BFH Beschluss v. - VIII B 308/04

Entstehen eines Auflösungsverlusts

Gesetze: EStG § 17 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Entstehung eines nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigenden Auflösungsverlusts nach Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG— ) ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2001, 761, m.w.N.). Danach ist der Auflösungsverlust im Fall der Auflösung mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt; dieser Zeitpunkt ist nur ausnahmsweise vorzuverlagern. Geklärt ist insoweit auch, dass ein solcher Ausnahmefall auf der Ebene der Gesellschaft vor dem Abschluss des Liquidationsverfahrens in Betracht kommt, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters oder einer Zwischenrechnungslegung ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 761, unter II.4. der Entscheidungsgründe). Die Rechtsprechung des BFH stellt dabei maßgeblich darauf ab, dass das Fehlen von Aktiva, die auch für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichen würden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen muss (, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551, unter II.3.c dd der Gründe). Erforderlich hierfür sind unstreitige greifbare Anhaltspunkte für eine etwaige Vermögenslosigkeit (BFH-Urteil in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551). Diese Rechtsprechung verfolgt den Zweck, den Zeitpunkt des Entstehens eines Auflösungsverlusts aus Gründen der Rechtssicherheit an objektivierbare Kriterien zu knüpfen, wie sie der Abschluss der Liquidation oder die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse darstellen. Hinzukommen muss, dass auf der Ebene des Gesellschafters keine weiteren wesentlichen Aufwendungen zu erwarten sind.

Danach ist weder die Rechtsfrage klärungsbedürftig, ob bei Insolvenz der Kapitalgesellschaft der Zeitpunkt der Entstehung eines Auflösungsverlusts regelmäßig dem Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation entspricht oder es nur ausnahmsweise möglich oder geboten ist, den Zeitpunkt für die Entstehung des Auflösungsverlusts auf einen früheren Veranlagungszeitraum zu bestimmen. Gleiches gilt hinsichtlich der Kriterien einer derartigen Bestimmung eines früheren Zeitpunkts. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die genannte ständige Rechtsprechung wendet, legt sie nicht in hinreichend substantiierter Weise dar, welche vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG) und/oder der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind (, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, m.w.N.). Insoweit kommt auch eine Rechtsfortbildungsrevision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in Betracht. Die Vernehmung des Insolvenzverwalters als Zeugen führte zu keiner hinreichend objektivierbaren Feststellung im Sinne der genannten Rechtsprechung des BFH, die eine fehlende Konkurseröffnungsbilanz oder Zwischenrechnungslegung ersetzen könnte.

Auch eine Divergenz des finanzgerichtlichen Urteils zum Urteil des BFH in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551 liegt nicht vor. Insoweit kann dahinstehen, ob die Nichtzulassungsbeschwerde diese Divergenz in hinreichend schlüssiger Weise rügt. Jedenfalls hat das FG keinen tragenden und abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von einem tragenden und abstrakten Rechtssatz der behaupteten Divergenzentscheidung abweichen würde (vgl. ständige Rechtsprechung, u.a. , BFH/NV 2004, 80, m.w.N.). Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, das FG sei nicht von der Rechtsprechung des BFH ausgegangen, dass eine Kapitalgesellschaft bereits dann vermögenslos sei, wenn die Aktiva zwar für eine Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, nicht aber für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichten, da es keine Grundlage für die Annahme gehabt habe, dass verteilungsfähiges Vermögen vorhanden gewesen sei, liegt darin die Rüge eines Rechtsanwendungsfehlers, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann (vgl. , BFH/NV 2002, 1040). Soweit sich die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) darauf berufen, dieser Rechtsanwendungsfehler begründe wegen objektiver Willkür die Revisionszulassung, setzte dies voraus, dass das finanzgerichtliche Urteil auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheint (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 189/01, BFH/NV 2003, 1604; vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 115 Rz. 68, m.w.N.). Diese Voraussetzungen haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt. Sie sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

Eine etwaige Divergenz zum (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2004, 1518) ist schon nicht schlüssig dargelegt. Im Übrigen stellt das FG Berlin maßgeblich auf die Möglichkeit eines späteren Insolvenzplanverfahrens ab, welches nach der für den Streitfall geltenden Konkursordnung (KO) noch nicht in Betracht kommt.

2. Auch die geltend gemachte Verletzung von §§ 76, 96 FGO und Art. 103 des Grundgesetzes (GG) liegt nicht vor. Das FG geht von der Rechtsauffassung aus, dass ein Veräußerungsverlust vor Abschluss der Liquidation ausnahmsweise vorliegt, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint. Da im Streitfall nach den Feststellungen des FG eine Konkurseröffnungsbilanz im Veranlagungszeitraum 1998 noch nicht vorlag, hätte die Vernehmung des Insolvenzverwalters als Zeuge eine nach der Rechtsauffassung des FG nicht erforderliche weitere Ermittlung bedeutet. Insoweit zielt die Verfahrensrüge der Kläger in der Sache auf einen materiellen Rechtsanwendungsfehler des FG, der, wie dargelegt, die Revisionszulassung nicht begründen kann. Bei der Prüfung, ob das FG einen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begangen hat, kommt es aber auf den Rechtsstandpunkt des FG an (vgl. z.B. , BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, m.w.N.). Es geht insoweit nicht um einen Verstoß gegen Verfahrensrecht, sondern um die Eingrenzung der abstrakten Anforderungen an die Feststellung des Vorliegens eines Auflösungsverlustes vor Abschluss der Liquidation, insbesondere um das in der unter 1. dargelegten Rechtsprechung des BFH formulierte Erfordernis einer hinreichenden Objektivierbarkeit.

Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, das FG habe das mit dem Eröffnungsantrag verbundene Vermögensverzeichnis, aus dem sich ergebe, dass wesentliches Vermögen der Gesellschaft nicht vorhanden sei, nicht gewürdigt, zielt auch dies auf die sachliche Unrichtigkeit der Rechtsauffassung des FG, dass es auf objektivierbare Feststellungen ankomme. Etwas anderes ist nicht in schlüssiger Weise dargelegt. Jedenfalls hat die Vorlage des Verzeichnisses nicht zur Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse geführt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 539 Nr. 3
OAAAB-75608