BGH Urteil v. - II ZR 37/00

Leitsatz

[1] a) Zur Darlegungslast sowie zum Beweismaß im Rahmen einer Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 BGB.

b) Eine Zwangsversteigerung der streitbefangenen Sache gemäß §§ 817 Abs. 2 ZPO, 90, 55 Abs. 2 ZVG, gegen die der Herausgabekläger nicht als Berechtigter gemäß § 771 ZPO bzw. gemäß § 37 Ziff. 5 ZVG interveniert hat, ist regelmäßig als Veräußerung der streitbefangenen Sache durch ihn anzusehen und eröffnet dem Herausgabebeklagten den Einwand des § 265 Abs. 3 ZPO.

Gesetze: BGB § 1006; ZPO § 265 Abs. 3

Instanzenzug: OLG Celle LG Hannover

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter im Konkurs der G. GmbH in E.. Ihre Rechtsvorgängerin hatte im Juni 1993 eine ursprünglich ihr gehörende Gesenkbiegepresse nebst Zubehör zu der G. Transporttechnik GmbH in L. verbracht, wo die Presse auf ein Betonfundament verschraubt wurde. Im September 1993 verpachtete die G. Transporttechnik GmbH ihren Betrieb in L. "mit sämtlichem dazugehörigen Anlagevermögen" an die G. Fahrzeugwerk L. GmbH. Diese kaufte im August 1995 nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der G. Transporttechnik GmbH von deren Verwalter die ihr überlassenen Pachtgegenstände unter Einschluß der Gesenkbiegepresse nebst Zubehör. Im Juni 1997 wurde auch über ihr Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Beklagte als Verwalter bestellt. Er verpachtete ihr Betriebsvermögen kurzzeitig an eine Auffanggesellschaft und erklärte unter dem gemäß § 9 GesO den "Nichteintritt" in den mit der G. Transporttechnik GmbH abgeschlossenen (noch nicht erfüllten) Kaufvertrag, nachdem deren Betriebsgrundstück im September 1997 im Wege der Zwangsverwaltung beschlagnahmt worden war. Es wurde im November 1999 zwangsversteigert.

Mit seiner im April 1997 eingereichten Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten aus § 985 BGB Herausgabe der angeblich noch in dessen Besitz befindlichen Gesenkbiegepresse nebst Zubehör. Der Beklagte hat u.a. die Aktivlegitimation des Klägers mit der Maßgabe bestritten, daß die (unter der Verwaltung des Klägers stehende) G. GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin die Presse nebst Zubehör im Juni 1993 an die G. Transporttechnik GmbH übereignet habe. Die erstinstanzlich abgewiesene Klage hatte in zweiter Instanz im wesentlichen Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.

Gründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist zwar die Ansicht des Berufungsgerichts, das von dem Kläger beanspruchte Eigentum an der Gesenkbiegepresse sei nicht gemäß §§ 94, 946 BGB durch Verbindung mit dem Grundstück der G. Transporttechnik GmbH auf diese übergegangen, weil dafür die bloße, jederzeit wieder lösbare Verschraubung mit dem Betonfundament nicht ausreiche. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwände.

2. Von Rechtsirrtum beeinflußt ist indessen die Annahme des Berufungsgerichts, es könne auch von einem rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergang auf die G. Transporttechnik GmbH nicht ausgegangen werden.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die G. Transporttechnik GmbH (unmittelbare) Besitzerin der zu ihr verbrachten Maschine nebst Zubehör geworden, weshalb gemäß § 1006 Abs. 1, 2 BGB zu ihren Gunsten zu vermuten ist, daß sie mit dem Besitzerwerb Eigenbesitz und Eigentum erlangt hat (vgl. , WM 1989, 501 m.w.N.). Darauf kann sich auch der Beklagte entsprechend § 1006 Abs. 3 BGB berufen, weil er bzw. die G. Fahrzeugwerk GmbH ihr Besitzrecht von der G. Transporttechnik GmbH aufgrund des Pacht- und des später aufgehobenen Kaufvertrages abgeleitet haben (vgl. , LM Nr. 8 zu § 1006 BGB; RG HRR 1932 Nr. 234; Staudinger/Gursky, BGB 13. Aufl. § 1006 Rdn. 31) und ein späterer Rückerwerb des Klägers ausscheidet. Das wird vom Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt. Es meint jedoch, im vorliegenden Fall sprächen gegen einen beabsichtigten Eigentumsübergang auf die G. Transporttechnik GmbH verschiedene unstreitige Umstände und Indizien, angesichts deren die schlichte Behauptung des Beklagten, die streitigen Gegenstände seien an die G. Transporttechnik GmbH übereignet und in deren Anlagevermögen aufgenommen worden, "nicht die erforderliche Substanz" aufweise. Da er zum Hintergrund der angeblichen Übereignung und zu den zugrundeliegenden Vereinbarungen keine näheren Angaben gemacht habe, sei der von ihm beantragte Zeugenbeweis nicht zu erheben. Das beanstandet die Revision zu Recht als rechts- und verfahrensfehlerhaft.

b) Das Berufungsgericht verkennt offenbar, daß eine gesetzliche Vermutung wie die des § 1006 BGB nur durch den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO) zu voller - freilich gemäß § 286 ZPO auch aus den Gesamtumständen zu gewinnender - Überzeugung des Gerichts widerlegt werden kann und § 1006 BGB den auf Herausgabe verklagten Besitzer im Grundsatz nicht nur der Beweis-, sondern auch der Darlegungslast dafür enthebt, daß und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet (vgl. oben a), mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (vgl. , LM Nr. 16 zu § 1006 BGB m.w.N.; v. - IV ZR 207/92, WM 1994, 425, 426 f.). Inwieweit ihn nach allgemeinen zivilprozeßrechtlichen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast dann trifft, wenn sich der fragliche Eigentumswechsel in seiner Sphäre abgespielt hat (vgl. dazu Baumgärtel, Hdb. d. Beweislast, 2. Aufl. § 1006 Rdn. 25, 27 m.N.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Beklagte steht als Gesamtvollstreckungsverwalter der G. Fahrzeugwerk GmbH nicht in der Sphäre einer der Parteien des fraglichen Eigentumsübergangs von der G. GmbH auf die G. Transporttechnik GmbH. Auf das Fehlen konkreter Darlegungen des Beklagten durfte das Berufungsgericht seine Entscheidung daher nicht stützen. Zumindest hätte es den von dem Beklagten angetretenen Zeugenbeweis für dessen - im übrigen durchaus hinreichend substantiierten - Vortrag erheben müssen. Ohne dessen Erhebung durfte es die von ihm dargelegten Indizien nicht für durchschlagend halten. Des weiteren rügt die Revision zu Recht, daß sich das Berufungsgericht mit den gegenläufigen, in der Berufungserwiderung des Beklagten vorgetragenen Indizien nicht befaßt habe.

c) Da sonach aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen ist, daß die streitbefangenen Gegenstände in das Eigentum der G. Transporttechnik GmbH übergegangen sind und dem Kläger deshalb die Aktivlegitimation für den Anspruch aus § 985 BGB fehlt, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur Nachholung der noch erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

II. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht weiter Gelegenheit, erforderlichenfalls dem von der Revision "vorsorglich" herangezogenen Vortrag des Beklagten nachzugehen, die Zwangsversteigerung des Betriebsgrundstücks der G. Transporttechnik GmbH (im November 1999) habe die streitbefangenen Gegenstände als Grundstückszubehör gemäß §§ 55 Abs. 2, 90 Abs. 2 ZVG miterfaßt, weshalb der Einwand des Wegfalls der etwaigen Sachbefugnis des Klägers gemäß § 265 Abs. 3 ZPO durchgreife. Das Berufungsgericht verkennt zwar nicht, daß als Veräußerung der streitbefangenen Sache auch deren Erwerb durch einen Dritten im Wege der Zwangsvollstreckung gilt (vgl. RGZ 82, 38; BGHZ 86, 337, 339; Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. § 265 Rdn. 5). Einer Grundlage entbehrt aber seine Ansicht, es handele sich hier um eine Veräußerung durch den Beklagten, die gegebenenfalls gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den Prozeß keinen Einfluß hätte und daher in ihm nicht zu berücksichtigen wäre (vgl. dazu RGZ 121, 379; , ZZP 1975, 324, 328; Lüke in MünchKomm./ZPO, 2. Aufl. § 265 Rdn. 91). Der Beklagte war nicht einmal Vollstreckungsschuldner; daß er zu einem etwaigen Eigentumsverlust des Klägers durch die Zwangsversteigerung nach Rechtshängigkeit (§ 292 BGB) beigetragen hat (und deshalb die mit seiner antragsgemäßen Verurteilung verbundene Schadensersatzfolge aus § 283 BGB gerechtfertigt erschiene), ist ebenfalls nicht festgestellt. Regelmäßig ist eine Zwangsversteigerung der streitbefangenen Sache nach § 817 Abs. 2 ZPO oder - wie hier - gemäß §§ 90, 55 Abs. 2 ZVG, gegen die der Herausgabekläger als (angeblich) Berechtigter nicht gemäß § 771 ZPO bzw. nach § 37 Ziff. 5 ZVG interveniert hat, als Veräußerung durch ihn anzusehen und eröffnet dem Beklagten den Einwand des § 265 Abs. 3 ZPO (vgl. Lüke in MünchKomm./ZPO aaO, Rdn. 51; KG OLG-Rspr. 20 [1909], S. 314 zu §§ 90, 55 ZVG). Feststellungen zu § 55 Abs. 2 ZVG sind jedoch bisher nicht getroffen.

Fundstelle(n):
JAAAB-98061

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja