BFH Beschluss v. - V B 21/03

Keine Bindung des FA an seine Rechtsauffassung in anderen Besteuerungszeiträumen

Gesetze: UStG § 16 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1989 bis 1992 zwei Saunaclubs und in den Streitjahren 1993 und 1994 einen derartigen Club. In diesen Einrichtungen bot sie ihren Kunden neben der Nutzung der Sauna und der Lieferung von Getränken auch die Kontaktaufnahme zu Prostituierten, die als Mädchen bezeichnet wurden (im Folgenden: Mädchen), an und stellte ihnen Räume zur Ausübung von Geschlechtsverkehr (sog. Programm) zur Verfügung.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) sah die Saunaclubs der Klägerin nach einer Betriebsprüfung als bordellähnliche Betriebe an und besteuerte eine dem jeweiligen Kunden erbrachte einheitliche Leistung. Das Gesamtentgelt dafür schloss auch die für Geschlechtsverkehr gezahlten Beträge ein.

Gegen die erwähnten Steueränderungsbescheide für 1989 bis 1994 und die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer 1989 bis 1992 machte die Klägerin mit Einspruch und Klage erfolglos geltend, ihr könnten die Entgelte für Geschlechtsverkehr nicht zugerechnet werden, weil ein Leistungsaustausch insoweit nur zwischen den Kunden und den Mädchen stattgefunden habe.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Klägerin habe ihren Kunden Leistungen durch Verschaffung der Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr in bordellartigen Betrieben angeboten. Das FG hatte durch Beweisaufnahme festgestellt, dass in den Clubs täglich zwischen drei bis zwölf Mädchen anwesend gewesen waren und dass —wie die Klägerin selbst erklärt hatte— in den Jahren 1989 bis 1992 insgesamt 500 Mädchen ihre Dienste in den Clubräumen angeboten hatten. Zudem waren in den Clubs besondere Räume und Einrichtungen zur Ausübung von Geschlechtsverkehr vorhanden. Die Klägerin habe auch nicht nachweisen können, dass die Kunden darüber unmittelbar mit den Mädchen abgerechnet hatten.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision aus den in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichneten Gründen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keine die Zulassung der Revision rechtfertigende Gründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO) dargelegt.

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).

Die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen sind geklärt.

a) Es ist geklärt, dass der auch für die Umsatzsteuer gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1991/1993 (UStG) maßgebende Grundsatz der Abschnittsbesteuerung das FA nicht an eine in anderen Besteuerungszeiträumen vertretene Rechtsauffassung bindet, wenn sie für den streitigen Besteuerungszeitraum als nicht rechtmäßig angesehen wird (vgl. z.B. , BFH/NV 2001, 774, m.w.N.).

b) Ebenso wenig klärungsbedürftig ist, dass ein FG Vorschriften des Grundgesetzes (GG) beachten muss und bei seiner Entscheidung nicht gegen einschlägiges Gemeinschaftsrecht verstoßen darf. Ob eine mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene Entscheidung derartige Rechtsverstöße enthält, ist eine Frage der zutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall und einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist deswegen nicht gegeben.

2. Eine Zulassung kommt auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht.

a) Der Streitfall bietet keinen Anlass zur Rechtsfortbildung.

Die umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze für die Zurechnung von Umsätzen, um die es nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt im Streitfall geht, sind geklärt. So ist geklärt, dass die Frage, ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, grundsätzlich davon abhängt, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger bei Ausführung der Leistung im eigenen Namen oder —berechtigterweise— im Namen eines anderen aufgetreten ist (vgl. , BFHE 199, 85, BFH/NV 2002, 1407; Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2002, 522).

b) Soweit mit der Beschwerde die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Abweichung (Divergenz) von anderen Entscheidung des BFH erstrebt wird, ist sie unzulässig.

Die Klägerin hat keinen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus den genannten Vergleichsentscheidungen des BFH bezeichnet. Nur wenn auf diese Weise unvereinbare abstrakte Rechtssätze bezeichnet werden, ist die Beschwerde wegen Divergenz zulässig (vgl. , BFH/NV 2003, 521). Die Klägerin hat lediglich dargelegt, die Entscheidung des FG sei unrichtig, denn es hätte nach den erwähnten Entscheidungen zu einer anderen Beurteilung kommen müssen. Damit wendet sich die Klägerin gegen die Würdigung des FG, stellt aber keine unvereinbaren abstrakten Rechtssätze gegenüber.

Die Beschwerde enthält auch keine anderen geeigneten Darlegungen, nach denen die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Leitentscheidung erforderlich ist, um eine ständige Fehlerpraxis zu verhindern oder um einen Rechtsfehler zu beheben, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beeinträchtigen.

3. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen Verfahrensmangels zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

a) Soweit die Klägerin Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 Abs. 1 FGO) rügt, ergibt ihr Vortrag nicht, welche Tatsachenaufklärung das FG nach dessen maßgebender sachlich rechtlichen Beurteilung unterlassen hat. Das FG hat nachvollziehbar begründet, dass die Klägerin ihren Kunden die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr verschafft hat. Dies hat das FG aus dem Vorbringen der Klägerin geschlossen, dass in den Streitjahren rd. 500 dazu bereite Mädchen in den Clubs anwesend waren. Es hat durch Zeugenaussagen ermittelt, dass die Klägerin in den Clubs Räume zur Ausübung von Geschlechtsverkehr und Hilfsmittel dafür bereitgestellt hatte, dass die Kunden diese Gelegenheiten nutzten und dafür einen Geldbetrag an Mitarbeiter der Klägerin bezahlten, der die „Zimmermiete und das Programm„ umfasste.

Das Vorbringen in der Beschwerde greift nur die Würdigung der Tatsachen durch das FG an, wenn es auf widersprüchliche Zeugenaussagen, auf fehlende Akten oder auf Feststellungen ohne Prüfungsauftrag hinweist. Es fehlt die Bezeichnung konkreter Tatsachen, die das FG, wenn es sie ermittelt hätte, zu einer anderen Beurteilung hätte veranlassen können. Die Klägerin hat nach den vom FG durchgeführten Beweisaufnahmen am und am keine weiteren Beweisanträge gestellt und in dem Schriftsatz, in dem sie auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet hat, keine weitere Sachverhaltsaufklärung angeregt, sondern nur auf ihre Würdigung der ermittelten Tatsachen hingewiesen. Allgemeine Angriffe gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung begründen jedoch keine Zulassung der Revision (, BFH/NV 2002, 748).

b) Die Revision ist auch nicht wegen Versagung des rechtlichen Gehörs zuzulassen. Die Klägerin rügt pauschal, das FG habe ihre Sachverhaltsdarstellung ignoriert, nur verkürzt wiedergegeben und habe entscheidungserhebliche Punkte nicht berücksichtigt. Die Klägerin bezeichnet in der Beschwerdebegründung aber nicht, welchen Sachvortrag das FG konkret nicht zur Kenntnis genommen hat, und welchen Einfluss dies auf dessen Entscheidung gehabt hätte.

Im Kern ihres Vorbringens wendet sich die Klägerin lediglich gegen die Würdigung des Tatsachenstoffs durch das FG, dass sie Umsätze durch die Verschaffung der Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr erbracht hatte.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 380
BFH/NV 2004 S. 380 Nr. 3
RAAAB-14649