BFH Beschluss v. - V B 79/04

Instanzenzug:

Gründe

I. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war die Projektentwicklung und bauliche Aufbereitung von Grundstücken sowie die schlüsselfertige Errichtung von Gebäuden durch Vergabe von Aufträgen an Dritte (Generalübernehmer). Die Klägerin hatte für die Jahre 1997 und 1998 einen Baubetreuungsauftrag zur Modernisierung, Instandsetzung und dem Dachgeschossausbau eines Wohn- und Geschäftshauses übernommen. Die Wohneinheiten im Dachgeschoss (DG) und zweiten Obergeschoss (OG) waren zum fertig gestellt und übergeben; die Wohnungen wurden unmittelbar im Anschluss hieran bezogen. Die Gewerbeeinheit im ersten OG und das Ladengeschäft im Erdgeschoss (EG) wurden zum fertig gestellt und übergeben; die Schlussrechnung hierüber wurde im Jahr 1999 erteilt.

Mit dem Hinweis darauf, zwischen ihr und dem Auftraggeber sei es nach Erteilung der Schlussrechnung im Jahr 1999 zu Streitigkeiten über die Abnahme und Fertigstellung des Bauvorhabens gekommen, hielt die Klägerin, die ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert, die Voraussetzungen einer Berichtigung der Umsatzsteuer im Jahr 1998 (Streitjahr) für gegeben. Sie machte geltend, der Auftraggeber habe die Auffassung vertreten, eine Abnahme zum habe wegen einiger Baumängel nicht erfolgen können. Bereits während der Bauphase seien Mängel ersichtlich gewesen, die sie, die Klägerin, gegenüber den jeweiligen Subunternehmern angezeigt habe. Sie habe u.a. wegen mangelhafter Bauausführung beim Einbau der Fenster gegenüber dem Subunternehmer nur einen Teilbetrag zur Zahlung freigegeben. Die baulichen Mängel seien zum Zeitpunkt der Übergabe bereits ersichtlich und zwischen „dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer vollkommen unstrittig gewesen”, so dass der Auftraggeber selbstverständlich sein Zurückbehaltungsrecht von Teilbeträgen auf die vereinbarte Vergütung bis zur Mängelbeseitigung geltend gemacht habe. Soweit Mängel beseitigt worden seien, sei der Auftraggeber stets seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen und habe die vereinbarten Teilzahlungen geleistet.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Umsatzsteuer sei auch für den zweiten Teil des Bauvorhabens (Fertigstellung der Gewerbeeinheit im ersten OG und des EG zum ) entstanden, denn das Bauvorhaben sei auch nach den eigenen Angaben der Klägerin vereinbarungsgemäß zum fertig gestellt und übergeben worden. Dass das Bauwerk noch mit kleineren Mängeln behaftet gewesen sei, hindere die Entstehung der Umsatzsteuerschuld in vollem Umfang nicht, da insoweit keine „Teilleistung” i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 vorliege. In Übereinstimmung hiermit habe die Klägerin auch bei Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 1998 im August 2001 ihre Leistungen in vollem Umfang versteuert.

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung hätten im Jahr 1998 noch nicht vorgelegen. Uneinbringlich sei eine Forderung nicht schon dann, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögere, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt werde und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen sei, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf unabsehbare Zeit nicht durchsetzen könne. Diese Voraussetzungen lägen zwar auch vor, wenn und ggf. soweit der Leistungsempfänger das Bestehen der Entgeltforderung selbst oder deren Höhe substantiiert bestreite und damit erkläre, dass er die Forderung (ganz oder teilweise) nicht bezahlen werde (Hinweis auf , BFHE 196, 330, BStBl II 2003, 206). Allein der Umstand, dass die Klägerin in der Bilanz auf den Rückstellungen für Gewährleistungen gebildet habe, bedeute nicht, dass sie tatsächlich nicht zeitnah mit einer Bezahlung ihrer Forderungen habe rechnen können. Aussagefähige Unterlagen dazu, was zwischen ihr, der Klägerin, und ihrem Auftraggeber hinsichtlich der Beseitigung der Mängel und der daraus resultierenden Zahlungen konkret vereinbart worden sei, habe sie nicht vorgelegt. Schriftwechsel zur Mängelbeseitigung und zum Einbehalt von Zahlungen betreffe ausschließlich das Verhältnis der Klägerin zu ihren Subunternehmen, während die Klägerin gleichzeitig ausgeführt habe, dass der Auftraggeber nach Beseitigung der Mängel stets seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei. Hinsichtlich des zweiten Bauabschnitts sei die Zahlung im Jahr 1998 noch gar nicht vorgesehen gewesen, da die Schlussrechnung erst im Jahr 1999 erteilt worden sei. Vor Entstehen der Forderung seien noch keine Anhaltspunkte für deren Uneinbringlichkeit erkennbar.

Hinsichtlich des ersten Teils des Bauvorhabens fehle es an konkreten Anhaltspunkten für die dauernde Zahlungsverweigerung des Auftraggebers.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO kommt grundsätzlich nur wegen einer Rechtsfrage in Betracht, die klärungsbedürftig ist und im Revisionsverfahren geklärt werden kann. In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

2. Die Klägerin meint, die Berichtigungsvorschrift des § 17 UStG könne und müsse als Signal aufgefasst werden, dass der leistende Unternehmer hinsichtlich seiner Vorfinanzierung nicht überstrapaziert werden dürfe; der Begriff der Uneinbringlichkeit für umsatzsteuerrechtliche Zwecke sei weit zu interpretieren. Nur eine kurzfristige Vorfinanzierung sei dem leistenden Unternehmer zuzumuten. Der BFH habe im Urteil in BFHE 196, 330, BStBl II 2003, 206 diese Auffassung bestätigt. Sie, die Klägerin, habe die Mängel ihren Subunternehmern bereits im Kalenderjahr 1999 und 2000 bei den jeweiligen Subunternehmern wirksam unter Berücksichtigung der Gewährleistungsfrist nach VOB/B anzeigen müssen. Diese seien deshalb 1999/2000 bekannt gewesen. Im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen 1998 seien die Sachverhalte bekannt gewesen und hätten deshalb wertaufhellend berücksichtigt werden müssen.

Damit hat die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung der Sache dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; vom I B 151/01, BFH/NV 2003, 60). Die Bedeutung der Sache darf sich dabei nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen (z.B. , BFH/NV 2002, 1350). Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass das vereinbarte Entgelt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich ist, wenn die tatsächliche Vereinnahmung noch nicht endgültig feststeht. Das ist nicht erst dann der Fall, wenn die Forderung auf Zahlung des Entgelts schlechthin keinen Wert mehr hat, sondern auch dann, wenn sie für geraume Zeit nicht durchsetzbar ist, unbeschadet dessen, dass nachträglich noch Zahlungen auf diese Forderung beim Gläubiger eingehen (, BFH/NV 2004, 1122, m.w.N.). Die Klägerin macht lediglich geltend, das FG habe diese Rechtsgrundsätze auf den konkreten Fall unzutreffend umgesetzt. Eine bestimmte Rechtsfrage, die geklärt werden soll, hat die Klägerin nicht bezeichnet.

3. Die Revision ist auch nicht entsprechend dem Beschwerdebegehren der Klägerin zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Klägerin meint insoweit, die Besonderheit des vorliegenden Einzelfalls gebe ihrer Ansicht nach die Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen. Da das Sollprinzip der Umsatzsteuer nicht überstrapaziert werden dürfe, müsse eine Korrektur und damit die Steuerbelastung des leistenden Unternehmens rückgängig gemacht werden, wenn nachhaltig keine Zahlung erfolge. Die Frage über den genauen Zeitpunkt, wann eine derartige Berichtigung vorzunehmen sei, werde von der Finanzverwaltung in Literatur und Rechtsprechung bisher unterschiedlich beantwortet.

Eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts setzt voraus, dass der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (z.B. , BFH/NV 2003, 1590). Hinsichtlich der Darlegung dieses Zulassungsgrunds gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung entwickelten Anforderungen (vgl. , BFH/NV 2005, 2014). In der Beschwerdebegründung muss schlüssig und substantiiert —ggf. unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassungen— dargetan werden, weshalb eine für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 1335). Die Klägerin behauptet lediglich, die Frage des Zeitpunkts der Berichtigung werde bisher unterschiedlich beantwortet, ohne sich mit der Rechtsprechung zu § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auseinander zu setzen, und darzulegen, welch konkrete, entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Streitfall noch klärbar und klärungsbedürftig sei. Dass das FG —nach Auffassung der Klägerin— die höchstrichterlich geklärten Grundsätze zu den Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 17 UStG auf den konkreten Sachverhalt nicht zutreffend angewandt hat, rechtfertigt keine Zulassung der Revision.

Aus dem gleichen Grund kommt auch eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht in Betracht, denn hierfür genügt es nicht zu behaupten, das FG habe Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall fehlerhaft angewendet (vgl. , BFH/NV 2004, 226, m.w.N.), oder vorzutragen, das FG habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, „dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 17 UStG im Veranlagungszeitraum 1998 noch nicht erfüllt” seien.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1166 Nr. 6
YAAAB-81726