Reform Radar - Mittwoch, 30.06.2021

ATAD-Umsetzungsgesetz

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Aktueller Stand:

  • : ATAD-Umsetzungsgesetz im BGBl I S. 2035 verkündet

  • : Verabschiedung Bundesrat

  • : 2./3. Lesung Bundestag

  • : 1. Lesung Bundestag

  • : Bundesregierung beschließt Entwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes

  • : BMF veröffentlicht zweiten Referentenentwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes

  • : BMF veröffentlicht ersten Referentenentwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes

Hintergrund: Die Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie / ATAD verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zur Anpassung insbesondere ihrer steuerlichen Regelungen zur Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung (Artikel 5 ATAD), zur Hinzurechnungsbesteuerung (Artikel 7 und 8 ATAD) sowie zur Neutralisierung von Besteuerungsinkongruenzen im Zusammenhang mit Hybriden Gestaltungen (Artikel 9 und 9b ATAD), soweit diese nicht bereits dem von der ATAD vorgegebenen Mindeststandard entsprechen.

Der sich aus der ATAD insoweit ergebende Umsetzungsbedarf wird mit diesem Gesetzentwurf aufgegriffen. In diesem Zusammenhang soll die Hinzurechnungsbesteuerung zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland zeitgemäß und rechtssicher ausgestaltet werden.

Wesentlicher Inhalt des Gesetzes:

  1. Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung (Artikel 5 ATAD)

    Artikel 5 ATAD verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Aufdeckung und (auf Antrag ratierlichen) Besteuerung stiller Reserven bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, der Verlagerung von Betrieben oder dem Wegzug von Körperschaften (sog. Entstrickungsbesteuerung). Zudem werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern ins Inland oder bei Zuzug von Körperschaften die im Rahmen der ausländischen Entstrickungsbesteuerung angesetzten Werte anzuerkennen, sofern diese dem Marktwert entsprechen (sog. Verstrickung). Die Umsetzung von Artikel 5 ATAD erfolgt in § 4 Absatz 1 Satz 3 und 9 - neu –, § 4g, § 6 Absatz 1 Nummer 4, 5a und 5b, § 9 Absatz 5 Satz 2 und § 36 Absatz 5 EStG sowie § 12 Absatz 1 und 1a KStG.

    Wegen der auf Grund von Artikel 5 ATAD erforderlichen Änderungen sieht der Gesetzentwurf eine Vereinheitlichung der Stundungsregelungen sowie Erleichterungen bei der Anwendung der Rückkehrerregelung bei der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen im Rahmen des § 6 AStG vor.

  2. Reform der Hinzurechnungsbesteuerung (Artikel 7 und 8 der ATAD)

    Die Hinzurechnungsbesteuerung ist im Jahre 1972 mit dem Inkrafttreten des Außensteuergesetzes eingeführt worden (BGBl. I S. 1713). Sie stellt eine robuste Regelungseinheit zur Verhinderung steuerlich indizierter, nicht notwendigerweise missbräuchlicher, Verlagerung von passiven Einkünften ins niedrig besteuernde Ausland dar.

    Mit der ATAD wurde für alle Mitgliedstaaten ein verpflichtender Mindeststandard für eine Hinzurechnungsbesteuerung eingeführt. Da Deutschland bereits über eine robuste Hinzurechnungsbesteuerung verfügt, ergibt sich aus der Richtlinie selbst nur für vereinzelte Punkte Anpassungsbedarf.

    Zu den Kernelementen der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung zählt unter anderem die Anpassung des Beherrschungskriteriums. Statt auf eine Inländerbeherrschung abzustellen, wird künftig eine gesellschafterbezogene Betrachtung durchgeführt. Außerdem findet bei mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung keine Verlustkonsolidierung auf Ebene der obersten ausländischen Gesellschaft mehr statt.

    Die Umsetzung der Artikel 7 und 8 erfolgt in den §§ 7 ff. AStG.

  3. Hybride Gestaltungen und Inkongruenzen bei der Ansässigkeit (Artikel 9 und 9b ATAD)

    Die Artikel 9 und 9b ATAD verpflichten die Mitgliedstaaten, Besteuerungsinkongruenzen zu neutralisieren, die sich daraus ergeben, dass auf Grund sog. hybrider Elemente bestimmte Zahlungen, die beim Schuldner grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar sind, beim Gläubiger nicht besteuert werden, Aufwendungen auch in einem anderen Staat abgezogen werden können, ohne dass den Aufwendungen Erträge gegenüberstehen, die in beiden Staaten besteuert werden, oder abzugsfähige Aufwendungen und die entsprechenden Erträge zu einer Besteuerungsinkongruenz in anderen Staaten führen, die diese Inkongruenz nicht beseitigen, sofern die Folgen dieser Inkongruenz über eine oder mehrere Transaktionen ins Inland „importiert“ werden.

