BGH Urteil v. - II ZR 384/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: VerbrKrG § 9 Abs. 3; VerbrKrG § 9 Abs. 2 Satz 4; VerbrKrG § 9; VerbrKrG § 9 Abs. 4; VerbrKrG § 9 Abs. 1; VerbrKrG § 9 Abs. 2; BGB § 255

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Klägerin, die zeitweise als A. AG firmierte, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, mit dem der Beklagte und seine damalige Ehefrau ihren Beitritt zur G.-GbR, S. Straße 7 und 9, D., Fonds Nr. 14 [im folgenden: Fonds (-gesellschaft)] finanzierten.

Der Beklagte und seine Ehefrau unterzeichneten am eine "Beitrittserklärung" zu dem Fonds. Darin verpflichteten sie sich zum Beitritt und boten einem Rechtsanwalt M. F. den Abschluß eines auf die Verwendung der einzuzahlenden Gelder bezogenen Treuhandvertrages nebst gesonderter Vollmacht an.

Die Fondsgesellschaft war von der Do. GmbH und deren Geschäftsführer W. Gr. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des Grundstücks S. Straße 7 und 9 in D.. Die Einlage des Beklagten und seiner Ehefrau sollte 100.000,00 DM betragen und in vollem Umfang durch einen von der Klägerin zu gewährenden Kredit finanziert werden. Dementsprechend unterzeichneten der Beklagte und seine Ehefrau am einen Darlehensantrag. Danach sollte die Darlehensvaluta an den Treuhänder ausgezahlt werden. Der Kredit sollte durch eine Lebensversicherung des Beklagten getilgt werden.

Die Klägerin zahlte die Darlehensvaluta in Höhe der Einlage und eines Agios auf ein Konto des Treuhänders. In der Folgezeit konnten die in dem Fondsprospekt veranschlagten und von der Do. GmbH für die Dauer von fünf Jahren garantierten Mieten nicht erwirtschaftet werden. Die Do. GmbH stellte im Juni 1996 ihre Zahlungen ein. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Der Initiator des Fonds, W. Gr., wurde 1999 wegen Kapitalanlagebetrugs in vier Fällen, u.a. hinsichtlich des Fonds 14, rechtskräftig verurteilt. Er hatte sich oder der Do. GmbH ohne Wissen der Anleger von der Grundstücksverkäuferin und Bauträgerin, der Dom. GmbH, einen Teil der in dem Fondsprospekt für den Erwerb und die Bebauung des Grundstücks veranschlagten 9,2 Mio. DM, nämlich etwa 4,3 Mio. DM, zurückzahlen lassen. Auf diese Weise war von dem insgesamt aufgebrachten Kapital des Fonds in Höhe von 12,25 Mio. DM weniger als die Hälfte in das Bauvorhaben geflossen.

Nachdem diese Vorgänge bekannt geworden waren, erklärte der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Darlehensvertrages wegen arglistiger Täuschung. Wegen falscher Beitrittswerbung kündigte er am seine Mitgliedschaft in der Fondsgesellschaft, am widerrief er den Darlehensvertrag nach dem Haustürwiderrufsgesetz.

Die Klägerin verlangt mit der Klage Rückzahlung des Darlehens einschließlich eines Disagios und einer Bearbeitungsgebühr, zusammen 148.612,79 DM, sowie Verzugszinsen von 4.031,61 DM. Der Beklagte fordert widerklagend Rückgewähr der an die Klägerin gezahlten Zinsen von 24.228,27 DM und Rückabtretung seiner zur Sicherheit an die Klägerin abgetretenen Lebensversicherung.

Das Landgericht hat Klage und Widerklage als derzeit unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit seiner Revision will der Beklagte die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin auf Grund der Widerklage erreichen.

Gründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Der Beklagte braucht der Klägerin keine weiteren Zahlungen zu leisten und hat umgekehrt gegen sie einen Anspruch auf Rückgewähr seiner bereits erbrachten Leistungen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG in seiner hier anzuwendenden bis zum geltenden Fassung.

1. Das Berufungsgericht hat gemeint, § 9 VerbrKrG sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Jedenfalls sei dem Beklagten ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG aber deshalb versagt, weil er das ihm wegen Täuschung bei seinem Fondsbeitritt erwachsene Recht zur außerordentlichen Kündigung seiner Mitgliedschaft erst am und damit verspätet geltend gemacht habe. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

2. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom (II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1593 f.; ebenso Urteile v. - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405, sowie , WM 2003, 2232, 2233 f.) entschieden hat, finden auf einen Kredit zur Finanzierung einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft gemäß § 9 Abs. 4 VerbrKrG die Vorschriften des § 9 Abs. 1-3 VerbrKrG Anwendung, weil der Beitritt nach seinem wirtschaftlichen Zweck und wegen der Schutzbedürftigkeit des Anlegers einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung gleichzustellen ist. Der Beitritt des Beklagten zur Fondsgesellschaft und der zu seiner Finanzierung geschlossene Darlehensvertrag der Parteien sind ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1 VerbrKrG. Der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft und das ihn finanzierende Kreditgeschäft erfüllen nach der Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen eines Verbundgeschäftes, wenn sich die Fondsgesellschaft und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; v. - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vermittlungsunternehmen zur Verfügung gestellt.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Beklagte sich, ohne daß es auf die Kündigung seiner Fondsmitgliedschaft und deren vom Berufungsgericht - zu Unrecht - angenommene Verspätung (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594 f.) ankäme, der Klägerin gegenüber nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG darauf berufen, daß ihm gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds, die Do. GmbH und W. Gr., Schadensersatzansprüche u.a. aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zustehen (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852).

a) Wie der Senat in seinen Urteilen vom (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406) entschieden hat, kann der bei seinem Eintritt in eine Fondsgesellschaft getäuschte Anleger bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts nicht nur seine Beteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten, sondern darüber hinaus der Bank alle Ansprüche entgegensetzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat, weil diese in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer - Bank wie ein Verkäufer zu behandeln sind. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt, ist W. Gr. wegen Kapitalanlagebetrugs, u.a. im Zusammenhang mit dem hier betroffenen Fonds 14, rechtskräftig verurteilt worden. Anhaltspunkte dafür, daß die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sein oder gerade der Beklagte nicht zu den Betrugsopfern gehört haben könnte, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

b) Die gegenüber den Gründungsgesellschaftern des Fonds bestehenden Schadensersatzansprüche sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er der Fondsgesellschaft nicht beigetreten und hätte mit dem den Beitritt finanzierenden Institut keinen Darlehensvertrag geschlossen (Sen.Urt. v. - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406).

Danach hat der Beklagte der Klägerin nur die Fondsbeteiligung und in entsprechender Anwendung von § 255 BGB seine Schadensersatzansprüche gegen die Do. GmbH und W. Gr. abzutreten. Die Darlehensvaluta, die nicht an ihn bzw. an seine Ehefrau, sondern an den Treuhänder geflossen ist, braucht er der Klägerin nicht zurückzuzahlen. Er kann im Wege des Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595) Rückgewähr der von ihm und seiner Frau auf Grund des Darlehensvertrages an die Klägerin erbrachten Leistungen verlangen, soweit sie aus eigenem Vermögen und nicht aus Erträgnissen des Fonds stammten (Sen.Urt. v. - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1407) und hat außerdem Anspruch auf Rückabtretung der Rechte aus seiner Lebensversicherung.

II. Da nicht festgestellt ist, ob und in welchem Umfang der Beklagte und seine Ehefrau Vermögensvorteile aus der Gesellschaftsbeteiligung erlangt haben, kann der Senat die Sache nicht selbst entscheiden. Das Berufungsgericht wird dem Vortrag der Klägerin nachzugehen haben, der Treuhänder habe dem Beklagten und seiner Frau während der Bauphase 11.282,57 DM Zwischenfinanzierungszinsen zurückgezahlt. Es wird dabei - ggf. nach ergänzender Anhörung der Parteien - klären müssen, in welchem Umfang der Treuhänder Ausschüttungen des Fonds an die Klägerin weitergeleitet hat. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht auch Gelegenheit, nach Maßgabe der Entscheidungen des Senats vom (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1407) zu klären, ob der Beklagte und seine Frau, wie die Klägerin behauptet, in den Genuß von Steuervorteilen gekommen sind, denen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts entgegenstehen.

Vorsorglich weist der Senat für den Fall, daß das Berufungsgericht auch den Widerruf des Darlehensvertrages nach dem Haustürwiderrufsgesetz durch den Beklagten prüfen sollte, auf die Senatsentscheidung vom (II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402) hin.

Fundstelle(n):
JAAAB-98087

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein