BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 120/03

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 90 Abs. 1; BVerfGG § 93 Abs. 3; BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 93b; BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3; GG Art. 24 Abs. 1

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Politik der Kreditvergabe des Internationalen Währungsfonds gegenüber der Republik Argentinien nach der schweren Finanzkrise des Jahres 2001 und wendet sich insbesondere gegen die Auswirkungen der Kreditbedingungen des Internationalen Währungsfonds auf private Inhaber argentinischer Staatsanleihen.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht nach § 93a Abs. 2 BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, weil ihr angesichts der einschlägigen Senats- und Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrechtsschutz nach erfolgter Übertragung von Hoheitsrechten auf supranationale Organisationen (BVerfGE 89, 155 <175>; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 2001, S. 2705 f.) keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte auch nicht angezeigt ist.

1. Der Beschwerdeführer hat seine Verfassungsbeschwerde zurückgenommen, soweit sich diese gegen Akte des Internationalen Währungsfonds seit dem richtete, die im Zusammenhang mit der Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten stehen.

2. Soweit der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde nicht zurückgenommen hat, ist sie unzulässig.

Teilweise beruht die Unzulässigkeit darauf, dass der Beschwerdeführer die Frist zur Erhebung von Verfassungsbeschwerden nicht eingehalten hat, im Übrigen fehlt es an einem tauglichen Beschwerdegegenstand.

a) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zu dem Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds in der Fassung von 1976 (IWF-Gesetz) vom (BGBl II S. 13 ff.) in seiner Fassung durch das Gesetz zur Vierten Änderung des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds vom (BGBl II S. 799) richtet, ist die gesetzliche Frist nicht gewahrt. Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze sind nach § 93 Abs. 3 BVerfGG innerhalb eines Jahres nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zu erheben. Selbst wenn man das In-Kraft-Treten des Zustimmungsgesetzes zur letzten Änderung des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds vom als fristauslösend ansieht, ist die Verfassungsbeschwerde verfristet. Das Gesetz trat am in Kraft, der Beschwerdeführer hat seine Verfassungsbeschwerde aber erst am und mithin nach Ablauf der Jahresfrist erhoben. Die Frage, ob ein Änderungsgesetz die Frist zur Einlegung von Rechtssatzverfassungsbeschwerden auch für von der Änderung nicht berührte Bestimmungen neu in Kraft setzt, kann folglich dahinstehen.

b) Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde deswegen unzulässig, weil ihr kein tauglicher Beschwerdegegenstand zugrunde liegt. Bei den angegriffenen Akten des Internationalen Währungsfonds im Zusammenhang mit der Gewährung von Fondsmitteln an die Republik Argentinien handelt es sich weder um Hoheitsakte deutscher öffentlicher Gewalt noch um Hoheitsmaßnahmen einer supranationalen Organisation, gegen die die Bundesrepublik Deutschland den Grundrechtsberechtigten verfassungsgerichtlichen Schutz gewähren muss.

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich, dass auch Akte einer nicht-deutschen Hoheitsgewalt die Grundrechtsberechtigten in Deutschland betreffen können und das Bundesverfassungsgericht in diesem Fall die Aufgabe hat, auch gegenüber solchen Rechtsakten Grundrechtsschutz zu gewähren (BVerfGE 89, 155 <175>; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 2001, S. 2705 f.). Dieser Grundsatz, der zunächst in Bezug auf Sekundärrechtsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaft aufgestellt wurde (BVerfGE 89, 155 <175>), ist in der Folge ausdrücklich auf Rechtsakte internationaler Organisationen - im konkreten Fall der Europäischen Patentorganisation - erstreckt worden (Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 2001, S. 2705 f.). Dies gilt aber nur insoweit, als es sich bei den internationalen Organisationen um solche handelt, die Grundrechtsberechtigte betreffen können. Dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn der Organisation, deren Akte mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, auch im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG Hoheitsrechte übertragen worden sind. Das ist daran zu messen, ob der Organisation die Befugnis eingeräumt wird, Maßnahmen mit rechtlicher Durchgriffswirkung auf den Einzelnen zu treffen.

Der Internationale Währungsfonds erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Den Organen des Internationalen Währungsfonds sind seitens der Bundesrepublik Deutschland keine Befugnisse eingeräumt worden, mit Durchgriffswirkung gegenüber den Bürgern der Mitgliedstaaten ausgestattete Sekundärrechtsakte zu setzen. Das Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds weist keine Bestimmungen auf, aus denen entsprechende Befugnisse abgeleitet werden könnten. Die rein tatsächliche Auswirkung von Entscheidungen des Internationalen Währungsfonds auf den Einzelnen ist von einer staatlichen Ermächtigung der Organisation zum unmittelbaren rechtlichen Durchgriff auf grundgesetzlich geschützte Rechtspositionen der Bürger der Mitgliedstaaten strikt zu unterscheiden. Der Beschwerdeführer wird von den Entscheidungen des Internationalen Währungsfonds zur Gewährung von Fondsmitteln an die Republik Argentinien nur mittelbar und lediglich tatsächlich betroffen. Die Entscheidung, fällige Anleihen von privaten Gläubigern nicht zu bedienen, gegen die der Beschwerdeführer sich im Kern wendet, ist eine politische Entscheidung der Schuldnerin, eines souveränen Staates, und keine rechtliche Folge der angegriffenen Akte des Internationalen Währungsfonds.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 2908 Nr. 40
PAAAB-86505