BAG Urteil v. - 7 AZR 208/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 37 Abs. 4; BetrVG § 78 Satz 2; BGB § 611; BGB § 242; MTV für die Chemische Industrie § 17 Abs. 2

Instanzenzug: ArbG Hamburg 23 Ca 38/03 vom LAG Hamburg 3 Sa 48/03 vom

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Rahmen einer Stufenklage Auskunft über die Höhe des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers L für die Zeit von 1990 bis 2002.

Der Kläger war bei der Beklagten vom bis zum als Bauingenieur und Architekt beschäftigt. Seit bezieht er Altersrente. Nach § 10 des Arbeitsvertrags vom fanden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der Arbeitsordnung der B AG, Hamburg und des Manteltarifvertrags für die Angestellten der Chemischen Industrie in ihrer jeweils letzten Fassung Anwendung, soweit sich aus dem Arbeitsvertrag nichts anderes ergab. § 17 des Manteltarifvertrags für die Chemische Industrie (MTV) bestimmt:

"§ 17 Ausschlussfristen

1. ...

2. Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Das gilt nicht, wenn die Berufung auf die Ausschlussfrist wegen des Vorliegens besonderer Umstände eine unzulässige Rechtsausübung ist.

3. ...

..."

Der Kläger war, ebenso wie die Arbeitnehmer H , Ha und L , außertariflicher Angestellter (AT-Angestellter). Die Erhöhung der Gehälter der AT-Angestellten erfolgt nach den bei der Beklagten bestehenden Betriebsvereinbarungen und den darin niedergelegten Vergütungsgrundsätzen. Dabei werden auch die persönlichen Leistungen der Mitarbeiter berücksichtigt.

Der Kläger war seit 1994 Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats. Mit Schreiben vom bat der Kläger die Beklagte um Überprüfung seiner Gehaltsentwicklung gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG. Am fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, einem weiteren Betriebsratsmitglied und zwei Vertretern der Beklagten statt. Diese sagten dem Kläger zu, die Frage seiner Gehaltsentwicklung zu überprüfen. Seine Gehaltsentwicklung sollte mit derjenigen der Mitarbeiter H , H und L von 1990 bis 2002 verglichen werden, wobei die jeweiligen Jahresgehälter ermittelt und in einer Tabelle zusammengefasst werden sollten. Danach sollte ein erneutes Gespräch stattfinden. In der Folgezeit erstellte die Beklagte die Tabelle nur hinsichtlich der Gehälter des Klägers sowie der Arbeitnehmer H und Ha , nicht jedoch hinsichtlich des Gehalts des Arbeitnehmers L . Mit Schreiben vom lehnte die Beklagte eine Gehaltsanpassung des Klägers ab. Mit Anwaltsschreiben vom machte der Kläger eine Gehaltsnachzahlung für die Jahre 1994 bis 2002 in Höhe von 31.386,67 Euro, basierend auf den Durchschnittsgehältern der Arbeitnehmer Ha , H und L , geltend, wobei er die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L schätzte. Außerdem verlangte er eine entsprechende Berücksichtigung bei der betrieblichen Altersversorgung. Das lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger hat in der am zugestellten Klage die Auffassung vertreten, die Arbeitnehmer H , Ha und L seien mit ihm vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung iSv. § 37 Abs. 4 BetrVG. Sie seien Dipl.-Ingenieure wie er und übten gleichwertige Tätigkeiten aus. Dem Arbeitnehmer L sei zwar inzwischen die Tätigkeit eines Teamleiters übertragen worden. Diese Tätigkeit sei aber nach wie vor mit seiner eigenen vergleichbar. Die Funktion des Teamleiters hätte auch ihm übertragen werden können. Sein Gehalt sei daher entsprechend der durchschnittlichen Gehaltssteigerung der Mitarbeiter Ha , H und L seit 1994 anzupassen. Da ihm die genaue Gehaltshöhe des Arbeitnehmers L nicht bekannt sei, habe er einen Auskunftsanspruch gegenüber der Beklagten, um seine Ausgleichsforderung beziffern zu können.

Der Kläger hat mit der ersten Stufe seiner Klage beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über das Arbeitsentgelt des Mitarbeiters L einschließlich aller Zuwendungen für die Jahre 1990 bis 2002.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, ein Auskunftsanspruch des Klägers bestehe nicht. Er sei mit den Mitarbeitern H , Ha und L nicht vergleichbar, da diese andere Tätigkeiten ausübten als er. Der Kläger sei wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt worden. Bereits im Jahr 1994 hätten erhebliche Unterschiede zwischen den Gehältern des Klägers und der Mitarbeiter H , Ha und L bestanden. Im Übrigen sei ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Gehaltsanpassung nach § 17 Abs. 2 MTV verfallen und zum Großteil auch verjährt.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch Teilurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Auskunftsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Auskunftsantrag nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht offenbleiben, ob der Arbeitnehmer L ein mit dem Kläger vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung iSv. § 37 Abs. 4 BetrVG ist. Sollte dies der Fall sein, könnte das Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf Gehaltsanpassung nur unter Berücksichtigung auch der Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L beurteilt werden. Dazu benötigt der Kläger die mit dem Auskunftsanspruch begehrten Informationen. Ob der Arbeitnehmer L im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger mit diesem vergleichbar war und ob seine weitere berufliche Entwicklung betriebsüblich ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen, da das Landesarbeitsgericht dazu bislang keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Dies ist vom Landesarbeitsgericht nachzuholen. Die Zurückverweisung erübrigt sich nicht deswegen, weil die Vertreter der Beklagten durch die in dem Gespräch vom abgegebenen Erklärungen den Auskunftsanspruch des Klägers anerkannt hätten. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht verneint. Dem Auskunftsanspruch steht auch nicht entgegen, dass etwaige Gehaltsanpassungsansprüche des Klägers zum Großteil nach § 17 Abs. 2 MTV verfallen oder nach den gesetzlichen Vorschriften verjährt sind. Denn die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L kann sich auch auf noch nicht verfallene oder verjährte Ansprüche des Klägers auswirken.

I. Die Beklagte ist nach § 611 BGB iVm. § 242 BGB, § 37 Abs. 4 BetrVG verpflichtet, dem Kläger Auskunft über die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L zu erteilen, wenn dieser ein mit dem Kläger vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung ist.

1. Ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Auskunft über die Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung iSv. § 37 Abs. 4 BetrVG ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Im Arbeitsverhältnis besteht jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Auskunftsanspruch, wenn der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann ( - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 25 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 5, zu I 2 a der Gründe; - 5 AZR 664/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen <zVv.>, zu II 1 b der Gründe). Danach ist grundsätzlich ein Auskunftsanspruch des Betriebsratsmitglieds gegenüber dem Arbeitgeber hinsichtlich der Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gegeben. Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt nach § 37 Abs. 4 Satz 2 BetrVG auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. Da das Betriebsratsmitglied die Höhe des Arbeitsentgelts vergleichbarer Arbeitnehmer in der Regel nicht kennt, kann es das Bestehen eines Anspruchs auf Gehaltsanpassung nur prüfen, wenn es Auskunft über die Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhält. Diese Auskunft kann der Arbeitgeber unschwer erteilen, weil ihm die Gehaltshöhe seiner Arbeitnehmer bekannt ist (so im Ergebnis auch Fitting BetrVG 22. Aufl. § 37 Rn. 128; DKK/Wedde BetrVG 9. Aufl. § 37 Rn. 83).

2. Die Beklagte hat den Auskunftsanspruch des Klägers insoweit erfüllt, als sie ihm die Gehaltsentwicklung der von ihm als vergleichbar angesehenen Arbeitnehmer H und Ha für die Zeit von 1990 bis 2002 mitgeteilt hat. Ob die Beklagte auch verpflichtet ist, dem Kläger Auskunft über die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L in diesem Zeitraum zu erteilen, hängt davon ab, ob dieser bei Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger mit diesem vergleichbar war und seine weitere berufliche Entwicklung der Betriebsüblichkeit entspricht. Dies kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu Gunsten des Klägers unterstellt werden. Ein Auskunftsanspruch besteht zwar nicht, wenn feststeht, dass sich aus der begehrten Auskunft keine Leistungsansprüche ergeben können. Allein auf Grund der Gehaltsentwicklung der Arbeitnehmer H und Ha ist ein Anspruch des Klägers auf Gehaltsanpassung aber nicht auszuschließen, wenn der Arbeitnehmer L in den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer mit einzubeziehen ist.

a) Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden ( - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 54, zu 2 der Gründe; - 7 AZR 550/86 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 61 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 88, zu III 2 der Gründe). Dabei ist nicht auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds abzustellen, sondern auf die Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. § 37 Abs. 4 BetrVG garantiert dem Betriebsratsmitglied allerdings nicht die der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer erhalten. Nach dem Zweck der Vorschrift, das Betriebsratsmitglied vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen, kommt es vielmehr darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist ( - aaO, zu 3 der Gründe). Andernfalls würde das Betriebsratsmitglied wegen seines Amtes begünstigt, was nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässig ist. Das Betriebsratsmitglied hat daher während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Werden die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung seines Gehalts. Fallen die Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich aus, kommt es darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden. Handelt es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lässt sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, kann für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgebend sein, wenn nur auf diese Weise eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds vermieden werden kann.

b) Hiernach kann nicht bereits auf Grund der Gehaltsentwicklung der Arbeitnehmer H und Ha in der Zeit von 1990 bis 2002 ausgeschlossen werden, dass dem Kläger auch bei Berücksichtigung der Gehaltsentwicklung des möglicherweise mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmers L ein Anspruch auf Gehaltsanpassung zusteht.

Sowohl der Kläger als auch die Arbeitnehmer H , Ha und L sind außertariflich vergütete Angestellte und im betrieblichen Gehaltsgefüge in Vergütungsgruppe AT 2 eingestuft. Sie haben stets Gehälter in unterschiedlicher Höhe bezogen und erhalten jährlich Gehaltserhöhungen in unterschiedlichem Umfang, die auch von den jeweiligen individuellen Leistungen abhängig sind. Dementsprechend wurden die Gehälter des Klägers und der Arbeitnehmer H und Ha in der Vergangenheit seit dem Jahr 1990 zum Teil in unterschiedlicher Höhe angehoben. Auch die Gehälter der Arbeitnehmer H und Ha wurden nicht stets im selben Umfang erhöht. Sofern der Arbeitnehmer L ein mit dem Kläger vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung sein sollte, könnte daher nicht allein anhand der Gehaltsentwicklung der Arbeitnehmer H und Ha ermittelt werden, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrheit der Vergleichsgruppe angehoben wurden. Das ließe sich bei der aus drei Personen (H , Ha , L ) bestehenden Vergleichsgruppe nur unter Berücksichtigung auch der Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L beurteilen. Sollte dessen Gehaltsentwicklung in gleicher Weise verlaufen sein wie diejenige des Arbeitnehmers H , bildeten diese beiden Arbeitnehmer den Maßstab für den Gehaltsanpassungsanspruch des Klägers. Sollte die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L gleich verlaufen sein wie diejenige des Arbeitnehmers Ha , käme es für einen Gehaltsanpassungsanspruch des Klägers auf die Gehaltsentwicklung dieser beiden Mitarbeiter an. Sollten die Gehaltserhöhungen des Arbeitnehmers L anders ausgefallen sein als diejenigen der Arbeitnehmer H und Ha , könnte das zur Folge haben, dass sich die Gehaltsentwicklung des Klägers am Durchschnitt der Gehaltserhöhungen aller drei vergleichbaren Arbeitnehmer zu orientieren hat. Deshalb ist zur Beurteilung der Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Gehaltsanpassung zusteht, die Kenntnis der Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L erforderlich, sofern dieser ein mit dem Kläger vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung iSv. § 37 Abs. 4 BetrVG ist.

II. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob der Arbeitnehmer L im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts im Jahre 1994 ein mit dem Kläger vergleichbarer Arbeitnehmer war und ob dessen weitere berufliche Entwicklung betriebsüblich verlaufen ist. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.

1. Nach § 37 Abs. 4 BetrVG sind vergleichbar die Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren ( - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 61 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 88, zu III 2 der Gründe; - 7 AZR 75/91 - NZA 1993, 909, zu II der Gründe; - 7 AZR 194/91 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 84 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 110, zu II 1 a der Gründe). Dabei sind außergewöhnliche Leistungen ebenso zu berücksichtigen wie unterdurchschnittliche Leistungen ( - aaO, zu III 2 b der Gründe mwN).

Betriebsüblich iSv. § 37 Abs. 4 BetrVG ist die Entwicklung, die bei objektiv vergleichbarer Tätigkeit Arbeitnehmer mit vergleichbarer fachlicher und persönlicher Qualifikation bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben ( - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 61 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 88, zu III 3 a der Gründe; - 7 AZR 194/91 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 84 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 110, zu II 1 b bb der Gründe). Die Betriebsüblichkeit in diesem Sinne entsteht auf Grund eines gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer bestimmten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass auf Grund der betrieblichen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit dieser Entwicklung gerechnet werden kann. Der Begriff der Üblichkeit bezeichnet den Normalfall, nicht den Ausnahmefall ( - aaO). Da § 37 Abs. 4 BetrVG das Benachteili- gungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG konkretisiert, darf die Anwendung der Vorschrift auch nicht zu einer Begünstigung des Betriebsratsmitglieds gegenüber anderen Arbeitnehmern führen ( - aaO). Deshalb ist die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nur dann betriebsüblich im Sinne von § 37 Abs. 4 BetrVG, wenn nach den betrieblichen Gepflogenheiten dem Betriebsratsmitglied die höherwertige Tätigkeit hätte übertragen werden müssen oder wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht. Steht lediglich eine derartige Stelle zur Verfügung, besteht ein Anspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG nur dann, wenn diese nach den betrieblichen Auswahlkriterien gerade dem Betriebsratsmitglied hätte übertragen werden müssen ( - aaO, zu II 2 c bb der Gründe).

2. Auf Grund der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob der Arbeitnehmer Lübbe bei Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger im Jahr 1994 mit diesem vergleichbar war und ob er dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer trotz der Übertragung der Tätigkeit eines Teamleiters im Jahr 1996 weiterhin angehört hat.

Für die Vergleichbarkeit des Klägers und des Arbeitnehmers L bei Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger im Jahr 1994 könnte sprechen, dass sowohl der Kläger als auch der Arbeitnehmer L von Beruf Diplom-Ingenieure sind und sie nach Darstellung des Klägers von 1991 bis 1995 die gleichen Tätigkeiten in der sogenannten "Standortbetreuung" ausgeübt haben. Tatsächliche Feststellungen dazu hat das Landesarbeitsgericht allerdings bislang nicht getroffen. Dies ist vom Landesarbeitsgericht nachzuholen. Sofern sich dabei ergeben sollte, dass der Arbeitnehmer Lübbe im Jahr 1994 mit dem Kläger vergleichbar war, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob der Arbeitnehmer L später aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer ausgeschieden ist, weil ihm im Jahr 1996 die Funktion eines Teamleiters übertragen wurde und diese Tätigkeit möglicherweise mit derjenigen des Klägers nicht vergleichbar ist. Dann bestünde ein Auskunftsanspruch nur hinsichtlich der Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L bis zur Übertragung der Funktion eines Teamleiters. Sollte die Tätigkeit eines Teamleiters mit derjenigen des Klägers nicht vergleichbar sein, könnte der Arbeitnehmer L der Vergleichsgruppe dennoch weiterhin angehört haben, wenn die Übertragung dieser Tätigkeit der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer entspricht. Das wäre der Fall, wenn in der Mehrzahl der Fälle vergleichbaren Arbeitnehmern derartige Funktionen übertragen werden. Auch dies ist vom Landesarbeitsgericht aufzuklären.

III. Die Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht konnte nicht deswegen unterbleiben, weil die Beklagte den Auskunftsanspruch des Klägers in dem Gespräch am anerkannt hätte. Ein Anerkenntnis hat die Beklagte nicht abgegeben. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

Nach Darstellung des Klägers wurde bei dem Gespräch eine Einigung darüber erzielt, dass seine Gehaltsentwicklung mit derjenigen der Arbeitnehmer H , Ha und L von 1990 bis 2002 verglichen werden sollte. Diese Übereinkunft hat das Landesarbeitsgericht nicht als rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung der Beklagten im Sinne eines Schuldanerkenntnisses oder der Eingehung einer Verbindlichkeit dahingehend ausgelegt, Auskünfte über die Gehaltsentwicklung der Arbeitnehmer H , Ha und L unabhängig von einer entsprechenden materiell-rechtlichen Verpflichtung zu erteilen, sondern lediglich als Absprache über die weitere Vorgehensweise angesehen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung nichttypischer Erklärungen obliegt dem Gericht der Tatsacheninstanz und ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt, der maßgebliche Tatsachenstoff vollständig verwertet und nicht gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde ( - BAGE 57, 1 = AP BAT § 53 Nr. 2 = EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 1, zu II 2 a der Gründe; - 7 AZR 205/01 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 236 = EzA BGB § 620 Nr. 195, zu I 2 b bb der Gründe; - 7 AZR 9/03 - AP BGB § 133 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 3, zu I 1 a der Gründe). Rechtsfehler dieser Art sind nicht erkennbar und von der Revision nicht aufgezeigt. Aus den vom Kläger dargelegten Erklärungen der Vertreter der Beklagten lässt sich weder entnehmen, dass die Beklagte bereit war, das Gehalt des Klägers unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs. 4 BetrVG an die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L anzupassen, noch, dass die Beklagte dem Kläger Auskünfte über die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L unabhängig davon erteilen wollte, ob sich daraus überhaupt Ansprüche des Klägers auf Gehaltsanpassung ergeben konnten. Dies hat der Kläger auch selbst nicht behauptet. Die Beklagte hat vielmehr auch nach seiner Darstellung lediglich eine Überprüfung etwaiger Ansprüche auf Gehaltsanpassung für die gesamte Zeit seiner Zugehörigkeit zum Betriebsrat zugesagt. In diesem Zusammenhang wurde vereinbart, die Gehaltsentwicklung der Kollegen H , Ha und L von 1990 bis 2002 darzustellen und mit dem Gehalt des Klägers zu vergleichen. Daraus konnte der Kläger nicht entnehmen, dass ihm die Beklagte Auskünfte über das Gehalt des Arbeitsnehmers L unabhängig vom Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung erteilen wollte.

