Online-Nachricht - Donnerstag, 18.11.2021

Doppelbesteuerung | Begriff der "Organisation der Vereinten Arbeit" im DBA-Jugoslawien (BFH)

Der in Art. 8 und Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien verwendete Begriff der "Organisation der Vereinten Arbeit" erfasst auch diejenigen juristischen Personen, die insgesamt an deren Stelle getreten sind. Das sind zunächst die nach Maßgabe des jugoslawischen Gesellschaftsrechts zwingend bis zum hinsichtlich ihrer Rechtsform angepassten (ehemaligen) Organisationen der Vereinten Arbeit sowie steuerpflichtige juristische Personen, die nach 1988 errichtet worden sind (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Auslegung des Begriffs „Organisation der Vereinten Arbeit“, wie er im DBA Jugoslawien aus dem Jahr 1987 verwendet wurde; Deutschland und Bosnien und Herzegowina haben die Fortgeltung dieses DBA im Jahr 1992 beschlossen. Der in Deutschland wohnhafte Kläger ist Gesellschafter zweier Kapitalgesellschaften („d.o.o.“) mit Sitz in Bosnien und Herzegowina, die in den Jahren 1991 bzw. 1995 gegründet wurden. In den Streitjahren veräußerte er die Beteiligung an der einen Gesellschaft und erhielt eine Gewinnausschüttung von der anderen. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns bzw. der Gewinnausschüttung in Bosnien und Herzegowina erfolgte nicht.

Der Kläger vertrat die Auffassung, für die Einkünfte fehle es aufgrund der für die Organisation der Vereinten Arbeit geltenden besonderen Bestimmungen des DBA-Jugoslawien an einem deutschen Besteuerungsrecht. Dagegen wandte das beklagte FA ein, die betreffenden Abkommensbestimmungen seien nur auf nach jugoslawischem Recht gegründete originäre Organisationen der Vereinten Arbeit anzuwenden. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG statt (). (siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 5.10.2017)

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:

  • Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass Deutschland weder hinsichtlich des im Streitjahr 2009 angefallenen Veräußerungsgewinns des Klägers noch hinsichtlich der das Streitjahr 2012 betreffenden Gewinnausschüttung ein Besteuerungsrecht zusteht, sondern die Beträge lediglich bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes gem. § 32b Abs. 2 EStG zu berücksichtigen sind.

  • Der Begriff der Organisation der Vereinten Arbeit wird im DBA Jugoslawien selbst nicht definiert. Wird ein Begriff im Abkommen selbst nicht definiert und lässt sich der Bedeutungsinhalt - wie im Streitfall - auch nicht unmittelbar aus dem allgemeinen und im Einklang mit dem Sinn und Vorschriftenzusammenhang des Abkommens stehenden Sprachgebrauch gewinnen, kommt dem Begriff nach Art. 3 Abs. 2 DBA Jugoslawien die Bedeutung zu, die ihm nach dem Recht über die Steuern des Anwendestaates (hier: Deutschland) zukommt. Indessen hatte und hat der Begriff der "Organisation der Vereinten Arbeit" im deutschen Steuerrecht keine Bedeutung. Vielmehr handelt es sich um einen Rechtsbegriff des jugoslawischen Rechts, an den die Abkommensparteien bewusst angeknüpft haben. Es entspricht dann aber dem Zweck des Art. 3 Abs. 2 DBA Jugoslawien, Entscheidungsharmonie zwischen der Abkommensauslegung und dem innerstaatlichen Steuerrecht des Anwendestaates dadurch herzustellen, dass der genannte Rechtsbegriff im Einklang mit der Begriffsbedeutung im anderen Vertragsstaat (hier: Jugoslawien) auszulegen ist.

  • Für die Entscheidung des Streitfalles kommt es nach dem Vorstehenden darauf an, ob angesichts der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung in Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten auch die an die Stelle der Organisationen der Vereinten Arbeit getretenen Nachfolgeunternehmen und alle steuerpflichtigen juristischen Personen, die nach 1988 in Übereinstimmung mit dem jugoslawischen Gesellschaftsrecht bzw. dem Gesellschaftsrecht der Nachfolgestaaten errichtet worden sind, Art. 14 Abs. 3 DBA Jugoslawien unterfallen, oder sich der Wortlaut auf die nach bosnisch-herzegowinischem Gesellschaftsrecht seit dem nicht mehr existierende jugoslawische Organisation der Vereinten Arbeit beschränkt.

  • Der BFH schließt sich dazu der Rechtsauffassung des FG an. Er hält an seiner Rechtsprechung zur sog. statischen Abkommensauslegung (, m.w.N.; ) fest, stellt aber klar, dass bei Vorliegen einer sog. Fortgeltungsvereinbarung für die Abkommensauslegung auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung abzustellen sein kann.

  • Auch für die Gewinnausschüttung des Streitjahres 2012 fehlt es an einem Besteuerungsrecht Deutschlands. Gem. Art. 8 Satz 1 DBA Jugoslawien kann der Gewinn aus Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der Vereinten Arbeit, den eine in Deutschland ansässige Person bezieht, in Jugoslawien (Bosnien und Herzegowina) besteuert werden. Dividenden, die eine in Deutschland ansässige Gesellschaft an eine in Jugoslawien ansässige Person zahlt, können hingegen in Deutschland besteuert werden (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 DBA-Jugoslawien). Gem. Art. 22 Abs. 1 DBA-Jugoslawien können Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert werden. Die Gewinnausschüttung aus dem Jahr 2012 fällt unter Art. 8 Satz 1 DBA-Jugoslawien. Es handelt sich um den Gewinn aus Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der Vereinten Arbeit. Damit besteht ein Besteuerungsrecht von Bosnien und Herzegowina.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB NAAAH-95013