BFH Beschluss v. - III B 37/05

Behebung gesundheitsgefährdender Baumängel als außergewöhnliche Belastung

Leitsatz

Da Baumängel nicht unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Ereignissen wie Hochwasserschäden vergleichbar sind, können auch Aufwendungen zur Behebung gesundheitsgefährdender Baumängel nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden. Das gilt auch, wenn Gewährleistungsansprüche gegen das Bauunternehmen ausgefallen sind. Bei dem Ausfall der Gewährleistungsansprüche handelt es sich nicht um Aufwendungen, da ihnen keine bewusste und gewollte Vermögensverwendung, d. h. Ausgabe in Geld oder Geldeswert, zugrunde liegt.

Gesetze: EStG § 33 Abs. 1; FGO § 68, FGO § 127

Instanzenzug:

Gründe

I. Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ließen ein Gebäude errichten, das sie auch zu eigenen Wohnzwecken nutzten. Infolge von Baumängeln entstanden ihnen Aufwendungen u.a. zur Neuerrichtung des Daches, zur Wiederherstellung des Abwasserkanals und zur Wiederherstellung einer Terrasse, durch die Wasser in die darunter belegene Wohnung eingedrungen war. Gewährleistungsansprüche gegen das Bauunternehmen ließen sich nicht realisieren, da über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden war.

Die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 2000, 2001 und 2003, mit der die Kläger den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung begehrten, wies das Finanzgericht (FG) ab. Es führte aus, bereits die Zwangsläufigkeit des die Aufwendungen auslösenden Ereignisses sei fraglich. Die Kläger seien weder gezwungen gewesen, überhaupt ein Wohngebäude zu errichten, noch die Verträge mit dem insolvent gewordenen Bauunternehmen abzuschließen. Jedenfalls aber seien die Aufwendungen nicht außergewöhnlich. Anders als Wasser- oder Unwetterschäden seien Baumängel nicht unüblich. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage der deutschen Bauwirtschaft komme es auch immer wieder zum insolvenzbedingten Ausfall von Gewährleistungsansprüchen. Die Aufwendungen zur Wiederherstellung der Terrasse beträfen zudem —anders als die Beseitigung der Schäden im Wohnhaus— keinen existentiell wichtigen Bereich.

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde. Die Kläger machen geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Das FG habe sich zur Begründung seiner Auffassung, die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen sei zweifelhaft, zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom III R 33/99 (BFH/NV 2001, 1391) bezogen; diese Entscheidung stütze tatsächlich ihren Standpunkt. Das FG habe sich auch fehlerhaft auf das Senatsurteil vom III R 6/01 (BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240) berufen und dabei unberücksichtigt gelassen, dass die Abdichtung der Terrasse erforderlich gewesen sei, weil in die Lampenauslässe der darunter liegenden Wohnung gelaufenes Wasser die Gesundheit der Bewohnerin gefährdet habe. Das von ihnen zur Begründung der Klage herangezogene Urteil des Hessischen (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1984, 456) sei entgegen der Auffassung des FG einschlägig. Da ein mängelfreies Werk geschuldet gewesen sei und die Nachbesserungsansprüche ausfielen, hätten sie die Herstellung insoweit im Sinne der zitierten Entscheidung „doppelt” bezahlen müssen. Schließlich habe das FG zu Unrecht und lebensfremd aus dem Senatsbeschluss vom III B 135/03 (BFH/NV 2004, 339) gefolgert, dass die Terrasse nicht das Wohnen und damit keinen existentiell wichtigen Bereich betreffe. Hilfsweise werde die Zulassung der Revision auch wegen Abweichung vom BFH-Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 beantragt. Nach dieser Entscheidung könnten Aufwendungen zur Beseitigung einer konkreten Gesundheitsgefährdung als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.

Nach Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde sind aufgrund einer Außenprüfung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 ergangen, gegen die die Kläger wegen anderer Streitpunkte Einspruch eingelegt haben.

II. Das Verfahren wird hinsichtlich der Streitjahre 2000 und 2001 an das FG zurückverwiesen, hinsichtlich des Streitjahres 2003 ist die Beschwerde unbegründet.

1. Das Urteil des FG war noch nicht rechtskräftig, als die Änderungsbescheide ergingen, da die Kläger rechtzeitig die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt haben. Rechtskraft konnte deshalb erst mit der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde eintreten, gleich ob diese als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 1/83, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1984, 591, Neue Juristische Wochenschrift 1984, 1027, sowie , BFH/NV 2000, 1067; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz. 69).

Die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 sind deshalb gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO), der für die Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend gilt, zum Gegenstand des Verfahrens geworden; die Einsprüche der Kläger waren unzulässig (§ 68 Satz 2 FGO). Soweit dem Urteil des FG die nicht mehr existierenden Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 vom zugrunde liegen, kann es aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben und ist in entsprechender Anwendung des § 127 FGO aufzuheben (BFH-Beschlüsse vom XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566, und vom VIII B 97/03, BFH/NV 2005, 899, jeweils m.w.N.).

2. Hinsichtlich des Streitjahres 2003 kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde den Begründungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, denn sie ist insoweit jedenfalls unbegründet, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO); das FG ist insbesondere nicht vom BFH-Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 abgewichen.

a) Die Rechtsprechung zur Abziehbarkeit von Aufwendungen zur Beseitigung von Baumängeln ist weder unklar noch uneinheitlich. Baumängel sind, wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 (unter II. 3. a) ausgeführt hat, keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Ereignissen wie Hochwasserschäden vergleichbar (vgl. weiter , BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104, betreffend Wasserschaden durch Rückstau aus der Drainage); auch Aufwendungen zur Behebung gesundheitsgefährdender Baumängel erlauben deshalb keine Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Kläger haben nicht dargelegt, dass dies in der Rechtsprechung umstritten ist oder das angefochtene Urteil davon abweicht. Das Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 enthält nicht den Rechtssatz, dass Aufwendungen zur Beseitigung einer konkreten Gesundheitsgefährdung stets —ohne Rücksicht auf die Ursache— als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden könnten.

b) Die Beantwortung der Frage, ob die Aufwendungen wegen des Ausfalls der Gewährleistungsansprüche als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können, erfordert ebenfalls keine Entscheidung des BFH, denn sie lässt sich anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung klären: Die Aufwendungen können nicht berücksichtigt werden, weil sie durch die —nicht ungewöhnlichen— Baumängel verursacht sind. Bei dem Ausfall der Gewährleistungsansprüche handelt es sich dagegen nicht um Aufwendungen, da ihnen keine bewusste und gewollte Vermögensverwendung, d.h. Ausgabe in Geld oder Geldeswert, zugrunde liegt (vgl. , BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774; BFH-Beschlüsse vom I B 115/93, BFH/NV 1994, 551, und vom III B 39/04, juris).

c) Eine Zulassung der Revision wegen Abweichung von dem Urteil des Hessischen FG in EFG 1984, 456 scheitert schon daran, dass diesem Urteil kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt (z.B. , BFH/NV 2002, 1046, m.w.N.). Denn der Ausfall der Gewährleistungsansprüche der Kläger lässt sich nicht mit der dem Urteil des Hessischen FG zugrunde liegenden „doppelten” Zahlung der Einkommensteuer durch die dortigen Kläger vergleichen.

d) Die Beschwerdebegründung erschöpft sich danach im Kern in Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen jedoch grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, und vom I B 43/04, BFH/NV 2005, 707).

Solche gravierenden Rechtsfehler haben die Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Sie liegen schon deswegen fern, weil das FG in seiner Entscheidung von den in der Rechtsprechung der FG und des BFH entwickelten Grundsätzen ausgegangen ist und seine tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitfalls schlüssig und nachvollziehbar begründet hat.

e) Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht erforderlich, um zu klären, ob dem Abzug der Aufwendungen für die Reparatur der Terrasse nicht nur entgegensteht, dass sie auf den Baumängeln beruhen, sondern auch, dass die Terrasse nicht zum existentiell wichtigen Bereich gehört. Denn insoweit handelt es sich um eine Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils; dagegen erhobene Einwendungen wären im Beschwerdeverfahren nur dann von Bedeutung, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde zugleich mit Erfolg die Hauptbegründung des FG in Frage gestellt wird (, BFH/NV 2003, 330). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2057 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2006 S. 3789
LAAAB-97191