BFH Urteil v. - II R 7/04

Leitsatz

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 146 Abs. 7 BewG in der Weise, dass ein nachgewiesener Verkehrswert nur zur Hälfte als festzustellender Grundbesitzwert angesetzt wird, ist mit dem Wortlaut und Sinn des § 146 BewG unvereinbar und überschreitet die der verfassungskonformen Auslegung gezogenen Grenzen. Über einen etwaigen verfassungsrechtlich erheblichen Eingriff in die Rechte des Steuerpflichtigen durch die Anwendung des § 146 BewG ist erst bei der Festsetzung der Schenkungsteuer/Erbschaftsteuer und nicht schon im Verfahren gegen die Feststellung des Grundbesitzwerts zu entscheiden.

Instanzenzug: EW (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt am von A ein bebautes Grundstück geschenkt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte mit Bescheid vom gemäß § 138 i.V.m. § 146 Abs. 2 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) den Grundstückswert auf den auf 400 000 DM fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin Verfassungswidrigkeit des § 146 BewG geltend machte, hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 967 veröffentlichten Urteil zur Begründung aus, die in §§ 138 ff. BewG geregelte Bedarfsbewertung halte sich innerhalb der von der Verfassung gezogenen Grenzen.

Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß des Ertragswertverfahrens nach § 146 BewG gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die sich aus Kaufpreisuntersuchungen der Finanzverwaltung ergebende Streubreite der festgestellten Bedarfswerte von unter 40 v.H. bis 100 v.H. der Verkehrswerte liege außerhalb des gesetzgeberischen Spielraums der Typisierung und Pauschalierung. Da die Bedarfsbewertung nach dem Willen des Gesetzgebers zu Werten in Höhe von 50 v.H. des Verkehrswerts habe führen sollen, sei der festgestellte Bedarfswert auf den hälftigen Betrag herabzusetzen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen den Grundstückswert auf 210 000 DM (107 371,30 €) herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Aus der Anwendung des § 146 BewG ergibt sich kein Verfassungsverstoß.

1. Zu Unrecht stützt die Revision die behauptete Verfassungswidrigkeit des dem angegriffenen Feststellungsbescheid zugrunde liegenden § 146 BewG auf den (BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598). In diesem Beschluss hat zwar der BFH darauf erkannt, dass das auf einem einheitlichen Faktor von 12,5 beruhende „vereinfachte” Ertragswertverfahren gegen das Gleichbehandlungsgebot verstößt. Die gleichheits- und damit verfassungswidrige Ausgestaltung des § 146 BewG bewirkt aber einen Eingriff in eine eigene Rechtsposition der Klägerin nur insoweit, als der auf dieser Vorschrift beruhende Feststellungsbescheid über den Bedarfswert bei der Festsetzung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer von Bedeutung ist.

a) Die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg (dazu z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655; vom 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502, m.w.N.) verlangt über die verfassungsrechtliche Beurteilung der Bewertungsregelung als solcher hinaus die Berücksichtigung des sich über die Tarifvorschrift des § 19 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ergebenden Belastungserfolgs. Erst über den Tarif können sich die vom Gesetzgeber auf der Ebene der Erfassung und Bewertung angeordneten (verfassungswidrigen) Differenzierungen auswirken und zur gleichheitswidrigen Behandlung von Steuerpflichtigen führen (BFH in BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598).

b) Hiernach ist über einen etwaigen verfassungsrechtlich erheblichen Eingriff in Rechte der Klägerin durch die Anwendung des § 146 BewG erst bei der Festsetzung der Schenkungsteuer und nicht schon im Verfahren gegen die Feststellung des Grundbesitzwerts zu entscheiden (vgl. auch , BFH/NV 2005, 1984).

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin scheidet eine verfassungskonforme Auslegung des § 146 Abs. 7 BewG in der Weise, dass ein nachgewiesener Verkehrswert nur zur Hälfte als festzustellender Grundbesitzwert angesetzt wird, aus. Eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut und Sinn des § 146 BewG unvereinbar und überschreitet die der verfassungskonformen Auslegung gezogenen Grenzen (vgl. z.B. , BVerfGE 8, 28, 34).

3. Anhaltspunkte dafür, dass der angegriffene Bescheid auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 146 BewG beruht, bestehen nicht. Die Klägerin hat den nach § 146 Abs. 7 BewG möglichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts, für den die Nachweislast den Steuerpflichtigen trifft (, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259), nicht erbracht. Die bloße Angabe des Verkehrswerts des übertragenen Grundstücks in der notariellen Schenkungsurkunde reicht zum Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts nicht aus.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1259 Nr. 7
DStRE 2006 S. 809 Nr. 13
HFR 2006 S. 765 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 24/2006 S. 2005
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2006 S. 4
QAAAB-82718