BFH Beschluss v. - VII B 15/05

Zolltarifliche Einreihung einer Vitaminzusammenstellung

Gesetze: ZK Art. 12 Abs. 1;KN Pos. 2106, KN Pos. 2936

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte im Februar 2003 bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Oberfinanzdirektion —OFD—) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für eine als „Vitamin P” bezeichnete Ware, bei der es sich um eine Mischung bestehend aus vier Komponenten handelt, die sich z.T. ihrerseits aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzen, nämlich

- 42,2 GHT Natriumascorbat (kristallin);

- 27 GHT „beta-Carotene 10% CWS”, das aus 340 mg Saccharose, 315 mg Maisstärke, 150 mg Fischgelatine, 100 mg beta-Carotin kristallin, 40 mg Ascorbyl Palmitate, 40 mg Maisöl und 15 mg DL-alpha-Tocopherol besteht;

- 18,6 GHT Vitamin E 50 % cws/s, das aus 500 mg DL-alpha-Tocopherol, 243 mg modifizierter Lebensmittelstärke, 245 mg Maltodextrin und 10 mg Siliciumdioxid besteht;

- 12,2 GHT Kartoffel-Maltodextrin.

Mit der vZTA DE M/2664/03-1 wurde die Ware als Lebensmittelzubereitung in die Codenummer 2106 9098 45 7006 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht; der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Klage, mit der die Klägerin die Einreihung der Ware als Vitaminmischung in die Pos. 2936 KN begehrt, wies das Finanzgericht (FG) aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2005, 310 veröffentlichten Gründen ab.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2  2. Alternative der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision und erfordert darüber hinaus auch dann eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Hierzu ist der schlüssige Vortrag erforderlich, dass die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig ist, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die betreffende Rechtsfrage zu verhindern (vgl. , BFH/NV 2002, 1479, m.w.N.). Zur Darlegung dieser Voraussetzungen ist es mindestens erforderlich, dass das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch angewandt oder ausgelegt hat, bezeichnet werden (, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).

Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), wonach es für die Tarifierung auf die Beschaffenheit der Ware im Zeitpunkt der Zollabfertigung ankommt. Es ist allerdings nicht erkennbar, inwieweit dieser EuGH-Rechtsprechung Bedeutung für die Entscheidung des Streitfalls zukommt.

Zum einen betreffen die EuGH-Urteile, auf welche die Beschwerde sich beruft, keine vZTA, sondern die Tarifierung von zur Einfuhr abgefertigten Waren. Für die Tarifierung einer Ware, für welche die Erteilung einer vZTA beantragt worden ist, ist die Beschaffenheit der Ware maßgeblich, wie sie sich aus der Warenbeschreibung des Antrags ergibt (Senatsurteil vom VII R 49/04, BFH/NV 2005, 2067). Dass das FG im Streitfall hiervon abgewichen ist, behauptet die Beschwerde nicht und ist auch nicht ersichtlich.

Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerde meint, dass in der fertigen Ware, die Gegenstand der vZTA ist, die zu ihrer Herstellung verwendeten Vormischungen nicht mehr vorhanden seien. Das FG hat zwar die vier Mischungskomponenten untersucht und in diesen Bestandteile gefunden, die nach seiner Ansicht die Einreihung in die Pos. 2936 KN ausschließen. Diese Bestandteile finden sich dann aber zwangsläufig auch in der durch Mischung der vier Komponenten hergestellten fertigen Ware, wenn auch jeweils zu einem verhältnismäßig geringeren Anteil. Auf die Größe des Anteils, den diese beanstandeten Bestandteile an der fertigen Ware haben, kam es aber nach der Entscheidung des FG nicht an.

2. Anders als die Beschwerde meint, lässt sich mit ihrer Behauptung, dass dem FG im Streitfall Fehler von erheblichem Gewicht unterlaufen seien, nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, sondern allenfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begründen. Der neu gefasste Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO erfordert auch dann eine Entscheidung des BFH, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann, weil beispielsweise dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sind, dass sie, würden sie nicht von einem Rechtsmittelgericht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (Senatsbeschluss vom VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798). Um diesen Zulassungsgrund schlüssig darzulegen, reichen aber allein die Hinweise der Beschwerde auf angebliche Rechtsfehler des FG nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 216/01, BFH/NV 2002, 923; , BFH/NV 2005, 2031).

Im Übrigen hat das FG seine Tarifierungsauffassung nachvollziehbar begründet. Zwar mag der Hinweis des FG auf die Anmerkung 1.a zu Kap. 29 KN zur Begründung seiner Entscheidung angreifbar sein (vgl. Anmerkung 1.c zu Kap. 29 KN). Im Ergebnis zutreffend jedoch ist die Ansicht des FG, dass Provitamine, Vitamine und Hormone der Pos. 2936 KN nach deren Wortlaut nur untereinander gemischt, nicht aber mit anderen Bestandteilen —außer mit für ihren Erhalt oder ihren Transport notwendigen Stabilisierungsmitteln (vgl. Anmerkung 1.f zu Kap. 29 KN)— vermischt sein dürfen. Soweit das FG im Hinblick darauf und unter Hinweis auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) 2936 Rz. 06.2 einige Bestandteile der zu tarifierenden Ware beanstandet hat, wendet die Beschwerde ein, dass sich diese Erläuterung ausschließlich auf in Lösemitteln gelöste Erzeugnisse beziehe, was nach dem Wortlaut dieser Erläuterung jedoch nicht zutreffend ist. Schließlich ist auch die Begründung des FG, dass das in der streitigen Ware enthaltene beta-Carotin nach den ErlHS 2936 Rz. 140.0 aus der Pos. 2936 KN ausgeschlossen sei, rechtlich nicht zu beanstanden.

3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt.

Um die grundsätzliche Bedeutung der streitigen Tarifierungsfrage darzulegen, hätte die Beschwerde unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.), ggf. auch unter Vorlage abweichender vZTA aus anderen Mitgliedstaaten, Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen müssen, aus welchen Gründen ihrer abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der Tarifauffassung des Hauptzollamts bzw. des FG zu geben ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 142/01, BFH/NV 2002, 1183). An solchen Darlegungen fehlt es indes. Der Senat wäre daher in einem künftigen Revisionsverfahren nicht gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet, die hier streitige Tarifierungsfrage dem EuGH zu Vorabentscheidung vorzulegen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 847 Nr. 4
BAAAB-77617