BGH Urteil v. - II ZR 94/05

Leitsatz

[1] a) Erklärt ein Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft, er werde alle ihr (hier: während der Gründung) entstehenden Verluste ausgleichen, handelt es sich nicht um eine unentgeltliche, notariell zu beurkundende, sondern causa societatis eingegangene Verpflichtung.

b) Fällt die Gesellschaft später in die Insolvenz, hat der Gesellschafter diese mit dem Insolvenzeintritt nicht hinfällig gewordene Verpflichtung zu erfüllen, sofern die Beteiligten nicht etwas Gegenteiliges vereinbart haben.

Gesetze: BGB § 518 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: LG München I 12 O 13994/02 vom OLG München 18 U 1887/04 vom

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der am gegründeten S. AG (im Folgenden: Schuldnerin). Zu ihren Gründern gehörte der Beklagte mit 5 % des Kapitals (= 10.000,00 €). Dieser unterzeichnete am in einem Hotel in W. , USA, folgende Erklärung, welche er sodann Herrn N. , dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der P. AG und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der Schuldnerin aushändigte:

"To whom it may concern:

I hereby undertake vis-à-vis S. AG i.G. both to immediately compensate any losses that may occur during the course of the business up to an amount of 1,5 million Euro by means of appropriate measures as well as to ascertain the supply of the company with liquid funds for this period, so that the company shall be in a position to meet its financial obligations at any time.

The present declaration shall be governed by the laws of the Federal Republic of Germany."

Die vom Kläger vorgelegte Übersetzung dieser Erklärung lautet wie folgt:

"An diejenigen, die es angeht:

Ich verpflichte mich hiermit gegenüber der S. AG i.G. sowohl unverzüglich jegliche Verluste, die während des Geschäftsganges eintreten, bis zu einer Summe von 1,5 Millionen Euro mittels geeigneter Maßnahmen auszugleichen, als auch die Versorgung der Gesellschaft in dieser Zeit mit flüssigen Mitteln sicher zu stellen, so dass die Gesellschaft jederzeit ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann.

Diese Erklärung soll dem Recht der Bundesrepublik Deutschland unterfallen."

Während der Gründungsphase der Gesellschaft wurde im November 2000 eine Abrede zwischen u.a. dem Beklagten und der Schuldnerin getroffen, in der es u.a. heißt:

XII.2:

"Diese Vereinbarung ersetzt alle zwischen einzelnen Vertragsparteien abgeschlossenen früheren Vereinbarungen (Treuhandvereinbarungen etc.), die hiermit vollständig aufgehoben werden."

Die Schuldnerin, deren Geschäftsidee darin bestand, in Kooperation mit dem Deutschen Sportbund und der P. AG eine Internetplattform zu entwickeln, die Sportinformationen ins Internet stellen sollte, wurde am in das Handelsregister eingetragen. Sie geriet bereits wenig später in finanzielle Schwierigkeiten, die das Vorstandsmitglied R. veranlassten, den Beklagten - allerdings vergeblich - unter Hinweis auf die Erklärung vom zur Ausstattung der Schuldnerin mit Liquidität aufzufordern. Auf Antrag vom ist am über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter berufen worden.

Nach seiner Behauptung beliefen sich die Verluste der Schuldnerin von der Gründung an auf mindestens 1.524.967,28 €. Er hält deswegen den Beklagten für verpflichtet, dem ersten Teil der Erklärung vom entsprechend 1,5 Mio. € an ihn zu zahlen. Der Beklagte hat u.a. in Abrede gestellt, die genannte Erklärung gegenüber der Schuldnerin abgegeben zu haben. Vielmehr sei sie - aus von ihm näher dargestellten Gründen - allein an die P. AG gerichtet gewesen und habe nur für Ansprüche dieser Gesellschaft gegen die Schuldnerin während der Gründungsphase gelten sollen; mit der Eintragung der Schuldnerin sei sie dementsprechend hinfällig geworden. Im Übrigen könne die Verpflichtung ihrem ganzen Sinn nach im Insolvenzverfahren keine Wirkung mehr entfalten. Schließlich - so meint der Beklagte - sei die Verpflichtung im November 2000 aufgehoben worden.

Die Klage ist in dem jetzt noch für das Revisionsverfahren bedeutsamen Umfang in beiden Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

I. Das Berufungsgericht, das zunächst beabsichtigt hatte, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Zahlungsanspruch des Klägers bestehe schon deswegen nicht, weil die Erklärung des Beklagten formunwirksam und nichtig sei. Bei dem Versprechen, Verluste der Schuldnerin auszugleichen, handele es sich um eine schenkweise eingegangene, nach dem hier anwendbaren deutschen Recht notariell zu beurkundende Verpflichtung (§§ 125 Satz 1, 518 Abs. 1 Satz 2 BGB).

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsurteil beruht auf einer grundlegenden Verkennung der Rechtsnatur von Finanzierungsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern und ihrer Gesellschaft.

1. Zugunsten des Klägers ist revisionsrechtlich zu unterstellen, dass der Beklagte die Verpflichtungserklärung gegenüber und zugunsten der Schuldnerin abgegeben hat, weil Land- und Oberlandesgericht den entsprechenden, vom Beklagten bestrittenen Sachvortrag des Klägers ungeprüft als richtig unterstellt haben.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Teil der Erklärung vom "... unverzüglich jegliche Verluste, die während des Geschäftsganges eintreten, bis zu einer Summe von 1,5 Millionen Euro mittels geeigneter Maßnahmen auszugleichen" (im Folgenden: Verlustübernahmeerklärung), auf die die Klage allein gestützt wird, formlos wirksam. Sie beinhaltet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine schenkweise eingegangene selbständige Schuldverpflichtung und bedurfte daher nach dem hier anwendbaren deutschen Recht nicht der notariellen Beurkundung (§ 518 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Das Berufungsgericht verkennt schon im Ansatz, dass der Beklagte die - unterstellt - gegenüber der Gesellschaft abgegebene Erklärung in seiner Eigenschaft als (Gründungs-)Gesellschafter im Hinblick auf seine Mitgliedschaft (causa societatis) abgegeben hat. Das Bestehen einer solchen causa für das Eingehen einer Verpflichtung schließt die Anwendung der Schenkungsregeln aus (vgl. MünchKommBGB/Kollhosser 4. Aufl. § 516 Rdn. 93). Dass der Beklagte hierzu nicht schon aufgrund der Satzung der Schuldnerin verpflichtet war, macht sein Versprechen nicht zu einer unentgeltlichen Leistung. Causa societatis kann ein Gesellschafter sich nämlich auch zur Erbringung weiterer Leistungen - etwa zu Sanierungszwecken in Form von Verlustanteilserhöhungen oder verlorenen Zuschüssen oder zu sonstigen freiwilligen finanziellen Zuwendungen wie z.B. einem sogenannten "Finanzplankredit" (Senat, BGHZ 142, 116 ff.; Urt. v. - II ZR 341/95, WM 1997, 576 f.; MünchKommBGB/Kollhosser aaO § 516 Rdn. 93 m.w.Nachw.; Groh, DStR 1999, 1050, 1051) - verpflichten.

Gerade bei solchen Finanzierungszusagen oder bei der Kreditsicherheitenstellung durch einen Gesellschafter ist mit vordergründiger Abgrenzung zwischen Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Leistung nichts gewonnen (ausführlich hierzu Wolf, Die Patronatserklärung S. 191 f. m.w.Nachw.). Diese Zusagen werden regelmäßig ohne unmittelbare Gegenleistung im Rechtssinne, wohl aber vor dem Hintergrund abgegeben, dass sich der Gesellschafter davon eine Stärkung der Gesellschaft und damit mittelbar eine Verbesserung seiner durch die Mitgliedschaft vermittelten Vermögenslage verspricht.

III. Das Berufungsurteil erweist sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Es kann nicht mit der dem landgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden Begründung aufrechterhalten werden, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Erfüllungsanspruch der Schuldnerin aus der Erklärung des Beklagten vom untergegangen.

Sollte sich - was im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen sein wird - feststellen lassen, dass entgegen dem Vortrag des Beklagten die Erklärung gegenüber der Schuldnerin abgegeben und von dieser angenommen worden ist, dass sie ferner zeitlich nicht auf die bis zur Eintragung der Schuldnerin in das Handelsregister entstandenen Verluste begrenzt war und schließlich auch durch die Vereinbarung vom November 2000 nicht wirksam aufgehoben worden ist, stünde die Insolvenzeröffnung einer Haftung des Beklagten in Höhe von 1,5 Mio. € nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht entgegen. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Parteien und des Landgerichts nicht darauf an, wie sich eine "Patronatserklärung" bzw. "Liquiditätszusage" eines Gesellschafters in der Insolvenz auswirkt (siehe hierzu einerseits OLG Celle OLGR Celle 2001, 39 f., andererseits OLG München ZIP 2004, 2101 ff.). Denn die Klage ist allein auf die Verlustübernahmeerklärung des Beklagten gestützt, die ihrem Inhalt nach durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unerfüllbar wird. Was für die in derselben Erklärung außerdem enthaltene Zusage, die Schuldnerin mit Liquidität auszustatten, gilt, ob sie insbesondere nur die Pflicht zur Abwendung der Insolvenz beinhaltete (in diesem Sinne OLG Celle aaO, a.A. OLG München aaO 2104 f.), bedarf im vorliegenden Fall angesichts der Beschränkung der Klage auf die Erfüllung der Verlustübernahmeverpflichtung keiner Entscheidung.

IV. In dem wieder eröffneten Berufungsverfahren erhält der nunmehr zuständige Senat des Berufungsgerichts die Gelegenheit, die bisher unterbliebene Klärung des streitigen Sachverhalts nachzuholen und dabei auch die Erklärung vom beiderseits interessengerecht auszulegen, um auf dieser Grundlage die Rechtfertigung des Klageantrags zu prüfen.

Fundstelle(n):
AG 2006 S. 548 Nr. 15
BB 2006 S. 1467 Nr. 27
DB 2006 S. 1370 Nr. 25
DNotZ 2006 S. 870 Nr. 11
DStR 2006 S. 1240 Nr. 28
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2006 S. 2564
SJ 2006 S. 37 Nr. 18
WM 2006 S. 1202 Nr. 25
ZIP 2006 S. 1199 Nr. 25
PAAAB-98208

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja