Online-Nachricht - Donnerstag, 12.05.2022

Umsatzsteuer | Keine Berufung auf das Unionsrecht für Leistungen im Bereich des Sports (BFH)

Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL hat keine unmittelbare Wirkung, so dass sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben auf diese Bestimmung vor den nationalen Gerichten nicht berufen kann (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Golfclub Schloss Igling v. - C 488/18; Änderung der Rechtsprechung: ; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger, ein Golfverein, erbrachte verschiedene Leistungen gegen gesondert vereinbartes Entgelt. Dabei handelte es sich insbesondere um die Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes (Greenfee), um die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining mittels eines Ballautomaten und um die Durchführung von Golfturnieren, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte. Das beklagte Finanzamt sah diese Leistungen als umsatzsteuerpflichtig an. Demgegenüber bejahte das FG der ersten Instanz eine Steuerfreiheit, die sich zwar nicht aus nationalem Recht, aber aus dem Unionsrecht und dabei aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL ergebe (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.07.2017 sowie Oechler, ).

Der BFH zweifelte an der Steuerfreiheit und legte dem EuGH diverse Fragen zur Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL zur Vorabentscheidung vor (, s. ausführliche hierzu Rennar, ).

Der EuGH entschied, dass sich die Klägerin nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen kann. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift seien lediglich bestimmte Dienstleistungen befreit ( "Golfclub Schloss Igling ".

Daraufhin wiesen die Richter des BFH die Klage nunmehr ab:

  • Die Leistungen des Klägers sind entgegen dem nicht gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL steuerfrei.

  • Der EuGH hat entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL keine unmittelbare Wirkung hat, so dass sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben auf diese Bestimmung vor den nationalen Gerichten nicht unmittelbar berufen kann, wenn durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, mit denen sie umgesetzt wird, nur eine begrenzte Zahl in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehender Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit wird. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL lasse den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerfreien Dienstleistungen.

  • Daher ist an der bisherigen Rechtsprechung des BFH, die eine unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL bejaht hat (, Leitsatz 1; v. - XI R 21/09, Rz 27; v. - XI R 34/11, Rz 35 und v. - V R 4/13, Rz 14 und 15) nicht mehr festzuhalten (Änderung der Rechtsprechung).

  • Da § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL zumindest dem Grunde nach umsetzt, kommt im Hinblick auf den durch diese Bestimmung den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessensspielraum eine unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL nicht in Betracht.

  • Maßgeblich ist insoweit, dass § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG mit den dort genannten sportlichen Veranstaltungen zumindest eine begrenzte Zahl in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehender Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit.

  • Zwar kann von den insgesamt erbrachten Leistungen des Klägers für den Bereich der Veranstaltungsstartgelder eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG in Betracht kommen. Die Steuerfreiheit scheitert vorliegend aber daran, dass es sich beim Kläger nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handelt.

Hinweis:

Die Entscheidung des BFH betrifft unmittelbar nur Leistungen, die Sportvereine gegen gesonderte Vergütung erbringen. Sie ist aber für die Umsatzbesteuerung im Sportbereich von grundsätzlicher Bedeutung. Dies beruht darauf, dass nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH Leistungen, die Sportvereine an ihre Mitglieder gegen allgemeine Mitgliedsbeiträge erbringen, entgegen der Verwaltungspraxis weiterhin steuerbar sind, so dass es durch die nunmehr versagte Steuerbefreiung zu einer Umsatzsteuerpflicht kommt. Sportvereine müssen jetzt also damit rechnen, dass die Rechtsprechung ihre Leistungen auch insoweit als umsatzsteuerpflichtig ansieht, als sie derartige Leistungen an ihre Mitglieder erbringen und es sich dabei nicht um eine sportliche Veranstaltung i.S. von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG handelt. Dies spricht der BFH in seinem Urteil ausdrücklich an.

Diese Problematik dürfte sich nur gesetzgeberisch dadurch lösen lassen, dass der nationale Gesetzgeber die nach der Richtlinie bestehende Möglichkeit ergreift, Leistungen im Bereich des Sports weitergehend als bisher von der Umsatzsteuer zu befreien. Dies wird in der Fachwelt seit zwei Jahrzehnten diskutiert, ohne dass der nationale Gesetzgeber derartige Überlegungen bislang aufgegriffen hat.

Quellen: ; BFH, Pressemitteilung zum Urteil v. - V R 48/20 (V R 20/17); NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB CAAAI-61529