BFH Beschluss v. - IV B 144/04

Verfassungswidrigkeit der einkommensteuerlichen Liebhaberei

Gesetze: EStG § 2, EStG § 18;GG Art. 19

Instanzenzug:

Gründe

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden für die Streitjahre (1991 bis 1997) als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Als pensionierter Verwaltungsbeamter machte der Kläger u.a. Verluste aus einer Anwaltstätigkeit geltend, die sich in den Streitjahren auf insgesamt 67 438 DM beliefen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) versagte die Anerkennung dieser Verluste mangels Gewinnerzielungsabsicht und änderte die Einkommensteuerveranlagungen der Kläger auch hinsichtlich ihrer anderen Einkünfte. Da die Kläger ihre die Streitjahre 1992 bis 1997 betreffenden Einsprüche zurückgenommen hatten, bevor ihnen die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben wurde, wies das Finanzgericht (FG) ihre dagegen gerichtete Anfechtungsklage insoweit als unzulässig ab. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 wurde als unbegründet abgewiesen, weil auch der Einzelrichter von einer Liebhabereitätigkeit ausging. Dagegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Kläger geltend machen, das Steuerrecht sei insgesamt verfassungswidrig; auch beruhe die Entscheidung des FG auf verschiedenen Verfahrensmängeln.

Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen.

1. Der Senat versteht die Rüge, das Steuerrecht sei insgesamt verfassungswidrig, als Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Selbst wenn man diese unsubstantiiert erhobene Rüge auf den eigentlichen Streitpunkt der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht bezöge, wäre sie unzulässig. Denn auch die Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm macht es nicht entbehrlich, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage darzulegen (s. nur Senatsbeschluss vom IV B 150/97, BFH/NV 1999, 657, m.w.N.). Dazu muss der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in dem anstehenden Revisionsverfahren auch klärungsfähig ist. Liegen bereits höchstrichterliche Entscheidungen zu dem Problemkreis vor, ist insbesondere auszuführen, welche neuen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage vorgebracht werden, die das zuvor damit befasste Gericht noch nicht geprüft hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschluss vom IV B 95/02, BFH/NV 2004, 949, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung hinsichtlich des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nicht. Zwar ist es nicht schädlich, wenn in der Beschwerdebegründung nicht ausdrücklich behauptet wird, dass die Rechtssache wegen der behaupteten Verfassungswidrigkeit steuerrechtlicher Vorschriften grundsätzliche Bedeutung habe. Die Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil im Stil einer Revisionsbegründung reicht aber ebenso wenig zur ordnungsgemäßen Darlegung aus (Senatsbeschlüsse vom IV B 110/01, juris, sowie vom IV B 206/01, BFH/NV 2003, 1394) wie das Übergehen einschlägiger Entscheidungen zu der aufgeworfenen Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung. Das (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1988, 34) ausgeführt, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur „steuerlichen Liebhaberei” sei verfassungsmäßig unbedenklich und verstoße weder gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen das Gleichheitsgebot. Hierzu enthält die Beschwerdeschrift keinerlei Ausführungen.

2. Die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler sind ebenfalls nicht i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

Die Darlegung eines Verfahrensmangels erfordert die Angabe der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Dazu muss auch dargelegt werden, dass —ausgehend von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG— das angefochtene Urteil ohne den gerügten Verfahrensverstoß anders ausgefallen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 48 f., m.w.N.).

a) Soweit die Kläger vorgetragen haben, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, weil eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe, sondern Schriftsätze an ihre Stelle getreten seien, ist die Rüge unschlüssig erhoben. Wie das FA, haben auch die Kläger selbst mit Schriftsatz vom ausdrücklich auf mündliche Verhandlung verzichtet. Abgesehen davon kann rechtliches Gehör auch im schriftlichen Verfahren gewährt werden (s. z.B. Senatsurteil vom IV R 90/99, BFH/NV 2001, 904, m.w.N.). Dass dies nicht möglich gewesen wäre, haben die Kläger nicht vorgetragen. Auch die Behauptung, es hätten „geheime” mündliche Verhandlungen ohne ihre Beteiligung stattgefunden, haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. Sie haben hierzu weder vorgetragen, wieviele solcher Sitzungen, noch an welchen Tagen diese stattgefunden haben sollen.

b) Auch die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf wirksamen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ist nicht schlüssig erhoben worden. Die §§ 76 Abs. 2, 79 Abs. 1 Satz 1 FGO verpflichten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 19 Abs. 4 GG das Gericht, Rechtsschutz in angemessener Zeit und unter Wahrung der rechtlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten zu gewähren (, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407). Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Dazu ist jedoch nicht nur schlüssig vorzutragen, dass eine frühere Entscheidung für den Beteiligten günstiger hätte ausfallen können, sondern auch, dass und wodurch das Gericht seine Prozessförderungspflicht unter Beeinträchtigung der Interessen des Beteiligten verletzt hat. Die Kläger haben insoweit jedoch mit ihrer Rüge eines Verstoßes gegen das „Verschleppungsverbot” nur Maßnahmen des FA angesprochen. Damit ist kein Verfahrensfehler des Gerichts dargelegt, sondern sind nur solche Fehler angesprochen, die das Verwaltungsverfahren betreffen und die eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht rechtfertigen können.

c) Schließlich entspricht auch die Rüge unzureichender Sachaufklärung nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels. Insoweit haben die Kläger lediglich vorgetragen, der Einzelrichter habe andere tatsächliche Verhältnisse und Beweismittel berücksichtigt, als die, auf die er seine Entscheidung gestützt habe. Eine fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung —so sie denn vorläge— wäre als materiell-rechtlicher Fehler aber kein Mangel, der zur Zulassung der Revision führt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 81 f., m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Auch machen die Kläger nicht geltend, dass das FG einen Beweisantrag übergangen habe (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom IV B 200/02, BFH/NV 2003, 625).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 971 Nr. 5
AAAAB-79648