BFH Urteil v. - VIII R 35/04 BStBl 2008 II S. 737

Ansparrücklage gehört nicht zu den Bezügen eines Kindes

Leitsatz

Erzielt ein Kind Einkünfte aus Gewerbebetrieb und bildet es im Rahmen seiner Gewinnermittlung eine Ansparrücklage gemäß § 7g EStG, so gehört der Betrag der Ansparrücklage jedenfalls nach der im Jahr 1998 geltenden Rechtslage nicht zu den Bezügen des Kindes i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Gesetze: EStG 1998 § 7g Abs. 3 und 6EStG 1998 § 32 Abs. 4 Satz 2

Instanzenzug: (EFG 2004, 346) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter der 1979 geborenen Tochter C. Diese beendete im Juli 1998 ihre Schulausbildung mit dem Abitur und nahm am ein Studium der Rechtswissenschaft auf. Ab Sommer 1998 ging sie außerdem einer gewerblichen Tätigkeit nach.

Im Jahr 1998 erzielte C Einkünfte aus Gewerbebetrieb —die sie gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte— in Höhe von 11 676 DM. Dabei wurde eine Rücklage für die zukünftige Anschaffung und Herstellung von Wirtschaftsgütern (Ansparrücklage) gemäß § 7g Abs. 3 EStG in Höhe von 30 500 DM gemäß § 7g Abs. 6 EStG als Betriebsausgabe berücksichtigt.

Die Klägerin bezog bis einschließlich Oktober 1998 Kindergeld für C. Mit Bescheid vom hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) die Kindergeldfestsetzung für C für das Jahr 1998 auf und forderte das danach für die Monate Januar bis Oktober 1998 zu Unrecht gezahlte Kindergeld zurück. Der Beklagte vertrat dabei die Auffassung, dass der Betrag der Ansparrücklage den Bezügen der C zuzurechnen sei, so dass die Einkünfte und Bezüge der C den für das Jahr 1998 maßgeblichen Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 12 360 DM überschritten.

Einspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 346 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass eine Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG nicht zu den Bezügen eines Kindes gehöre.

Sie beantragt, die Vorentscheidung sowie den angefochtenen Bescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Bescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung, soweit dadurch die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter der Klägerin für das Jahr 1998 aufgehoben wurde (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin die Aufhebung des Kindergeldes für ihre Tochter C nur im Hinblick auf das Jahr 1998 angreift.

2. Der Klägerin steht für das Jahr 1998 Kindergeld für C zu.

a) C war, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, dem Grunde nach während des gesamten Jahres 1998 für das Kindergeld berücksichtigungsfähig, nämlich von Januar bis Juli sowie von Oktober bis Dezember 1998 gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und in den Monaten August und September gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.

b) Der Kindergeldanspruch der Klägerin ist auch nicht wegen der Einkünfte und Bezüge der C zu versagen. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung wird ein volljähriges Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12 360 DM hat. Dieser Jahresgrenzbetrag ist im Streitjahr nicht überschritten.

aa) Der Begriff der Einkünfte i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht nach gefestigter Rechtsprechung der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG (, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566, unter II.1. der Gründe; vom VIII R 76/01, BFHE 199, 116, BStBl II 2002, 525, unter II.2.b bb der Gründe, und VIII R 96/01, BFH/NV 2002, 1027, unter II.2.b der Gründe; vom VIII R 63/00, BFH/NV 2003, 24, unter II.1.a der Gründe; vom VIII R 59/03, BFHE 204, 126, BStBl II 2004, 584, unter II.2.a der Gründe; vom VIII R 27/02, juris, unter II.2.a der Gründe). Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind danach der Gewinn, also gemäß § 4 Abs. 1 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen, bzw. bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Da C ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, sind als Einkünfte gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen.

Der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben betrug im Streitjahr 11 676 DM. Die in Höhe von 30 500 DM gebildete Ansparrücklage wirkte sich dabei gemäß § 7g Abs. 6 EStG als Betriebsausgabe aus. Damit ist der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten.

bb) Den gesetzlichen Regelungen über das Kindergeld sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass dieses Ergebnis zu korrigieren ist.

Eine Korrektur des Ergebnisses der Einkunftsermittlung findet in diesem Fall insbesondere nicht in der Weise statt, dass der Betrag der Ansparrücklage, weil er einer Sonderabschreibung vergleichbar sei, entsprechend der Regelung in R 180e Abs. 2 Nr. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 2002 bzw. in der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) vom , DA 63.4.2.3 Abs. 2 Nr. 18 (BStBl I 2002, 366, 369, 405) als Teil der Bezüge des Kindes anzusetzen ist. Dieser Erwägung der Vorinstanz und des Beklagten ist nach der Rechtsprechung des BFH zum Sparer- und Versorgungsfreibetrag gemäß §§ 20 Abs. 4, 19 Abs. 2 EStG nicht zu folgen (, BFHE 192, 485, BStBl II 2000, 684, unter 2.d der Gründe). Die in der genannten Entscheidung hervorgehobene Unterscheidung zwischen „Einkünften” und „Bezügen” im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG trifft ebenso auf die Ansparrücklage zu, selbst wenn diese einer Sonderabschreibung vergleichbar sein sollte (gl.A. Haferkamp, EFG 2004, 347, 348; vgl. auch Mellinghoff, Finanz-Rundschau —FR— 2000, 1292, für Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen). Die gesetzliche Konzeption lässt nicht erkennen, dass Beträge, die einerseits im Rahmen der Einkunftsermittlung als Aufwand zu berücksichtigen sind, einem Kind andererseits als Bezüge wieder zugerechnet werden könnten.

cc) Die Berücksichtigung der Ansparrücklage als Aufwandsposten im Rahmen der Gewinnermittlung entspricht auch dem mit § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfolgten Zweck, nur solche Einkünfte des Kindes anzurechnen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Die Ansparrücklage soll die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden. Mit Hilfe der Rücklage, die zu einer Steuerstundung führt, sollen Mittel angespart werden können, um dem Unternehmen die Finanzierung von Investitionen zu erleichtern (, BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181; ähnlich , BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182). Nach dem Zweck der Regelung sind die Mittel daher zwar nicht wirtschaftlich gebunden, aber doch in einer solchen Weise „verplant”, dass sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes oder der Berufsausbildung eines Kindes herangezogen werden können.

dd) Der Senat kann offen lassen, wie zu entscheiden wäre, wenn § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung (FamFöG 2) vom (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) bereits im Streitjahr anwendbar wäre. Nach dieser Bestimmung gehören zu den Bezügen auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Abs. 4, 17 Abs. 3 und 18 Abs. 3 EStG, die nach § 19 Abs. 2 und § 20 Abs. 4 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG übersteigen. Sie ist nach Art. 8 Abs. 1 FamFöG 2 aber erst ab dem anwendbar. Es handelt sich bei dieser Gesetzesänderung nicht nur um eine klarstellende Regelung. § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. FamFöG 2 soll vielmehr nach der Gesetzesbegründung die zuvor bestehende Rechtslage ändern (vgl. BTDrucks 14/6160, S. 12).

3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszugs, im Streitfall das FG (vgl. , BFHE 189, 67, BStBl II 1999, 596; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 139 Rz. 32, a.E.).

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 737
BB 2005 S. 34 Nr. 1
BFH/NV 2005 S. 293
BFH/NV 2005 S. 293 Nr. 2
BStBl II 2008 S. 737 Nr. 17
DStRE 2005 S. 145 Nr. 3
FR 2005 S. 506 Nr. 9
HFR 2005 S. 247
INF 2005 S. 87 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2006 S. 1039
StB 2005 S. 83 Nr. 3
XAAAB-40862