BFH Beschluss v. - VII B 119/01

Fehlender Anspruch auf Akteneinsicht im außergerichtlichen Besteuerungsverfahren

Gesetze: AO § 91

Instanzenzug:

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Einsicht in die Ermittlungsakten der Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) während eines Steuerermittlungsverfahrens nach § 85 i.V.m. § 208 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977).

I.

Das FA hat gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf der Grundlage von Kontrollmitteilungen ein Steuerermittlungsverfahren gemäß §§ 85, 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 angeordnet, in dessen Verlauf der Bevollmächtigte des Klägers um die Gewährung von Akteneinsicht in die Ermittlungsakten —insbesondere das sog. „Fallheft„ der Steuerfahndungsstelle— gebeten hat. Das FA lehnte die begehrte Akteneinsicht während des noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens ab. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt, ein gesetzlich geregelter Anspruch auf Akteneinsicht bestehe nach der AO 1977 im außergerichtlichen Steuerverfahren nicht. Ein Akteneinsichtsrecht lasse sich aus § 91 AO 1977 i.V.m. Nr. 4 des dazu ergangenen Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) ebenso wenig ableiten wie aus den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder, denen die Regelungen der AO 1977 als spezielle und abschließende Regelungen des Datenschutzes für das steuerliche Verwaltungsverfahren vorgingen. Es bestehe lediglich ein auf § 91 AO 1977 i.V.m. Nr. 4 AEAO beruhender Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die vom FG nur in den Grenzen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nachprüfbar sei. Die vom FG im Rahmen seiner Ermessensausübung vorgenommene Abwägung der Interessen der Beteiligten an vollständiger Akteneinsicht einerseits und einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren der Steuerfahndung als Voraussetzung einer zutreffenden und gleichmäßigen Besteuerung andererseits habe ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis geführt, dass in dem seinerzeitigen Verfahrensstadium ein unbeschränktes Recht des Klägers auf Einsicht in die Ermittlungsakten der Steuerfahndung nicht bestanden habe. Insbesondere liege kein Ermessensfehler darin, dass eine gleichlautende Entscheidung der Behörde in einem anderen materiell-rechtlich im Wesentlichen deckungsgleichen Fall ergangen sei.

Da nach Auskunft der Beteiligten inzwischen ein Strafverfahren gegen den Kläger eröffnet worden sei, bestehe möglicherweise ein Akteneinsichtsanspruch nach § 147 der Strafprozessordnung (StPO), der jedoch vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen sei.

Auch der zu einem anderen Sachverhalt —nämlich der Vollstreckung eines bereits gerichtlich festgestellten Anspruchs auf Akteneinsicht— ergangene (BFHE 192, 8, BStBl II 2000, 541) stütze das Begehren des Klägers nicht.

Über die am Terminstag vom Kläger gestellten Beweisanträge sei verhandelt worden. Zum Beweisantrag Nr. 1 sei der Beschluss des BFH in BFHE 192, 8, BStBl II 2000, 541 auszugsweise verlesen worden. Zu Beweisantrag Nr. 2 hätten die Prozessbevollmächtigten des Klägers wechselseitig Auszüge aus den Einspruchsentscheidungen der Parallelfälle vorgelesen. Damit sei diesem Beweisantrag nach eigenem Bekunden voll Rechnung getragen worden. Das Beweisthema Nr. 3, dass ein Fallheft der Steuerfahndung existiere, in das der Kläger bzw. der Klägervertreter keine Einsicht erhalten hätte, ist vom Gericht als wahr unterstellt worden. Dem Beweisantrag Nr. 4 wurde wiederum durch Verlesung unterschiedlicher Textstellen aus den Einspruchsentscheidungen in den Parallelfällen entsprochen. Der Beweisantrag Nr. 5 beziehe sich auf die Akteneinsicht während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, dessen Rechtsgrundlage § 147 StPO sei. Dieses Begehren könne nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sein.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, das Vorliegen einer Divergenz sowie auf Verfahrensverstöße.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie leidet zum einen an Darlegungsmängeln i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, zum anderen ist sie unbegründet.

