BGH Urteil v. - VI ZR 434/01

Leitsatz

[1] Kommt bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einem Gesellschafter die Haftungsprivilegierung gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zugute, weil er selbst auf der Betriebsstätte tätig war, so kann eine Inanspruchnahme der Gesellschaft durch den Geschädigten nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses ausgeschlossen sein.

Gesetze: BGB § 31; BGB § 705; HGB § 128; SGB VII § 106 Abs. 3 Alt. 3

Instanzenzug: LG Stuttgart

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Unfalls vom auf Ersatz materieller Schäden, Zahlung eines Schmerzensgeldes und einer Schmerzensgeldrente sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.

Die Beklagte zu 1 ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren [vertretungsberechtigte] Gesellschafter der Beklagte zu 2 und seine Ehefrau sind. Die Gesellschaft betreibt einen Kurierdienst, für den die Klägerin als Subunternehmerin Büchersendungen auslieferte.

Die Übernahme der Sendungen erfolgte jeweils in der Lagerhalle der Beklagten zu 1. Dort wurden die für verschiedene Empfänger bestimmten Sendungen in Gitterboxen mit einem Lkw angeliefert, der von Mitarbeitern der Beklagten zu 1 mit einem Gabelstapler entladen wurde. Für eine Tour bestimmte Gitterboxen wurden zu dem Ladeplatz des dafür zuständigen Subunternehmers gebracht. Dieser entnahm die einzelnen Bücherpakete, kontrollierte, ob sie zu seiner Tour gehörten, und lud sie sodann in seinen Transporter. Soweit eine Sammelbox Büchersendungen für unterschiedliche Touren enthielt, wurden die Pakete von den betreffenden Subunternehmern nach den jeweils von ihnen zu bedienenden Touren sortiert.

Als der Beklagte zu 2 am Unfalltag eine Gitterbox mit einem Gabelstapler zum Ladeplatz der Klägerin bringen wollte, kam eine Ecke der Box mit einer Bodenunebenheit in Berührung. Hierdurch kippte die Gitterbox von der Gabel und verletzte die Klägerin an der linken Schulter.

Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und Leistungen für die Klägerin erbracht. Diese meint, der Beklagte zu 2 habe den Unfall fahrlässig herbeigeführt. Deshalb habe sie Schadensersatzansprüche gegen beide Beklagte.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet diese sich mit der Revision.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht meint, die Haftung der Beklagten sei gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII ausgeschlossen, da sich der Unfall bei Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet habe. Diese Haftungsfreistellung komme nicht nur dem Beklagten zu 2 zugute, der selbst in der Lagerhalle tätig geworden sei, sondern müsse auch für die Beklagte zu 1 gelten; andernfalls liefe die Haftungsprivilegierung des Beklagten zu 2 letztlich leer.

II.

Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß sich der Unfall bei Tätigkeiten auf einer gemeinsame Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII ereignet hat.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung erfaßt der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt (grundlegend: Senatsurteil BGHZ 145, 331, 336; vgl. auch Senatsurteile BGHZ 148, 209, 211; 148, 214, 216; vom - VI ZR 70/00 - VersR 2001, 372, 373; vom - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107 f. und vom - VI ZR 251/00 - zur Veröffentlichung bestimmt; - zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen; OLG Hamm, VersR 2002, 1108, 1109; OLG Köln, r+s 2001, 328, 329; KG, VersR 2002, 573 f.; OLG Schleswig, r+s 2001, 197, 198 mit NA-Beschluß des Senats vom - VI ZR 53/01; OLG München, r+s 2002, 507).

Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall gegeben. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe seinen Feststellungen nur den Vortrag in der Klageschrift zugrunde gelegt und nicht berücksichtigt, daß die Klägerin ihr ursprüngliches Vorbringen später dahin korrigiert habe, daß sie beim Entladen des Lkw nicht mitgewirkt habe. Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung verfahrensfehlerfrei entscheidend auf das Ergebnis der persönlichen Anhörung gestützt. Danach gehörte es zum Aufgabenbereich der Klägerin, die in den Gitterboxen befindliche Ware zu kontrollieren, falsch zugeordnete Pakete auszusondern und, wenn dazu Zeit war, die in der Sammelbox befindlichen Pakete zu sortieren und dem Kollegen zu bringen, für dessen Tour die betreffende Ware bestimmt war. Bei dieser Sachlage trafen die Klägerin und der Beklagte zu 2 in der Lagerhalle nicht rein zufällig aufeinander. Ihre Tätigkeiten vollzogen sich auch nicht beziehungslos nebeneinander. Auch wenn die Klägerin dem Beklagten zu 2 nicht beim Entladen des Lkw half, so war sie doch an dem gemeinsamen Warenumschlag beteiligt, weil sie bei jeder Tour die Bücher in der beschriebenen Weise sortierte. Ob das Merkmal einer gemeinsamen Betriebsstätte erfüllt wäre, wenn sich ihre Tätigkeit darin erschöpft hätte, bereitgestellte Ware abzuholen, kann dahin stehen, denn hier ging es nicht, wie die Revision meint, um das bloße Abholen von Waren, die ein anderer Unternehmer auf einem dafür bestimmten Platz abgestellt hatte. Einer Arbeitsverknüpfung steht auch nicht entgegen, daß für die Anlieferung und den Weitertransport der Waren getrennte Übergabeplätze eingerichtet waren. Die Tätigkeit der Klägerin erschöpfte sich nämlich nicht darin, für sie bestimmte Ware entgegenzunehmen und weiterzubefördern. Je nach Arbeitsanfall oblag ihr zusätzlich - neben der Kontrolle der in der Gitterbox befindlichen Pakete und Behältnisse und der Weitergabe der nicht für ihre Tour bestimmten Sendungen an den dafür zuständigen Subunternehmer - auch die Sortierung der in der Sammelbox befindlichen Pakete und deren Weiterleitung an andere Subunternehmer. Bei dieser Sachlage handelte es sich um betriebliche Tätigkeiten, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergriffen, miteinander verknüpft waren, sich gegenseitig ergänzten und unterstützten.

2. Ohne Erfolg beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagte zu 2 unfallversichert war. Allerdings kann die Haftungsfreistellung gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt SGB VII dem für ein Unternehmen Tätigen, der auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt hat, nur zugute kommen, wenn er im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung war (vgl. Senatsurteil BGHZ 148, 209, 212 m.w.N.), denn unabdingbare Voraussetzung des Haftungsprivilegs ist, daß der Schädiger selbst zu den versicherten Personen zählt ( - zur Veröffentlichung in BGHZ 151, 198 bestimmt). Das Berufungsgericht ist jedoch mit Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte zu 2 Versicherter war. Dieser Umstand ist, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, in den Vorinstanzen nie in Zweifel gezogen worden und wird letztlich auch von der Revision nicht ernstlich in Frage gestellt.

3. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, eine etwaige Haftungsfreistellung des Beklagten zu 2 könne diesen nur dann wirksam vor einer Inanspruchnahme durch die Geschädigte schützen, wenn das Haftungsprivileg auch für die Beklagte zu 1 gelte.

a) Die Frage nach einer Geltung des Haftungsprivilegs für die Beklagte zu 1 stellt sich allerdings nur dann, wenn diese für ein Handeln des Beklagten zu 2 einzustehen hätte. Das erscheint nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen.

aa) Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte zu 1 gem. § 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein könnte, sind allerdings nicht ersichtlich. Voraussetzung dafür wäre, daß der Beklagte zu 2 Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 1 war. Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB ist nur, wer von Weisungen seines Geschäftsherrn abhängig ist. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht im allgemeinen kein Weisungsrecht gegenüber ihren Gesellschaftern zu (vgl. BGHZ 45, 311, 313). Daß die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse im Streitfall anders gelagert gewesen wären, zeigt die Revision nicht auf.

bb) Ein zu Schadensersatz verpflichtendes Handeln des Beklagten zu 2 könnte der Beklagten zu 1 aber analog § 31 BGB zuzurechnen sein. Diese Vorschrift ist, wie der Bundesgerichtshof in Abkehr von seiner früheren Auffassung (vgl. BGHZ 45, 311, 312; Senatsurteil vom - VI ZR 164/73 - VersR 1975, 329, 331) nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden hat, auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar ( - VersR 2003, 650, 651, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vgl. dazu Ulmer, ZIP 2003, 1113 ff.; kritisch Altmeppen, NJW 2003, 1553 ff.). Mit dieser Änderung der Rechtsprechung wird dem allgemein vollzogenen Wandel im Verständnis der Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrer Haftungsverfassung (vgl. BGHZ 146, 341) Rechnung getragen. Die Haftung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterscheidet sich insoweit nicht (mehr) von derjenigen der OHG, bei der die Haftung der Gesellschaft auch für gesetzliche Verbindlichkeiten, insbesondere auch für ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten ihrer Gesellschafter, und die entsprechende Anwendbarkeit des § 31 BGB heute allgemein anerkannt ist (vgl. - aaO m.w.N.).

Unter welchen Voraussetzungen diese Haftungsgrundsätze allerdings bei deliktischem Handeln eines Gesellschafters bürgerlichen Rechts im Einzelfall zum Tragen kommen, ist in Rechtsprechung und Literatur bisher noch nicht abschließend geklärt. Insbesondere könnte durchaus zweifelhaft sein, ob die deliktische Schadenszufügung in einem Fall der vorliegenden Art "in Ausübung der (dem Gesellschafter) zustehenden (organschaftlichen) Verrichtungen" begangen worden ist (vgl. dazu K. Schmidt, NJW 2003, 1897, 1904). Diese Problematik bedarf hier jedoch keiner weiteren Vertiefung.

b) Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 sind nämlich jedenfalls mittelbar wegen der auf § 106 Abs. 3, 3. Alt. i.V.m. § 104 Abs. 1 SGB VII beruhenden Haftungsbefreiung des Beklagten zu 2 ausgeschlossen.

aa) Die Revisionserwiderung ist der Auffassung, die Haftungsbefreiung gelte auch für die Beklagte zu 1; das ergebe sich schon aus § 31 BGB. Richtig ist, daß diese Vorschrift keine haftungsbegründende, sondern eine haftungszuweisende Norm ist und deshalb voraussetzt, daß der verfassungsgemäße Vertreter eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 99, 299, 302). Ob es an dieser Voraussetzung schon deswegen fehlt, weil der Beklagte zu 2 selbst haftungsprivilegiert ist, kann im Streitfall offenbleiben.

bb) Nach Auffassung des Berufungsgerichts soll die Haftungsfreistellung gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt. i.V.m. § 104 Abs. 1 SGB VII der Beklagten zu 1 deswegen zugute kommen, weil die Privilegierung andernfalls gegenüber dem Beklagten zu 2 leerliefe. Nach dem Wortlaut der Bestimmungen, ihrer Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Regelung gilt die Haftungsprivilegierung bei vorübergehenden Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte allerdings nur für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212 und 214, 217). Ob dazu auch die Beklagte zu 1 zu rechnen ist, erscheint zweifelhaft.

Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob die geänderte Rechtsauffassung hinsichtlich der Haftungszurechnung gem. § 31 BGB dazu führt, bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts neben deren vertretungsbefugten Gesellschaftern (vgl. BSGE 61, 15, 17) auch die Gesellschaft selbst als Unternehmer im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII anzusehen, denn die gesetzliche Haftungsprivilegierung knüpft nicht an die Unternehmereigenschaft an, sondern an das Tätigwerden auf der gemeinsamen Betriebsstätte.

