BFH Beschluss v. - IV B 23/01

Klagebefugnis bei Anfechtung eines Feststellungsbescheids nach § 15a Abs. 4 EStG

Gesetze: FGO §§ 48, 65; EStG § 15a

Instanzenzug:

Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren (1993 bis 1995) alleiniger Kommanditist der Fa. A-GmbH & Co. KG (KG). Komplementärin der KG war in diesem Zeitraum die Fa. B Beteiligungsgesellschaft mbH (GmbH). Der Kläger war auch alleiniger Gesellschafter der GmbH und bis zum deren alleiniger Geschäftsführer. Am Gewinn der KG waren der Kläger zu 99 v.H. und die GmbH zu 1 v.H. beteiligt.

Im Jahre 1994 begann bei der KG eine Betriebsprüfung, die sich u.a. auf die Gewinnfeststellungen der Jahre 1989 bis 1992 —also die Jahre vor den Streitjahren— bezog und die als Steuerfahndungsprüfung fortgesetzt wurde. Für die Streitjahre erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) zunächst Gewinnfeststellungsbescheide und Bescheide über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Das FA stellte für die Jahre 1993 und 1994 Verluste in Höhe von rd. 2 500 000 DM und rd. 70 000 DM fest, wohingegen die KG für 1993 einen Gewinn in Höhe von 450 000 DM und für 1994 einen Verlust in Höhe von 60 000 DM erklärt hatte. Der vom FA festgestellte Verlust des Jahres 1993 resultierte daraus, dass das FA eine Rückstellung, die die KG in diesem Jahr gewinnerhöhend aufgelöst hatte, aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung bereits im Vorjahr nicht anerkannt hatte. Gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1993 und 1994 sowie gegen die Feststellungsbescheide nach § 15a Abs. 4 EStG für 1993 und 1995 legte die Steuerberatungsgesellschaft der KG in deren Namen Einspruch ein.

In den Jahren 1996 und 1997 fand bei der KG eine Betriebsprüfung für die Jahre 1993 und 1994 statt, die weitgehend die Konsequenzen aus der Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 1989 bis 1992 zog. Der Prüfer erkannte verschiedene Rückstellungen nicht an, erfasste zusätzliche Betriebseinnahmen aus ungeklärten Vermögenszuwächsen sowie nicht erklärte Zinseinnahmen. Ferner war er der Auffassung, dass zahlreiche als Betriebsausgaben behandelte Zahlungen über Umwege dem Kläger zugeflossen seien. Bei anderen Zahlungen waren nach den Feststellungen des Prüfers die Empfänger nicht benannt oder die betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen. Außerdem vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die KG Bauleistungen, die sie für das Ferienhaus des Klägers erbracht habe, zu niedrig berechnet habe. Die streitigen Mehrgewinne setzen sich aus zahlreichen Einzelpunkten zusammen und belaufen sich dem Klageantrag zufolge auf rd. 3,5 Mio. DM. Sonderbetriebseinnahmen des Klägers sind hier nicht im Streit.

Aufgrund der Prüfungsfeststellungen erließ das FA unter dem Datum vom einen (später erneut geänderten) Sammeländerungsbescheid, der die Gewinnfeststellung und die Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG für die Jahre 1993 und 1994 betraf. Die Gewinnerhöhungen rechnete das FA ausschließlich dem Kläger zu. Im Ergebnis stellte das FA letztlich für das Jahr 1993 einen Verlust in Höhe von 766 694 DM und für 1994 einen Verlust in Höhe von 745 721 DM fest.

Auch gegen diesen Bescheid legte die Steuerberatungsgesellschaft der KG für diese Einspruch ein. Die Einsprüche wandten sich zum einen gegen die aufgrund der Prüfung vorgenommenen Gewinnerhöhungen. Hinsichtlich der Feststellungsbescheide nach § 15a Abs. 4 EStG machte die KG geltend, die verrechenbaren Verluste seien mit Tätigkeitsvergütungen und Zinsen zu saldieren. Außerdem erhöhe sich das Kapitalkonto des Klägers dadurch, dass er auf sein Gesellschafterdarlehen gegenüber der KG in Höhe von 2 Mio. DM verzichte.

Mit war über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet worden. Am teilte der Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft dem FA telefonisch mit, dass er trotz Konkurseröffnung noch „in Teilbereichen der Einspruchsverfahren„ der KG tätig sei.

Das FA wies die Einsprüche mit Verwaltungsakten vom zurück. Im Rubrum der Einspruchsentscheidungen, die das FA der Steuerberatungsgesellschaft bekannt gab, wurden nicht nur die KG, sondern auch der Kläger und die GmbH als Einspruchsführer aufgeführt.

Nach Ergehen der Einspruchsentscheidungen ging am beim Finanzgericht (FG) ein Schriftsatz der Steuerberatungsgesellschaft der KG vom gleichen Tage ein, nach dessen Wortlaut diese im Namen und im Auftrag des Klägers Klage gegen die Gewinnfeststellungen der Streitjahre 1993 und 1994 sowie gegen die Feststellungen nach § 15a Abs. 4 EStG für die Jahre 1993 bis 1995 erhob. Der Klage war eine Vollmacht beigefügt, die der Kläger deren Wortlaut zufolge „als Gesellschafter der KG„ erteilt hatte.

Da die Klage zunächst nicht begründet wurde, setzte das FG dem Kläger eine Ausschlussfrist gemäß § 65 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Bezeichnung des Klagegegenstandes. Der Kläger verwies innerhalb der Frist im Wesentlichen auf die in den Einspruchsentscheidungen aufgeführten Streitpunkte.

Im Verlauf des weiteren Verfahrens nahm der Kläger ausführlich zu allen Streitpunkten Stellung und stellte bezifferte Anträge.

In der mündlichen Verhandlung vom beantragte der Kläger zusätzlich „äußerst hilfsweise„, die Einspruchsentscheidungen, soweit sie ihm gegenüber ergangen waren, isoliert aufzuheben. Der Vertreter des FA hob daraufhin die Einspruchsentscheidungen insoweit, als sie dem Kläger gegenüber ergangen waren, auf und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Kläger hat sich dieser Erledigungserklärung nur insoweit angeschlossen, als das FA seinem äußerst hilfsweise gestellten Antrag, die Einspruchsentscheidungen aufzuheben, entsprochen hat.

Die Klage hatte keinen Erfolg, da das FG sie für unzulässig hielt.

Das FG führte aus, die vom Kläger erhobene Klage sei bereits deshalb als unzulässig anzusehen, da in seiner Person ein Vorverfahren gemäß § 44 Abs. 1 FGO nicht stattgefunden habe. Ferner sei die Klage auch deshalb unzulässig, weil der Kläger sein Klageziel nicht innerhalb der ihm nach § 65 Abs. 2 FGO gesetzten Ausschlussfrist ausreichend bezeichnet habe. Der Kläger habe innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist die Beschwer nicht widerspruchsfrei geltend gemacht.

Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt —soweit die Feststellungsbescheide nach § 15a Abs. 4 EStG betroffen sind— zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO). Hinsichtlich der Gewinnfeststellungen 1993 und 1994 ist die Beschwerde jedoch als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger wendet sich auch hier —wie im Paralellverfahren IV B 21/01— dagegen, dass das FG ein Prozessurteil erließ. Wie im Paralellverfahren macht er auch hier u.a. geltend, das FG habe verfahrensfehlerhaft seine Klagebefugnis verneint.

1. Feststellungsbescheide nach § 15a Abs. 4 EStG

a) Für den Rechtsstreit gegen diese Bescheide ist der Kläger klagebefugt. Das folgt aus § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Danach kann jeder Gesellschafter gegen einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Klage erheben, soweit es sich um eine Frage handelt, die ihn persönlich angeht (, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542; vom VIII R 8/99, BFH/NV 2000, 1214; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 48 Rz. 36, m.w.N.). Zu diesen Fragen gehört die Feststellung der verrechenbaren Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG (, BFH/NV 1998, 1363).

b) Der Zulässigkeit der Klage steht insoweit nicht entgegen, dass nicht der Kläger, sondern nur die KG Einspruch gegen die angefochtenen Bescheide eingelegt hatte (s. Gründe des Beschlusses in der Parallelsache IV B 21/01 vom , BFH/NV 2004, 434).

c) Die Zulässigkeit scheitert auch nicht daran, dass der Kläger sein Klagebegehren nicht innerhalb der vom FG gesetzten Ausschlussfrist hinreichend genau bestimmt hätte (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99) ist zur Bezeichnung des Streitgegenstands —jetzt: des Gegenstands des Klagebegehrens— vorzutragen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung liegt, inwiefern also der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Da das Gericht nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf, obliegt es dem Kläger, den Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu bestimmen. Das Gericht muss in die Lage versetzt sein, das Klagebegehren zu ermitteln, um die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen. Wie weit das Klagebegehren im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes, der Steuerart und der Klageart. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt (, BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306, m.w.N.).

Diesem Erfordernis hat der Kläger im Streitfall genügt. Er hat innerhalb der vom FG gesetzten Ausschlussfrist als Prozessziel angegeben, dass die angefochtenen Bescheide nach Maßgabe der ursprünglich eingereichten Erklärungen geändert werden sollten. Wegen der Einzelheiten hat er auf die Einspruchsentscheidungen Bezug genommen, in denen die einzelnen Streitpunkte —gegliedert nach Feststellungen der Steuerfahndung, Einwendungen der KG und Entscheidung des FA im Einspruchsverfahren—, aufgeführt waren. Das FG konnte hieraus mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass die KG alle Streitpunkte des Einspruchsverfahrens mit der Klage weiterverfolgen wollte.

Der Kläger hat zwar innerhalb der Ausschlussfrist nicht dargelegt, weshalb ein Rechtsschutzinteresse für seine Klage bestand, obwohl die ursprünglich eingereichten Gewinnfeststellungserklärungen höhere Besteuerungsgrundlagen auswiesen als die angefochtenen Bescheide. Es geht hier aber um die Bescheide über die Feststellung der verrechenbaren Verluste. Für diese Bescheide entfalten die Gewinnfeststellungsbescheide Bindungswirkung (vgl. z.B. , BFHE 188, 146, BStBl II 1999, 592). Zum Streitgegenstand der Klage gegen die Feststellungsbescheide nach § 15a Abs. 4 EStG gehörten demnach nur die Streitpunkte, die nicht unter die Bindungswirkung fielen. Das waren die Saldierung der verrechenbaren Verluste mit Tätigkeitsvergütungen und Zinsen sowie die Erhöhung des Kapitalkontos durch Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen des Klägers gegenüber der KG in Höhe von 2 Mio. DM.

2. Gewinnfeststellungen 1993 und 1994

Für die Klage gegen diese Bescheide fehlt dem Kläger die Klagebefugnis.

Ebenso wie bei der Klage wegen Gewinnfeststellung 1989 bis 1991 geht der Rechtsstreit nicht darum, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO). Die Beteiligten streiten —was die Gewinnfeststellungen 1993 und 1994 betrifft— auch nicht um Fragen, die den Kläger persönlich betreffen (§ 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO). Für diese Streitjahre hat die Betriebsprüfung keine (zusätzlichen) Sonderbetriebseinnahmen festgestellt oder den Abzug von Sonderbetriebsausgaben verweigert.

Wegen der weiteren Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses in der Parallelsache IV B 21/01 vom heutigen Tag verwiesen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EAAAB-17481