1. Unbeschadet dessen, dass der Kläger die von ihm behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gemessen an den nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO zu beachtenden Anforderungen nur unzureichend dargelegt hat, ist diese auch nicht gegeben. Der Kläger hat eine Rechtsfrage formuliert und hierzu einzelne in der Literatur und von einigen Instanzgerichten vertretene Rechtsauffassungen benannt, ohne sich, wie dies für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und einer (weiteren) Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage notwendig gewesen wäre, mit den zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen des BFH auseinander zu setzen (vgl. zu den Darlegungserfordernissen BFH-Beschlüsse vom I B 110/01, BFH/NV 2002, 1462, und vom VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463, m.w.N.; s. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 33).

2. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob es nur in Ausnahmefällen und nur nach AEAO zu § 91 und zu § 364 AO 1977 einen Anspruch auf zumindest fehlerfreie Ermessensentscheidung über das Akteneinsichtsgesuch im Besteuerungsverfahren gibt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen bejaht worden ist.

a) Der BFH hat in einigen zur Frage der Gewährung von Akteneinsicht im steuerlichen Verwaltungsverfahren vor den Finanzbehörden ergangenen Entscheidungen ausdrücklich festgestellt, dass die AO 1977 —anders als andere Verfahrensordnungen wie z.B. § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und § 147 StPO— für das Verwaltungsverfahren einen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrens- und Ermittlungsakten nicht vorsieht. Er hat auch geklärt, dass ein solches Einsichtsrecht weder aus § 91 Abs. 1 AO 1977 und dem hierzu ergangenen AEAO der Verwaltung Nr. 4 noch aus § 364 AO 1977 und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten sei. Gleichwohl geht der BFH in ständiger Rechtsprechung —ebenso wie die Finanzverwaltung in Nr. 4 AEAO zu § 91 AO 1977— davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zusteht, weil die Behörde nicht gehindert sei, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (BFH in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urteile vom VI 349/63 U, BFHE 83, 490, BStBl III 1965, 675, 676; vom VII R 25/82, BFHE 143, 503, BStBl II 1985, 571; vom VII R 88/92, BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552, und BFH-Beschlüsse vom VIII B 121/92, BFH/NV 1994, 311; vom VI B 91/94, BFH/NV 1995, 1004, und vom IX B 168/94, BFH/NV 1996, 64).

Anders als der Kläger meint, hat sich der BFH auch mehrfach mit den Kriterien einer pflichtgemäßen Ermessensausübung durch die Behörde bei der Entscheidung über ein Gesuch um Gewährung von Akteneinsicht befasst. Das Gericht hat die behördliche Entscheidung jedoch nur daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, die Grenzen ihres Ermessens überschritten oder dieses Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise ausgeübt hat (§ 102 FGO). Der BFH sieht den Anspruch des Einsichtsuchenden auf fehlerfreie Ermessensentscheidung als gewahrt an, wenn das FA im Rahmen einer Interessenabwägung dessen Belange und die der Behörde gegeneinander abgewogen hat (vgl. BFH in BFH/NV 1996, 64, 65, und in BFHE 143, 503, BStBl II 1985, 571).

Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass die Finanzbehörde den Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Ermessensentscheidung durch die Abwägung der beiderseitigen Interessen erfüllt hat. Einer weiteren rechtlichen Klärung wäre die vom Kläger formulierte Rechtsfrage nicht zugänglich. Insbesondere könnte der BFH die vom Kläger offensichtlich angestrebte Entscheidung, dass die Behörde das ihr zustehende Ermessen in einer ganz bestimmten Weise, nämlich der Zuerkennung des Einsichtsrechts in das Fallheft der Steuerfahndung, hätte ausüben müssen, nicht treffen, weil für diese Entscheidung —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— die Interessenlage im Einzelfall zu beurteilen ist und der BFH als Rechtsmittelgericht bei der Revision auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorentscheidung beschränkt ist (vgl. , BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475, 477). Im Übrigen fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass das Ermessen bei Anträgen auf Einsichtgewährung in die Verfahrensakten nur in einer ganz bestimmten Weise ausgeübt werden dürfte bzw. dass dieses auf „Null„ reduziert wäre.

Die vom BFH vertretene Rechtsauffassung steht auch im Einklang mit der in AEAO Nr. 4 zu § 91 AO 1977 zum Ausdruck gekommenen Auffassung und Handhabung des Akteneinsichtsrechts durch die Verwaltung, mit der weitaus überwiegenden Rechtsprechung der FG (vgl. , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1990, 503; , EFG 1991, 625; , EFG 2003, 499) und mit der überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 91 AO 1977 Rz. 12, 14; Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 91 AO 1977 Rz. 24 f.; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 91 Rz. 4; Carl/Klos, Akteneinsicht im Steuerstreit, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 1994, 488; Dißars, Das Recht der Beteiligten auf Akteneinsicht im Steuerrecht, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1997, 481; weitergehend aber Stöcker, Verfassungswidriges Versagen der Akteneinsicht, Der AO-Steuerberater 2002, 161; Burkhard, Die Ablehnungspraxis der Finanzämter bei Akteneinsichtsgesuchen im Steuerstrafverfahren, Inf 2001, 168 ff.).

b) Allerdings kann auch eine durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits entschiedene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sein, wenn z.B. neue gewichtige Argumente gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragen werden, die das Gericht bisher nicht erwogen hat (, BFHE 180, 450, BStBl II 1997, 82, und Senatsbeschluss vom VII B 163/00, BFH/NV 2001, 917, 918). Die vom Kläger vorgetragenen und von seinem Prozessvertreter im Schrifttum (vgl. dazu Burkhard, Inf 2001, 168 ff., und Probleme mit dem Akteneinsichtsrecht in Steuerstrafverfahren, Deutsches Steuerrecht 2002, 1794) geäußerten Argumente zur Gewährung einer frühestmöglichen Akteneinsicht für den Steuerstrafverteidiger in Steuerstrafsachen enthalten jedoch keine Gesichtspunkte, die der BFH oder zuvor bereits der Gesetzgeber nicht in seine Überlegungen einbezogen hätte. Das gilt auch für die nach Auffassung des Klägers vom BFH klarzustellende Frage, inwieweit die Tatsache, dass die AO 1977 ein dem § 29 VwVfG vergleichbares Akteneinsichtsrecht nicht enthält, als Abwägungskriterium für die Ermessensentscheidung heranzuziehen ist.

Maßgebend für die Art und Weise der Ermessensanwendung ist im Falle eines geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Akteneinsicht im steuerlichen Verwaltungsverfahren der vom Gesetzgeber gesteckte Ermessensrahmen. Dieser ist durch das Fehlen eines Anspruchs auf Akteneinsicht in der AO 1977 so gezogen worden, dass die Einsichtnahme in die Akten während des laufenden Verwaltungs- oder Steuerermittlungsverfahrens lediglich eine in Anwendung des § 91 oder des § 364 AO 1977 zu gewährende Ausnahme sein soll. Dem entspricht die Gesetzesbegründung des Finanzausschusses in BTDrucks 7/4292, S. 24, 25. Der Gesetzgeber hat dort ausdrücklich ein dem zeitgleich mit der AO 1977 in Kraft getretenen § 29 VwVfG entsprechendes allgemeines Akteneinsichtsrecht im Steuerverwaltungsverfahren für nicht praktikabel gehalten. Diesem stünden Gesichtspunkte des Schutzes Dritter und das Ermittlungsinteresse der Finanzbehörden sowie der Verwaltungsaufwand der Finanzbehörde, die vor jeder Akteneinsicht zu prüfen hätte, ob ein Geheimhaltungsinteresse Dritter beeinträchtigt sein könnte, und dann ggf. das gesamte Kontrollmaterial, behördeninterne Vermerke, Anweisungen und Ähnliches aus den Akten zu entfernen hätte, entgegen. Diese Überlegungen gelten auch heute noch. Denn der Gesetzgeber hat in Kenntnis des dem Bürger im rechtsstaatlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zustehenden Rechts auf Gehör (Art. 103 des GrundgesetzesGG—) und auf ein faires Verfahren, sowie dessen Recht, sich zu dem Sachverhalt und der Rechtslage zu äußern, bestimmte Verfahrensanträge zu stellen und Ausführungen zur Sache zu machen (vgl. grundlegend dazu Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom   2 BvR 731/80, BVerfGE 64, 135, 143 für das Strafverfahren), und in Kenntnis der Regelungen zugunsten eines frühzeitigen Akteneinsichtsrechts in anderen Verfahrensordnungen auch in späteren Gesetzesberatungen bis heute davon abgesehen, einen Anspruch auf Einsicht in die Verwaltungsakten im Besteuerungsverfahren zu regeln. So hat im Jahre 1989 die dem Gesetzgeber Reformvorschläge zur Regelung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens unterbreitende Arbeitsgruppe die Einfügung eines normierten Akteneinsichtsrechts in die AO 1977 erwogen, dies aber letztendlich verworfen, weil Anweisungen im AEAO Nr. 4 zu § 91 und zu § 364 AO 1977 zur Wahrung der rechtsstaatlichen Grundsätze, insbesondere der Gewährung des rechtlichen Gehörs, für ausreichend erachtet wurden (s. Szymczak, Reformvorschläge der Arbeitsgruppe „Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren nach der AO„, Der Betrieb 1989, 2092, und Carl/Klos, a.a.O., Inf 1994, 488 ff.). Der Gesetzgeber ist diesen Empfehlungen gefolgt.