Zwar könnte nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Haftungsfreistellung eine Ausdehnung auf die Beklagte zu 1 zu erwägen sein. Denn die in § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII normierte Privilegierung findet ihre Rechtfertigung in dem Gesichtspunkt der sogenannten Gefahrengemeinschaft (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212 und 214, 220). Hiernach erhalten die in enger Berührung miteinander Tätigen als Schädiger durch den Haftungsausschluß einen Vorteil und müssen dafür andererseits als Geschädigte den Nachteil hinnehmen, daß sie selbst gegen den unmittelbaren Schädiger keine Schadensersatzansprüche wegen ihrer Personenschäden geltend machen können. Um eine solche auf Gegenseitigkeit angelegte Haftungsbefreiung im Falle des auf der Betriebsstätte tätigen Gesellschafters bürgerlichen Rechts zu erreichen, könnte erwogen werden, die Privilegierung nicht ihm selbst, sondern auch der Gesellschaft zugute kommen zu lassen. Dafür könnte sprechen, daß der Beklagte zu 2, wäre er Geschädigter, den gesetzlichen Haftungsausschluß gegen sich gelten lassen müßte. Wenn andererseits als Schädiger zwar er selbst, nicht aber auch seine Gesellschaft privilegiert wäre und diese dem Geschädigten daher in vollem Umfang Ersatz zu leisten hätte, käme dem tätig gewordenen Gesellschafter der mit der gesetzlichen Regelung bezweckte Vorteil letztlich nicht zugute, wenn er für die Verbindlichkeit der Gesellschaft analog § 128 Satz 1 HGB persönlich einzustehen hätte. Denn der in dieser Norm zum Ausdruck kommende Grundsatz der akzessorischen Haftung findet entsprechende Anwendung auch auf gesetzliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGHZ 146, 341, 357; - aaO mit Anm. Reiff; vgl. auch Dauner-Lieb, DStR 2001, 356, 358 f.; Wiegand, SchiedsVZ 2003, 52, 57; Altmeppen, NJW 2003, aaO; K. Schmidt, aaO, S. 1900 f.). Die Frage, ob dieser Grundsatz stets dazu führt, die in § 106 Abs. 3, 3. Alt. i.V.m. § 104 Abs. 1 SGB VII normierte Haftungsbefreiung auch der Gesellschaft zugute kommen zu lassen, bedarf im Streitfall jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

cc) In Fallgestaltungen wie der vorliegenden ist eine Inanspruchnahme der Gesellschaft jedenfalls nach den Grundsätzen des sogenannten gestörten Gesamtschuldverhältnisses ausgeschlossen. Danach können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Sonderregelung, wie sie früher in §§ 636, 637 RVO a.F. geregelt war (jetzt: §§ 104 ff. SGB VII), gestört wäre (vgl. u.a. Senatsurteile BGHZ 61, 51, 55; vom - VI ZR 91/83 - VersR 1985, 763 und vom - VI ZR 81/86 - NJW 1987, 2669). Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht auf dem Gedanken, daß einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen (grundlegend Senatsurteil BGHZ 61, 53 ff.). Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte hat der Senat den Zweitschädiger "in Höhe des Verantwortungsteils" freigestellt, der auf den Privilegierten im Innenverhältnis entfiele, wenn man das Haftungsprivileg wegdenkt (Senatsurteil BGHZ aaO, S. 54). Dabei ist unter "Verantwortungsteil" die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der eigene Anteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen (Senatsurteil BGHZ 110, 114, 119).

Diese Grundsätze kommen im Streitfall zum Tragen. Für eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung des Beklagten zu 2 hätten dieser und die Beklagte zu 1 entsprechend §§ 823, 31, 840 Abs. 1 BGB gegebenenfalls als Gesamtschuldner einzustehen. Da der Beklagte zu 2 den Schaden allein verursacht hat und Anhaltspunkte für eine Mitverantwortung der Beklagten zu 1 nicht ersichtlich sind, hätte er gem. § 426 BGB im Innenverhältnis der beiden Gesamtschuldner den "Verantwortungsteil" allein zu tragen und in vollem Umfang für den Schaden aufzukommen, wenn man das in § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII normierte Haftungsprivileg wegdenkt. Da diese Haftungsfreistellung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden darf, wäre es der Beklagten zu 1 verwehrt, den Beklagten zu 2 im Innenverhältnis auf Ausgleich in Anspruch zu nehmen. Weil jedoch die Beklagte zu 1 für den Schaden ersichtlich nicht verantwortlich ist, auf sie also kein "Verantwortungsteil" in dem oben dargelegten Sinne entfällt, wäre es nicht gerechtfertigt, wenn sie (endgültig) gleichwohl für den Schaden - und zwar in vollem Umfang - einzustehen hätte. Damit ist vorliegend ein Fall des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs gegeben, der im Ergebnis dazu führt, daß die Klägerin - eine Haftung der Gesellschaft vorausgesetzt - schon im Außenverhältnis mit Ansprüchen gegen die für die Schadenszufügung nicht verantwortliche Beklagte zu 1 ausgeschlossen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2004 S. 112 Nr. 2
JAAAC-03050

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: nein