    Kern der Regelungen zur Umsetzung der Artikel 9 und 9b ATAD ist § 4k EStG, der für verschiedene Situationen von Besteuerungsinkongruenzen auf Grund hybrider Elemente den Betriebsausgabenabzug beschränkt. Weitere Regelungen enthalten § 8b Absatz 1 Satz 3 – neu – KStG und § 50d Absatz 9 Satz 1 Nummer 3 EStG.

Darüber hinaus hat der Finanzausschuss des Bundestages in seiner Sitzung am die folgenden Änderungen in den Gesetzentwurf eingebracht:

  • Dreimonatige Verlängerung der Erklärungsfrist und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2020, Artikel 97 § 36 Absatz 3 - neu - EGAO.

  • Verlängerung der Frist zur nachträglichen Anpassung der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuervorauszahlungen für 2019 und 2020.

  • Anpassung von § 4k Absatz 2 Satz 3 EStG.

  • Anpassung von § 4k Absatz 4 Satz 2 EStG an Artikel 9b Satz 2 ATAD (Doppelt-Ansässige).

  • Antragswahlrecht zur Aufdeckung stiller Reserven bei Wegfall einer Beschränkung von Besteuerungsrechten in § 12 Absatz 1 Satz 3 KStG.

  • Redaktionelle Anpassung insbesondere im Hinblick auf die Voraussetzung der Gewinnbeteiligung in § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 AStG.

  • Änderung zur grenzüberschreitenden Gewinnabgrenzung in multinational tätigen Unternehmensgruppen in § 1 Absatz 3a Satz 4 AStG.

  • Redaktionelle Anpassung von § 1 Absatz 3c Satz 4 AStG.

  • Klarstellung, dass sowohl bei einer mittelbaren Beteiligung über einen ausländischen als auch über einen inländischen Investmentfonds oder SpezialInvestmentfonds die Hinzurechnungsbesteuerung ausgeschlossen ist in § 13 Absatz 5 Satz 2 - neu - AStG.

  • Redaktionelle Anpassung in § 20 Absatz 2 Satz 1 - neu - AStG.

  • Ermöglichung einer Korrektur der Steueranmeldung in den Fällen, in denen eine Freistellungsbescheinigung rückwirkend ab Antragseingang erteilt wird, jedoch zum Zeitpunkt der Anmeldung der Steuer noch nicht erteilt war in § 50c Absatz 2 Satz 3 EStG.

  • Redaktionelle Anpassung des § 9 Nummer 2 Satz 2 - neu - GewStG.

  • Änderungen bei den Anwendungsregelungen und dem Inkrafttreten.

Quelle: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Regierungsentwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 19/29848 Stand: 19.5.2021 (il)

Nachrichten zum ATAD-Umsetzungsgesetz

Aufsätze

Middendorf/Eberhardt, Das ATAD-Umsetzungsgesetz – Was lange währt, wird endlich gut?,

a) zum ersten Entwurf

  • Hagemann/Link, Ent- und Verstrickung nach dem ATAD -Umsetzungsgesetz - Änderungen im EStG und KStG,

  • Böhmer/Gebhardt/Krüger, Die Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATAD-Umsetzungsgesetz,

  • Kahlenberg/Radmanesh, Einführung von Anti-Hybrid-Regelungen durch das ATAD-Umsetzungsgesetz – Teil 1,

  • Nürnberg, Entwurf eines ATAD-Umsetzungsgesetzes,

  • Schmidtmann, Der Motivtest nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie,

b) zum zweiten Entwurf

  • Korn/Strahl, Steuerliche Hinweise und Dispositionen zum Jahresende 2020 – Teil 2: Anhängige Steuergesetzgebungsverfahren im Jahr 2020,

  • Deutschländer, Die Besteuerung des Vermögenszuwachses in Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (§ 6 AStG),

  • Rasch, Der Zugang zu Vorabverständigungsverfahren - Zugleich Anmerkungen zu § 89a AO-RefE des ATAD-Umsetzungsgesetzes,

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Fundstelle(n):
NWB PAAAH-74661