Online-Nachricht - Montag, 15.08.2022

Verfahrensrecht | Keine Hinzuschätzungen bei einer GmbH wegen unklarer Mittelherkunft bei ihrem Gesellschafter (FG)

Verdeckte Bareinlagen können nicht allein deshalb zu Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen bei einer Kapitalgesellschaft führen, wenn die Mittelherkunft beim Gesellschafter nicht aufklärbar ist (,U; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GmbH, die in den Streitjahren einen Großhandel betrieb und hierbei in gewissem Umfang Barumsätze tätigte. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt zum einen Aufzeichnungsmängel bei der Führung der offenen Ladenkasse der Klägerin fest. Zum anderen tätigte der Alleingesellschafter Bareinlagen in die Kasse. Diese stammten nach dessen eigenen Angaben aus ihm persönlich gewährten Darlehen von verschiedenen Darlehensgebern und aus im Privatvermögen vorhandenen Barrücklagen aus nicht versteuerten Silberverkäufen in den neunziger Jahren. Die Betriebsprüfung führte unter Auswertung der privaten Konten des Alleingesellschafters und seiner Ehefrau Bargeldverkehrsrechnungen durch, die auch die Finanzierung privater Reihenhäuser berücksichtigte. Diese führten zu Höchstfehlbeträgen, die das Finanzamt als Mehreinnahmen der Klägerin und zugleich als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter behandelte.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass ihre Kasse ordnungsgemäß geführt worden sei und dass die Bargeldverkehrsrechnungen unzutreffend seien, da sie die Darlehen und die Rücklagen aus dem Silbergeschäft nicht berücksichtigt hätten.

Die Klage hatte teilweise Erfolg:

  • Aufgrund der beim Gesellschafter durchgeführten Bargeldverkehrsrechnungen hat keine Schätzungsbefugnis bestanden.

  • Grundsätzlich ist eine Bargeldverkehrsrechnung zwar eine geeignete Verprobungsmethode, denn wenn ein Steuerpflichtiger höhere Barausgaben tätigt, als ihm aus bekannten und vorhandenen Mitteln möglich ist, muss er den Unterdeckungsbetrag aus anderen Quellen bezogen haben. Hieraus kann aber nicht zwangsläufig die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Kapitalgesellschaft bei ungeklärten Vermögenszuwächsen ihres Gesellschafters nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt hat. Selbst wenn man unterstellt, dass die ungeklärten Vermögenszuwächse durch betriebliche Aktivitäten erzielt wurden, ist es ebenso gut möglich, dass der Gesellschafter die Einnahmen im Rahmen von Eigengeschäften erzielt hat und nicht im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft. Aus dem Umstand, dass der Gesellschafter die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufklärt, können keine nachteiligen Schlüsse für die Kapitalgesellschaft gezogen werden.

  • Im Streitfall erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Gesellschafter selbst „schwarze“ Einkünfte aus von ihm getätigten anderweitigen Geschäften erzielt hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass er nach eigenem Vorbringen in früherer Zeit nicht versteuerte Silbergeschäfte getätigt hat. Auch aus der durch die verdeckten Einlagen hergestellten Verbindung zur Klägerin kann nicht gefolgert werden, dass diese selbst weitere Betriebseinnahmen erzielt hat.

  • Dem Grunde nach hat aber eine Schätzungsbefugnis wegen der nicht ordnungsgemäßen Kassenführung bestanden, da die Klägerin für ihre offene Ladenkasse weder ordnungsgemäße Kassenberichte erstellt noch ein ordnungsgemäßes Kassenbuch geführt hat. Das FG Münster hat die Hinzuschätzungen allerdings auf einen (Un-)Sicherheitszuschlag i. H. von 1,5 % der von der Klägerin getätigten Gesamtumsätze, nicht nur der Barumsätze, begrenzt. Dies folgt aus den erheblichen Kassenführungsmängeln und der hohen Anfälligkeit der Art der Kassenführung für Schwarzeinnahmen. Die Ergebnisse der Bargeldverkehrsrechnungen sind dagegen nicht in die Berechnung der Hinzuschätzungen einzubeziehen.

Hinweis:

Die Revision wurde zugelassen. Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.

Quelle: ,U; Newsletter August 2022 (RD)

Fundstelle(n):
NWB UAAAJ-19948