Da der Gesetzgeber auch in späteren Beratungen zur Novellierung der AO 1977 ein allgemeines Akteneinsichtsrecht in der AO 1977 für das steuerliche Verwaltungsverfahren nicht geregelt hat, verstößt es nicht gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze, wenn das FG bei der Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung zur Gewährung eines frühzeitigen Einsichtsrechts in die Ermittlungsakten der Steuerfahndung davon ausgeht, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, für die aus rechtsstaatlichen Erwägungen von der Behörde und den Gerichten zugelassenen Ausnahmefälle den Ermessensrahmen eng zu ziehen (vgl. auch BFH in BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475, 478).

c) Die Rechtssache erlangt auch nicht dadurch grundsätzliche Bedeutung, weil das FG nach Ansicht des Klägers Nr. 4 AEAO zu § 91 AO 1977 unzutreffend ausgelegt hätte. Soweit der Kläger in der Art einer Revisionsbegründung behauptet, es bedürfe einer Auseinandersetzung des BFH mit der Frage der Auslegung des § 91 AO 1977 und hierbei auf eine unterschiedliche Handhabung der Gewährung von Akteneinsicht in Auslegung dieser Vorschriften durch die FÄ hinweist, wirft er zunächst eine Reihe von abstrakten Fragen zum Umfang der bei der Gewährung von Akteneinsicht vorzulegenden Akten auf, die außerhalb des von der Vorinstanz entschiedenen Streitfalles liegen und schon deshalb in einem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wären, weil die Fragen, welche Akten vorgelegt werden dürften und welche nicht, nicht entscheidungserheblich sind. Mit seinem Vortrag wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die für fehlerhaft gehaltene Handhabung der Gewährung von Akteneinsicht durch die Verwaltung und eine fehlerhafte Ermessensausübung, die das FG unzutreffend bestätigt habe und damit gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 39/00, BFH/NV 2001, 610, und vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

3. Die Rechtssache erhält auch nicht dadurch grundsätzliche Bedeutung oder bedürfte deshalb einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO), weil der fehlende Anspruch auf Akteneinsicht im außergerichtlichen Besteuerungsverfahren und eine allein der Finanzverwaltung eingeräumte Ermessensausübung verfassungsrechtliche Grundsätze, nämlich den Anspruch des Steuerpflichtigen auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG oder seinen Anspruch auf Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzen würde. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet den Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle ( u.a. —sog. Volkszählungsurteil—, BVerfGE 65, 1, 70) und Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, dass der Steuerpflichtige im gerichtlichen Verfahren Gelegenheit erhält, sich zu dem einer Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor deren Erlass zu äußern. Der Sicherung dieser Ansprüche dienen die in den Prozessordnungen verankerten Akteneinsichtsrechte nach § 147 StPO im (Steuer-)Strafverfahren und § 78 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör im Steuerstrafverfahren und dem Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren ist nach Auffassung des BVerfG Genüge getan, wenn die Akten und Beweisstücke dem Beschuldigten in einem rechtsstaatlich geordneten Strafverfahren nach Abschluss der Ermittlungen offen gelegt werden (vgl. § 147 StPO, und , NJW 1983, 1043; vgl. auch   7 B 26.81, NJW 1981, 2270).

4. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen. Eine Divergenz liegt ungeachtet dessen, dass der Kläger die von ihm geltend gemachte Abweichung der Vorentscheidung von dem Senatsbeschluss in BFHE 192, 8, BStBl II 2000, 541 nicht durch die Gegenüberstellung von einander abweichender abstrakter Rechtssätze dargestellt hat, wie dies nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich gewesen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 348/00, BFH/NV 2002, 33), nicht vor. Die schlüssige Rüge der Abweichung der Vorentscheidung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von einer Entscheidung des BFH setzt voraus, dass die Entscheidungen zu gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalten ergangen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2002, 36, und Senatsbeschlüsse vom VII B 190/01, BFH/NV 2002, 1275, und vom VII B 208/02, BFH/NV 2003, 816). Der Sachverhalt, der dem Senatsbeschluss in BFHE 192, 8, BStBl II 2000, 541 zugrunde lag, ist mit dem Sachverhalt im Streitfall nicht zu vergleichen. Der Senat hatte in seinem Beschluss in BFHE 192, 8, BStBl II 2000, 541 nur darüber zu entscheiden, in welcher Weise ein finanzgerichtliches Urteil, in dem die Finanzbehörde zur Gewährung von Einsicht in eine bestimmte Akte verurteilt worden war, zu vollstrecken ist. Der Beschluss kann schon deshalb keine Divergenzentscheidung sein, weil im Streitfall das Recht auf Einsicht in eine bestimmte Akte der Steuerfahndungsstelle gerade streitig ist und das FG entschieden hat, die Finanzbehörde sei zur Gewährung dieser Akteneinsicht nicht zu verurteilen.

5. Die benannten Verfahrensverstöße (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt (vgl. zu den Darlegungserfordernissen Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 25, 48 ff.).

a) Die Beschwerde behauptet einen Verfahrensverstoß mit der Begründung, das FG ziehe trotz der Beweisaufnahme im Hinblick auf die völlig identischen Begründungen der Ablehnung des Gesuchs um Akteneinsicht des Klägers und in einem anderen Fall in sachverhaltsverfälschender Weise die schlicht falsche, nicht mehr mögliche und logisch nicht mehr nachvollziehbare Schlussfolgerung, dass das FA eine Ermessensentscheidung getroffen habe, anstatt festzustellen, dass das FA von seinem Standpunkt aus, wonach ein Akteneinsichtsrecht gar nicht bestehe, von dem eingeräumten Ermessen nicht Gebrauch gemacht und eine einzelfallbezogene Entscheidung nicht getroffen habe. Mit diesem Vorbringen wendet sich der Kläger gegen die Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz, die nicht geeignet ist, einen Verfahrensverstoß i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zu begründen.

b) Unzulässig ist die Rüge, das Gericht habe entscheidungserhebliche Beweisanträge übergangen. Das FG hat festgestellt, dass den Beweisanträgen Nr. 2 und Nr. 4, mit denen nachgewiesen werden sollte, dass identische Ermessensentscheidungen in zwei Parallelfällen ergangen sind, durch das beantragte Verlesen der Auszüge aus den Einspruchsentscheidungen nachgekommen worden sei und dass dem Beweisantrag Nr. 2, der vom Beweisthema dem Beweisantrag Nr. 4 entspricht, nach Bekunden des Klägers voll Rechnung getragen worden ist. Das Beweisthema Nr. 3, nämlich dass ein Fallheft der Steuerfahndung bei dem FA über den Kläger existiert, in das er noch keine Einsicht erhalten hatte, hat das FG als wahr unterstellt. Einer weiteren Beweiserhebung dazu bedurfte es damit nicht. Soweit der Kläger darüber hinausgehend dem FG das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags (Ladung und Vernehmung eines PC-Sachverständigen) vorhält, ist jedenfalls Rügeverlust eingetreten. Denn ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten konnten und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung).

6. Im Übrigen ergeht der Beschluss gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ohne weitere Begründung.

Fundstelle(n):
DStRE 2004 S. 112 Nr. 2
UAAAB-13783