BFH Urteil v. - VII R 54/04 BStBl 2006 II S. 348

Geschäftsmäßiger Erwerb von Erstattungsansprüchen

Leitsatz

Allein der Umstand, dass dem FA die Abtretung verschiedener Steuererstattungsansprüche durch mehrere Abtretungsanzeigen jeweils nach der Entstehung des betreffenden Erstattungsanspruchs angezeigt wird, rechtfertigt nicht die Annnahme, dass ein geschäftsmäßiger Forderungserwerb vorliegt.

Gesetze: AO 1977AO 1977 § 46 Abs. 2AO 1977 § 46 Abs. 3AO 1977 § 46 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

I.

Mit insgesamt vier Abtretungsanzeigen, die dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) in der Zeit von Mai 1999 bis August 2001 zugingen, wurde die Abtretung von Erstattungsansprüchen des S aus den Einkommensteuer-Veranlagungen 1997 bis 2000 an die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als Abtretungsempfängerin angezeigt. Mit an die Klägerin gerichtetem Abrechnungsbescheid vom stellte das FA fest, dass der Klägerin die Erstattungsansprüche aus den Veranlagungen für die genannten Jahre nicht zustünden, weil die Abtretungen gegen das Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs von Steuererstattungsansprüchen verstießen und deshalb nichtig seien. Die Klägerin berief sich demgegenüber auf eine von S unter dem unterzeichnete Abtretungserklärung, mit der dieser ihr „zur Sicherheit für private Darlehen mögliche Guthaben aus Einkommensteuererklärungen” abgetreten hatte, und machte geltend, dass insoweit nur eine Abtretung vorliege, was zur Begründung der Geschäftsmäßigkeit nicht ausreiche.

Einspruch und Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Abtretung der künftigen Erstattungsansprüche nicht durch die Abtretungserklärung des S vom bewirkt worden sei, da die Abtretung nicht in der nach § 46 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde angezeigt worden sei. Abzustellen sei daher auf die vier mit dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck angezeigten Abtretungen. Diese verstießen jedoch gegen das Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs von Erstattungsansprüchen nach § 46 Abs. 4 Satz 1 AO 1977, da die Klägerin sich die Erstattungsansprüche des S der Jahre 1997 bis 2000 in regelmäßiger Folge innerhalb eines Zeitraums von etwas mehr als zwei Jahren habe abtreten lassen. Dieses Verbot gelte auch, falls es sich —wie die Klägerin vorgetragen habe— um Sicherungsabtretungen gehandelt haben sollte.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass ein Erstattungsanspruch auch schon vor seiner Entstehung abgetreten werden könne; diese Abtretung sei zunächst schwebend unwirksam und werde mit ihrer Anzeige beim zuständigen FA wirksam. Im Streitfall sei die zunächst noch schwebend unwirksame Abtretung im Jahr 1996 erfolgt, deren Anzeige dagegen in den folgenden Jahren. Es habe sich daher um eine einzige Abtretung gehandelt; der Forderungserwerb sei mithin nicht in Wiederholungsabsicht erfolgt.

Das FA ist der Ansicht, dass die Abtretungsanzeige materielle Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung sei und ihr Fehlen entgegen der Ansicht der Klägerin nicht lediglich zur schwebenden Unwirksamkeit der Abtretung führe. Das FG habe daher zu Recht entschieden, dass die Übertragung der Erstattungsansprüche des S für die Jahre 1997 bis 2000 nicht mit dessen Abtretungserklärung, sondern erst mit dem jeweiligen Eingang der Abtretungsanzeige beim FA erfolgt sei. Beim Eingang mehrerer Abtretungsanzeigen habe das FA im Übrigen, ohne dass weitere Nachforschungen erforderlich würden, nicht die Möglichkeit zu prüfen, ob diese Abtretungsanzeigen nur auf einer einzigen zivilrechtlichen Abtretung beruhten. Auch würden mit der von der Klägerin vertretenen Ansicht Umgehungen des Verbots des geschäftsmäßigen Erwerbs von Steuererstattungsansprüchen begünstigt.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Entscheidung des FG, dass die streitigen Erstattungsansprüche des S nicht wirksam an die Klägerin abgetreten worden seien, weil die Abtretungen gegen das Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs von Erstattungsansprüchen gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 verstießen, wird durch die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen.

Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung nicht zulässig; eine entgegen dieser Vorschrift erklärte Abtretung eines steuerlichen Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs ist nichtig (§ 46 Abs. 5 Halbsatz 2 AO 1977).

1. Im Streitfall kommt es darauf an, ob die Klägerin die Steuererstattungsansprüche des S geschäftsmäßig erworben hat, nicht entscheidend ist dagegen —wie das FG zutreffend erkannt hat—, ob es sich bei der Abtretung der Erstattungsansprüche des S an die Klägerin —wie diese vorgetragen hat— um eine Sicherungsabtretung gehandelt hat, da nach § 46 Abs. 4 Satz 2 und 3 AO 1977 der geschäftsmäßige Erwerb (auch) von zur Sicherung abgetretenen Ansprüchen nur Bankunternehmen gestattet, im Übrigen aber unzulässig ist (ständige Rechtsprechung, , BFHE 144, 526, BStBl II 1986, 124; vom VII R 3/94, BFH/NV 1995, 473).

Geschäftsmäßig i.S. des § 46 Abs. 4 AO 1977 handelt, wer die Tätigkeit (Erwerb von Forderungen) selbständig und mit der Absicht, sie zu wiederholen, ausübt (Senatsurteil in BFHE 144, 526, BStBl II 1986, 124, m.w.N.). Für eine Wiederholungsabsicht im Sinne dieser Auslegung spricht, wenn für den Erwerb von Erstattungsansprüchen organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, wie z.B. das Bereithalten vorformulierter Abtretungserklärungen, die allerdings nicht notwendige Voraussetzung für die Geschäftsmäßigkeit sind. Eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Geschäftsmäßigkeit spielen in der Regel die Zahl der Erwerbsfälle und der Zeitraum ihres Vorkommens. Vereinzelte, nur gelegentlich und anlässlich besonders begründeter Einzelfälle vorgenommene Abtretungen sind nicht als geschäftsmäßig anzusehen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile in BFHE 144, 526, BStBl II 1986, 124, und vom VII R 168/84, BFH/NV 1988, 9). Für die Beurteilung der Geschäftsmäßigkeit des Forderungserwerbs kommt es somit stets auf die Umstände des Einzelfalls an; erforderlich ist insoweit eine Würdigung der festgestellten Tatsachen durch den Tatrichter, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob sie gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstößt (, BFH/NV 1989, 210, und in BFH/NV 1995, 473).

Im Streitfall hat das FG jedoch keine Tatsachen festgestellt, welche die Würdigung, dass der Forderungserwerb durch die Klägerin geschäftsmäßig erfolgt ist, als möglich erscheinen lassen. Das FG hat vielmehr allein aus dem Umstand, dass die Abtretung der Erstattungsansprüche des S aus den Einkommensteuer-Veranlagungen 1997 bis 2000 jeweils gesondert —d.h. viermal— dem FA gemäß § 46 Abs. 2 AO 1977 angezeigt worden ist, gefolgert, dass sich die Klägerin Erstattungsansprüche des S viermal innerhalb eines Zeitraums von etwas mehr als zwei Jahren habe abtreten lassen, und hat deshalb die Geschäftsmäßigkeit des Erwerbs der Forderungen bejaht. Diese Folgerung des FG, wonach vier Abtretungsanzeigen gemäß § 46 Abs. 2 AO 1977 auch vier Abtretungen von Steuererstattungsansprüchen des S an die Klägerin bedeuten, lässt sich jedoch nicht rechtfertigen.

Zwar ist die formgerechte Abtretungsanzeige gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO 1977 materielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs, ohne die eine rechtswirksame Abtretung nicht nur gegenüber dem Steuergläubiger, sondern auch im Verhältnis zwischen Abtretendem und Abtretungsempfänger nicht vorliegt (, BGHZ 70, 75; Senatsurteil vom VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557). Gleichwohl handelt es sich bei diesem Erfordernis, welches für Steuererstattungsansprüche den in § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelten Tatbestand der Forderungsübertragung erweitert, lediglich um die Anzeige der Abtretung, wie bereits der Wortlaut des § 46 Abs. 2 AO 1977 zeigt, nicht aber um die Abtretung selbst. Einer Aufspaltung des Abtretungsvorgangs in ein Verpflichtungsgeschäft einerseits und ein mit dem Eingang der Abtretungsanzeige zustande kommendes Verfügungsgeschäft andererseits, wie es die Revision vertritt, bedarf es insoweit nicht.

Gehen dem FA mehrere Abtretungsanzeigen zu, ist daher nicht der Schluss gerechtfertigt, dass jeder dieser Anzeigen auch ein jeweils anderer Erwerbsfall zu Grunde liegt. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 2 AO 1977 erst nach der Entstehung des abgetretenen Anspruchs erfolgen darf, was aber für die zivilrechtliche Einigung über die Forderungsübertragung nicht gilt. Es ist vielmehr anerkannt, dass die Abtretung auch künftig entstehender Erstattungsansprüche gegen den Steuergläubiger möglich ist, wenn die jeweilige Forderung im Zeitpunkt ihrer Entstehung bestimmbar ist und wenn die Abtretung nach der Entstehung der Forderung angezeigt wird (Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 46 Rz. 8; vgl. auch das Senatsurteil in BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557). Werden somit —wie im Streitfall— künftige Einkommensteuererstattungsansprüche aus verschiedenen Veranlagungszeiträumen abgetreten, so muss —da diese Ansprüche erst nach dem Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums, also zu unterschiedlichen Zeitpunkten, entstehen (vgl. Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 46 Rz. 33, 34)— die Abtretung des Erstattungsanspruchs eines jeden Veranlagungszeitraums nach dessen Ablauf gesondert dem FA angezeigt werden (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 114/89, BFH/NV 1990, 788). Die Abtretung von Erstattungsansprüchen kann daher durch eine einzige zivilrechtliche Einigung vorgenommen, gleichwohl —durch die jeweilige spätere Anzeige— erst in mehreren Teilschritten wirksam werden. Die Annahme, es lägen damit auch mehrere Forderungsabtretungen vor, ist in Fällen dieser Art nicht gerechtfertigt. Die insoweit vom FG und vom FA vertretene Ansicht würde die Abtretung erst künftig entstehender Steuererstattungsansprüche in einer nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gebotenen Weise erschweren, da diese Ansicht bei mehreren späteren Anzeigen dieser Abtretung auch von mehreren Erwerbsfällen ausgeht, so dass —wie ausgeführt— ein unzulässiger geschäftsmäßiger Erwerb in Betracht kommt, obwohl die zivilrechtliche Einigung über die Forderungsabtretung evtl. nur gelegentlich und anlässlich eines besonderen Einzelfalls erfolgt ist.

Der Einwand des FA, dass sich nur auf Grund besonderer Nachforschungen feststellen lasse, ob mehrere Abtretungsanzeigen evtl. nur auf einer einzigen zivilrechtlichen Abtretung beruhen, rechtfertigt keine andere Entscheidung, da —wie ausgeführt— die Beurteilung, ob ein geschäftsmäßiger Erwerb eines Steuererstattungsanspruchs vorliegt, ohnehin eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfordert. Dass sich dem FA diese Beurteilung bereits anhand der Anzahl der Abtretungsanzeigen erschließen soll, lässt sich den gesetzlichen Vorschriften nicht entnehmen. Allein die Würdigung der Umstände des Einzelfalls ermöglicht die Beantwortung der Frage, ob eine vereinzelte Abtretung von Erstattungsansprüchen anlässlich eines besonderen Falles vorliegt oder ob die Forderungen in Wiederholungsabsicht erworben worden sind. Damit kann auch der vom FA befürchteten Gefahr von Umgehungen des Verbots des geschäftsmäßigen Erwerbs von Steuererstattungsansprüchen begegnet werden.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Tatsachen, welche im Streitfall die Beurteilung erlauben, ob die Klägerin die Erstattungsansprüche des S geschäftsmäßig i.S. des § 46 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 erworben hat, hat das FG ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, dass bereits die vier Abtretungsanzeigen die Geschäftsmäßigkeit des Erwerbs belegten, nicht festgestellt. Das Vorbringen der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren und die in Kopie vorgelegte Abtretungserklärung des S vom sprechen zwar dafür, dass sämtliche vier Abtretungsanzeigen auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt zurückzuführen sind, nämlich auf die zwischen der Klägerin und S erzielte Einigung über die Abtretung von Einkommensteuererstattungsansprüchen zur Sicherung der Rückzahlung eines Darlehens, welches die Klägerin S gewährt hatte, so dass es sich danach um eine vereinzelte, anlässlich eines besonders begründeten Falles vorgenommene Abtretung gehandelt haben dürfte. Jedoch hat das FG keine Feststellungen getroffen, ob dieses Vorbringen der Klägerin zutrifft oder ob —wie vom FA geltend gemacht— andere Gesichtspunkte dafür sprechen, dass die Klägerin in Wahrheit Erstattungsansprüche des S in Wiederholungsabsicht erworben hat. Darüber hinaus hat das FG nicht geprüft, ob die Abtretungsanzeigen den Anforderungen des § 46 Abs. 3 AO 1977 entsprachen, und es fehlt schließlich —sollten hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung keine Zweifel bestehen— an Feststellungen des FG zur Höhe der auf die Klägerin übergegangenen Forderungen, so dass sich nicht beurteilen lässt, ob der Klageantrag der Höhe nach begründet ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:



Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 348
BB 2005 S. 1317 Nr. 24
BFH/NV 2005 S. 1173 Nr. 7
BStBl II 2006 S. 348 Nr. 8
DB 2005 S. 1257 Nr. 23
DStRE 2005 S. 777 Nr. 13
GStB 2005 S. 33 Nr. 9
HFR 2005 S. 729 Nr. 8
INF 2005 S. 481 Nr. 13
KFR 2005 S. 323 Nr. 9
KÖSDI 2005 S. 14706 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2007 S. 4741
StB 2005 S. 241 Nr. 7
stak 2005 S. 0 Nr. 15
LAAAB-53930