IV. Die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht erübrigte sich auch nicht deswegen, weil ein etwaiger Auskunftsanspruch des Klägers verfallen oder verjährt wäre. Das ist nicht der Fall.

1. Ein möglicherweise bestehender Auskunftsanspruch des Klägers ist nicht nach § 17 Abs. 2 MTV verfallen.

a) Nach § 17 Abs. 2 MTV müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, ansonsten ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Aus § 37 Abs. 4 BetrVG resultierende Ansprüche auf Gehaltsanpassung beruhen auf § 611 BGB und dem Arbeitsvertrag. Es handelt sich daher um Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und nicht um Aufwendungen aus der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied, die nicht unter eine derartige tarifvertragliche Ausschlussfrist fallen (vgl. - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 4, zu III 4 der Gründe).

b) Es kann dahinstehen, ob mögliche Ansprüche des Klägers auf Vergütungsnachzahlung zum Großteil verfallen sind, weil der Kläger die Beklagte erstmals mit Schreiben vom um Überprüfung seiner Gehaltsentwicklung gebeten und mit Schreiben vom Gehaltsnachzahlungsansprüche für die Jahre 1994 bis 2002 geltend gemacht hat. Denn mit dem teilweisen Verfall etwaiger Gehaltsnachzahlungsansprüche ist nicht gleichzeitig der möglicherweise bestehende Auskunftsanspruch hinsichtlich der Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L während der Zeiträume, für die der Kläger mit der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen ausgeschlossen ist, verfallen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

Der Auskunftsanspruch dient zwar der Geltendmachung von Ansprüchen auf Vergütungsnachzahlung nach § 37 Abs. 4 BetrVG. Ein Auskunftsanspruch ist daher nicht gegeben, wenn der Leistungsanspruch, zu dessen Geltendmachung die Auskunft benötigt wird, nicht besteht, zB weil er bereits verfallen ist. Die Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L seit der Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger im Jahr 1994 kann sich jedoch auch auf rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemachte Gehaltsnachzahlungsansprüche des Klägers auswirken, wenn das Gehalt des Klägers wegen der Gehaltsentwicklung des Arbeitnehmers L in der Vergangenheit nach § 37 Abs. 4 BetrVG stärker hätte angehoben werden müssen, als dies tatsächlich geschehen ist. Dann hätte der Kläger für die innerhalb der Ausschlussfrist liegenden Abrechnungszeiträume Anspruch auf entsprechende Gehaltsnachzahlung.

2. Aus diesem Grund ist ein etwaiger Auskunftsanspruch des Klägers auch nicht verjährt. Zwar dürften mögliche Gehaltsnachzahlungsansprüche des Klägers zum größten Teil nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB aF verjährt sein, weil der Kläger seine Ansprüche erst mit der am zugestellten Klage gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht hat. Der Auskunftsanspruch ist aber nicht nur für bereits verjährte Ansprüche von Bedeutung, sondern kann auch für noch nicht verjährte Gehaltsnachzahlungsansprüche erheblich sein.

V. Über die Kosten der Revision hat das Landesarbeitsgericht im Rahmen der erneuten Entscheidung zu befinden.

Fundstelle(n):
VAAAB-94668

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