OFD Koblenz - S 3229 A-St 38 2/St 38 3

Bedarfsbewertung; Nachweis eines niedrigeren Werts nach § 198 BewG, Änderung von Feststellungsbescheiden nach § 173 AO und § 175 AO

Diese Verfügung richtet sich an die Bewertungsstellen und regelt den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes nach § 198 BewG durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommenen Kaufpreis gem. Änderungsvorschriften nach §§ 173 und 175 AO.

1. Nachweis eines niedrigeren Wertes durch zustande gekommenen Kaufpreis

Nach § 198 BewG kann der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert als der nach §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert nachweisen. Hierbei kann auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis als Nachweis dienen (R B 198 Abs. 4 S. 1 ErbStR 2011). Die Jahresfrist vor bzw. nach Bewertungsstichtag kann im Einzelfall überschritten werden, sofern trotz einer größeren Zeitspanne zwischen Bewertungsstichtag und Verkaufszeitpunkt die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber dem Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind (R B 198 Abs. 4 S. 2 ErbStR 2011, BStBl.2004 II , S. 703).

2. Änderungsmöglichkeiten nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO

Ist der Verkauf des Grundstücks vor der abschließenden Entscheidung des für die Feststellung des Grundstückswerts zuständigen Amtsträgers erfolgt und war ihm diese Tatsache bei seiner Entscheidung nicht bekannt, liegt eine neue Tatsache i. S. v. § 173 Abs. 1 AO vor.

Ist der Feststellungsbescheid bereits unanfechtbar geworden, kann der Bescheid nach § 173 Absatz 1 Nr. 2 AO geändert werden, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am verspäteten Bekanntwerden dieser Tatsache trifft.

Bei einem Kaufvertragsabschluss vor Abgabe der Erklärung ist eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht möglich, da dem Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden zuzurechnen ist. Dies deshalb, weil in der Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwertes ausdrücklich nach einem tatsächlich erzielten Kaufpreis gefragt wird und ihm bei Unterlassen entsprechender Angaben ein grobes Verschulden trifft. Erfolgt der Kaufvertragsabschluss nach Abgabe der Erklärung, aber vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist, handelt der Steuerpflichtige grob schuldhaft, wenn er nicht rechtzeitig Einspruch einlegt.

Ist der Verkauf des Grundstücks erst nach der abschließenden Entscheidung des für die Feststellung des Grundstückswerts zuständigen Amtsträgers erfolgt, kommt eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht.

Ein nach der Bestandskraft des Feststellungsbescheides erstelltes Gutachten rechtfertigt keine Änderung nach § 173 Absatz 1 Nr. 2 AO, weil das Gutachten bei Eintritt der Bestandskraft nicht existierte und somit dieses Beweismittel auch nicht nachträglich bekannt werden kann. Sofern ein Gutachten zwar vor Bestandskraft erstellt, aber erst nach Eintritt der Bestandskraft vom Steuerpflichtigen vorgelegt wird, liegt ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen vor und eine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Absatz 1 Nr. 2 AO besteht nicht.

3. Änderungsmöglichkeiten nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

Die Referatsleiter Bewertung vertreten die Auffassung (Sitzung I/14 im Februar 2014), dass ein Verkehrswertnachweis in Form eines nach Bestandskraft des Feststellungsbescheids zu Stande gekommener Kaufpreises kein rückwirkendes Ereignis i. S. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist.

4. Konkurrenz zwischen Sachverständigengutachten und Kaufpreis

Weist der Steuerpflichtige bei Abgabe der Feststellungserklärung bzw. vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein Sachverständigengutachten nach, so ist das Finanzamt nicht gehindert, die Erkenntnisse aus einem innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag erfolgten Grundstücksverkauf, bei dem ein höherer Kaufpreis als der im Gutachten ermittelte Wert erzielt wurde, zu berücksichtigen und den Grundbesitzwert in Höhe des erzielten Kaufpreises festzustellen, soweit dieser Betrag noch unter dem typisierten Bedarfswert (§§ 138 ff bzw. §§ 157 ff BewG) liegt. Der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten erzielte Kaufpreis liefert die belastbarste Größe für den Verkehrswert (gemeiner Wert gem. § 9 BewG).

Die Wertermittlung durch einen Gutachter stellt demgegenüber stets eine Schätzung dar (). Die obigen Ausführungen gelten nur, wenn Gutachten und Kaufpreis gleichzeitig bei Bearbeitung der Feststellungserklärung bzw. des Einspruchs vorliegen/bekannt sind. Es ist nicht erforderlich, Grundbesitzwertfeststellungen, bei denen es zum Ansatz eines Gutachtenwerts gekommen ist, vor dem Hintergrund eines zukünftigen möglichen Verkaufs in Überwachung zu nehmen. Auch eine Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) ist nicht angezeigt.

Diese Verfügung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Die Kurzinformation der OFD Koblenz Nr. ST 3_2010K098 wurde aufgehoben.

OFD Koblenz v. - S 3229 A-St 38 2/St 38 3

Fundstelle(n):
SAAAE-66316