B. Schmidt, EStG, Kommentar, 23. Aufl. 2004, Rdn. 11 zu § 48; Ebling in: Blümich, EStG, Kommentar (Loseblatt), Bd. III, Rdn. 64 zu § 48; , BStBl. I, S. 1399, i.d.F. vom , BStBl. I, S. 431). Beide Berufsgruppen gehören nicht dem Baugewerbe an; beide sind nicht Teil der Zielgruppe, deren Steuerhinterziehungen die Gesetzesänderung veranlaßt haben.

(2) Danach gehören die Leistungen des Klägers nicht in den Regelungsbereich des § 48 EStG. Nach § 3 der insoweit gleichlautenden Verträge hatte der Kläger für die Beklagte neben der Grundlagenermittlung verschiedene Planungsleistungen zu erbringen, ferner die Vorbereitung der Vergabe und die Mitwirkung bei der Vergabe sowie schließlich die Bauoberleitung.

II.

1. Der Kläger hat nach Ansicht des Berufungsgerichts einen Anspruch auf Honorierung seiner Leistungen für das Verkehrsgutachten. Das Gutachten sei geschuldet gewesen und erbracht worden. Dem erstmalig im Berufungsverfahren vorgetragenen Bestreiten der gutachterlichen Feststellungen zur Höhe der Vergütung sei gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht nachzugehen, so daß der Vergütungsansatz des Landgerichts zu übernehmen sei.

2. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Allerdings sind ihre Rügen zum Anspruchsgrund nicht gerechtfertigt. Soweit die Revision sich in der Sache gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, ist sie lediglich mit der tatrichterlichen Würdigung der von den Parteien getroffenen Vereinbarungen nicht einverstanden. Diese Würdigung zeigt keine Rechtsfehler und ist revisionsrechtlich hinzunehmen. Soweit die Revision Verfahrensmängel geltend macht, hat der Senat die Rügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

b) Zur Anspruchshöhe beanstandet die Revision zutreffend, daß das Berufungsgericht § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO rechtsfehlerhaft angewendet hat.

Mit ihrem Bestreiten zur Höhe hat die Beklagte im Berufungsverfahren kein neues Verteidigungsmittel eingeführt. Ob überhaupt ein Zeithonorar angesetzt werden darf, ist eine Rechtsfrage. Den in Rechnung gestellten tatsächlichen Zeitaufwand hat die Beklagte nicht erst im Berufungsverfahren bestritten. Schon im ersten Rechtszug hat sie genau diejenigen Zahlen in Frage gestellt, welche von der Sachverständigen später nicht erst ermittelt, sondern aus geschätzten Angaben im Vertrag vom 31. Januar/ übernommen worden sind.

Das Berufungsgericht wird diesen Punkt unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten zu klären haben.

III.

1. Das Berufungsgericht führt zu den anrechenbaren Kosten aus, die Beklagte habe im Verfahren erster Instanz Einwendungen gegen die Feststellungen der Sachverständigen nicht erhoben. Die erstmals mit der Berufung erhobenen Angriffe seien verspätet und gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen.

2. Die hiergegen gerichteten Rügen von Verfahrensmängeln hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

IV.

1. Das Landgericht hat dem Kläger 4.493,13 € (8.787,80 DM) für die nicht ausgeführte Planung zum Regen- und Schmutzwasserkanal zugesprochen. Das Berufungsgericht referiert zwar, der Kläger mache insoweit 9.192,25 € (17.978,47 DM) geltend, während die Beklagte einen entsprechenden Auftrag bestreite. Hierzu finden sich in den Entscheidungsgründen jedoch keine Ausführungen.

2. Die Revision beanstandet zu Recht, daß dem Berufungsurteil eine Begründung zu diesem Punkt fehlt, § 547 Nr. 6 ZPO. Diese wird vom Berufungsgericht nachzuholen sein.

Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2005 S. 396 Nr. 4
DB 2005 S. 2188 Nr. 40
DStRE 2005 S. 1333 Nr. 22
HFR 2006 S. 89 Nr. 1
YAAAC-03567

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein