BAG Urteil v. - 6 AZR 536/01

Leitsatz

[1] Dienstkleidung iSv. § 21 Abs. 2 AVR-Caritas sind solche Kleidungsstücke, die auf Anordnung des Arbeitgebers zur besonderen Kenntlichmachung im dienstlichen Interesse während der Arbeitszeit zu tragen sind. Dieser Zweck kann durch eine Vorgabe hinsichtlich der Farbe und des Materials der während der Arbeit zu tragenden Kleidung erreicht werden.

Gesetze: Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) § 21 Abs. 2; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) § 21 Abs. 3; Bundes-Angestelltentarifvertrag vom § 67 Satz 2; BGB § 618 Abs. 1; BGB § 242

Instanzenzug: ArbG Dortmund 1 Ca 2441/00 vom LAG Hamm 7 Sa 140/01 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger unentgeltlich Dienstkleidung, bestehend aus einer weißen Hose und einem weißen Kasack, zu stellen.

Der Kläger ist seit dem im Krankenhaus der Beklagten als Altenpfleger tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die AVR-Caritas in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. § 21 Abs. 2 AVR-Caritas sieht vor, daß Dienstkleidung vom Dienstgeber unentgeltlich gestellt wird. Soweit das Tragen von Dienstkleidung vorgeschrieben ist, bleibt diese Eigentum des Dienstgebers. Die Reinigung der Dienstkleidung erfolgt gemäß § 21 Abs. 3 AVR-Caritas auf Kosten der Einrichtung.

In Stationsleiterbesprechungen vom 6. Februar und vom gab die Beklagte unter dem Stichwort "Arbeitssicherheit - UVV-Hygienevorschriften" bekannt, daß im Haus weiße Berufskleidung zu tragen ist, die bei mindestens 60° C waschbar sein muß. Untersagt sei deshalb das Tragen von Shirts mit Straßsteinen, großen bunten Emblemen oder "dummen Sprüchen". Schließlich besteht eine Anweisung, nach der Privatkleidung bei der Ausübung des Dienstes nicht getragen werden darf und die Berufskleidung zweimal wöchentlich zu wechseln ist. Das Krankenhaus darf mit dieser Kleidung weder betreten noch verlassen werden. Die entsprechende Kleidung darf auch nicht zu Hause getragen werden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die Anweisungen der Beklagten sei er verpflichtet, Dienstkleidung zu tragen. Diese habe ihm die Beklagte unentgeltlich zu stellen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm unentgeltlich Dienstkleidung zu stellen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, sie habe den Kläger nicht zum Tragen einer Dienstkleidung iSd. AVR-Caritas verpflichtet. Dienstkleidung im Sinne dieser Regelung diene dazu, die Zugehörigkeit der Mitarbeiter zu einer bestimmten Einrichtung nach außen hin durch ein einheitliches Erscheinungsbild zu dokumentieren. Sie hingegen erwarte lediglich das Tragen von Berufskleidung, die aus hygienischer Sicht grundsätzlich weiß, desinfizierbar und kochbar sein müsse. Der Kläger sei in bezug auf Schnitt und allgemeines Design nicht eingeschränkt. Seine Kleidung brauche keinen Schriftzug oder ein bestimmtes Emblem aufzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig; insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 ZPO). Entsprechend der Antragsbegründung begehrt der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm Dienstkleidung bestehend aus Hose und Kasack in weißer Farbe und in einem bis 60° C waschbaren Material zu stellen. Mit diesem Inhalt beschränkt sich der Antrag nicht auf eine bloße Wiedergabe der Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 AVR-Caritas, sondern beschreibt die von der Beklagten verlangte Handlung konkret. Hierfür besteht auch ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO).

2. Die Beklagte ist nach § 21 Abs. 2 AVR-Caritas verpflichtet, dem Kläger unentgeltlich Dienstkleidung, bestehend aus weißer Hose und weißem Kasack, zu stellen.

a) § 21 Abs. 2 AVR-Caritas verwendet den Begriff der Dienstkleidung, ohne ihn selbst näher zu bestimmen. Nach der Rspr. des Bundesarbeitsgericht ist Dienstkleidung diejenige Kleidung, die im betrieblichen Interesse anstelle der individuellen Zivilkleidung zur besonderen Kenntlichmachung zu tragen ist ( - BAGE 89, 26, 30). Das bringt vor allem die Tarifvorschrift des § 67 Satz 2 BAT zum Ausdruck. Danach gelten Kleidungsstücke als Dienstkleidung, wenn sie zur besonderen Kenntlichmachung im dienstlichen Interesse an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden. Diese Funktion wird insbesondere durch das Tragen einer Uniform erfüllt. Ihr wird aber auch genügt, wenn die vorgeschriebene Kleidung sich nur auf ein einheitliches Kleidungsstück, zB eine Mütze, ein Halstuch oder eine Krawatte beschränkt (Ramdohr/Crisolli/Tiedtke Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst Stand Februar 2003 § 67 BAT Rn. 1). Die Verpflichtung zum Tragen der Dienstkleidung ist nach § 67 Satz 2 BAT auf die Dauer der arbeitsvertraglichen Tätigkeit begrenzt. Der Arbeitnehmer bedarf daher einer gesonderten Zustimmung des Arbeitgebers, soweit er die Dienstkleidung außerhalb der Arbeit tragen will (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand Februar 2003 § 67 Rn. 3; Ramdohr/Crisolli/Tiedtke aaO Rn. 3).

b) Die Art von Kleidung, die der Kläger während der Arbeitszeit zu tragen hat, entspricht dem Begriff der "Dienstkleidung" iSv. § 21 Abs. 2 AVR-Caritas. Sie dient der besonderen Kenntlichmachung des von der Beklagten beschäftigten Pflegepersonals während der Arbeit. Das wird durch die strikten Bekleidungsvorgaben zu Farbe und Material erreicht. Die weiße Bekleidungsfarbe hebt das Pflegepersonal aus dem Kreis der sonstigen Personen heraus, die sich in einem Krankenhaus aufhalten. Das wird schon daraus deutlich, daß die von der Anordnung betroffenen Beschäftigten die vorgeschriebene Oberbekleidung in stets gleicher Farbe unabhängig von modischen Einflüssen und jahreszeitlichen Besonderheiten zu tragen haben. Die vorgegebene Farbe bewirkt deshalb nach außen hin ein einheitliches Bild der Pflegekräfte und weist sie Besuchern und Patienten gegenüber als Mitarbeiter der Beklagten aus. Da es den Mitarbeitern untersagt ist, andere Farben oder weiße Shirts mit Straßsteinen, großen bunten Emblemen oder "dummen Sprüchen" zu tragen, wird ihnen weitgehend die Möglichkeit genommen, ihrer Kleidung zur Abgrenzung anderen gegenüber eine eigene, persönliche Note zu geben. Hinzu kommt, daß eine Nutzung als Privatkleidung durch die Beklagte ausgeschlossen ist. Das Krankenhaus darf mit der weißen Kleidung weder betreten noch verlassen werden. Die Kleidung darf zu Hause nicht getragen werden. Damit ist sie zu behandeln, als stünde sie im Eigentum des Arbeitgebers. Wenn auch Form und Schnitt nicht vorgeschrieben sind und auch der Name des beklagten Krankenhauses nicht auf der Kleidung erscheint, so reichen die bestehenden markanten Vorgaben aus, das äußere Erscheinungsbild des Pflegepersonals zu vereinheitlichen und eine nach außen erkennbare Zuordnung zur Einrichtung der Beklagten zu bewirken.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Anordung diene hygienischen Zwecken. Maßgebend sind insoweit nicht die subjektiven Vorstellungen der Beklagten, sondern der mit der Anordnung verfolgte objektive Zweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflußenden betrieblichen Geschehens. Sofern die Vorgaben des Arbeitgebers objektiv mehrere Zwecke verfolgen, wie vorliegend Anforderungen an die Hygiene wie an die Kenntlichmachung des Personals, kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt (vgl. - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 38 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 28, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, im Ausgangsfall). Vorliegend haben die Vorgaben der Beklagten zur Vereinheitlichung der Kleidung eine überschießende Tendenz, die darauf hinweist, daß die Kenntlichmachung der Mitarbeiter im Vordergrund steht. Der Hygiene könnte bereits durch weniger weitreichende Bestimmungen zur Kleidung Genüge getan werden. Hierfür reicht es aus, vom Pflegepersonal das Tragen kochbarer und desinfizierbarer Oberbekleidung zu verlangen. Es muß nicht zwingend weiße Kleidung sein, was bereits daraus ersichtlich wird, daß die Schutzkleidung bei der Beklagten in der Intensivmedizin blau und im OP-Bereich grün ist.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den fraglichen Kleidungsstücken nicht um Arbeits- oder Berufskleidung, deren Anschaffung durch die Vergütung abgegolten ist.

Auf Grund des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer zur Übernahme der darin festgelegten Funktion innerhalb eines fremden Arbeits- oder Lebensbereichs verpflichtet. Er schuldet daher ein Gesamtverhalten, das darauf ausgerichtet ist, nach Maßgabe der von ihm übernommenen Aufgabe die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht zu schädigen und sie im Rahmen des Zumutbaren wahrzunehmen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Arbeitgeber auf Kunden und deren Vorstellungen Rücksicht zu nehmen hat und dazu auf ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild seines Personals angewiesen ist ( - BAGE 89, 26, 30; - 1 ABR 65/88 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 15 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 13; - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14). Danach kann der Arbeitnehmer auch nur in einer seiner Arbeitsaufgabe genügenden Kleidung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung genügen. Die damit verbundenen Aufwendungen obliegen dem Arbeitnehmer. Sie sind durch die Vergütung abgegolten. Bei dieser Kleidung kann der Arbeitnehmer jedoch seinen individuellen Vorstellungen folgen und deren Material und Farbe innerhalb des durch die jeweilige Arbeitsaufgabe vorgegebenen Rahmens selbst bestimmen. Diese Auswahlbefugnis ist dem Kläger nach der Anordnung gerade genommen.

3. Entgegen der Revision ist das Tragen von Dienstkleidung durch die Beklagte auch iSd. § 21 Abs. 2 AVR-Caritas angeordnet worden. Eine Anordnung im Sinne dieser Regelung liegt vor, wenn der Arbeitgeber schriftlich oder mündlich Vorgaben über die Art der Kleidung macht, die seine Beschäftigten während der Arbeit zu tragen haben und deren Einhaltung verlangt. Hierfür ist es unerheblich, ob er eine solche Anordnung als Hygienevorschrift bezeichnet. Entscheidend ist nicht die Benennung einer solchen Aufforderung, sondern ihr Inhalt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 1960 Nr. 37
DB 2003 S. 2013 Nr. 37
KAAAB-94530

1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein