Online-Nachricht - Donnerstag, 07.01.2021

Einkommensteuer | Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen (BFH)

Die Beitragserstattungen der Deutschen Rentenversicherung Bund i. S. des § 210 SGB VI sind als "andere Leistungen" steuerbare Einkünfte gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Sie können deshalb nicht zugleich "negative Sonderausgaben" sein. Die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge nach § 210 Abs. 1a SGB VI ist gem. § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin, die im Streitjahr 2017 mit dem Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, hatte als Arbeitnehmerin in den Jahren 2010, 2011 und 2013 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Auf ihren Antrag hin erstattete die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) gem. § 210 Abs. 1a SGB VI Beiträge i. H. von 2.781,26 €. Die Erstattung überstieg ihre geleisteten Arbeitnehmerbeiträge um rund 17 €.

Das FA minderte die Altersvorsorgeaufwendungen der Kläger um den Erstattungsbetrag.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt ().

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:

  • Eine einmalige Kapitalleistung ist eine "andere Leistung" i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, wenn sie Teil der Basisversorgung ist.

  • Die streitgegenständlichen Beitragserstattungen gem. § 210 Abs. 1a SGB VI stellen auch "andere Leistungen" der DRV dar. Sozialversicherungsrechtlich werden diese Beitragsrückerstattungen den Leistungen der Rentenversicherung zugeordnet (vgl. LSG Land Nordrhein-Westfalen, Urteil v. - L 14 RA 59/99, Rz 23). Es ist kein Grund erkennbar, diese sozialversicherungsrechtliche Zuordnungsentscheidung nicht auch für das Steuerrecht als maßgeblich anzusehen.

  • Folge der Qualifikation der Erstattungen nach § 210 Abs. 1a Satz 1 SGB VI als "andere Leistungen" gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist die Steuerbarkeit dieser Zahlungen.

  • Die streitgegenständlichen Beitragserstattungen der DRV sind zwar steuerbar gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG, jedoch steuerfrei gem. § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG.

  • Gem. § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG sind u. a. die Erstattungen von zu Recht gezahlten Beiträgen an den Versicherten nach § 210 SGB VI steuerfrei. Diese werden, wie hier, nach Ablauf einer Wartefrist von 24 Kalendermonaten seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht ausgezahlt, wenn nicht erneut eine Versicherungspflicht eingetreten ist (§ 210 Abs. 2 SGB VI).

  • Da eine Beitragserstattung gem. § 210 Abs. 1a Satz 1 SGB VI vorliegt, sind die Zahlungen der DRV an die Klägerin im Streitjahr gem. § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei und zwar in Höhe der insgesamt von der DRV ausgezahlten Beträge. Zwar ist die Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Rentenversicherung der Höhe nach gem. § 210 Abs. 1a, Abs. 3 Satz 1 SGB VI auf die geleisteten Arbeitnehmerbeiträge begrenzt. Doch ist in Bezug auf den übersteigenden Betrag von rund 17 € von einem bloßen Fehler auszugehen, der der Gesamtzahlung nicht den Charakter der (steuerfreien) Beitragserstattung nimmt.

  • Eine Verrechnung der Beitragserstattungen mit den Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG kommt nicht in Betracht. Die Beitragserstattungen sind keine "negativen Sonderausgaben".

  • Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass in der Steuerbarkeit der Beitragserstattung an den Versicherten nach § 210 SGB VI, die als Leistung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG anzusehen ist, der grundlegende Unterschied zu den Beitragserstattungen anderer Sozialversicherungen liegt, etwa zu denen der gesetzlichen Krankenversicherungen. Deren Leistungen sind zwar gem. § 3 Nr. 1a EStG ebenfalls steuerfrei, können aber keiner Einkunftsart zugeordnet werden, so dass sich dort die Frage nach dem Vorliegen "negativer Sonderausgaben" durchaus stellen kann.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Vorliegend klärt der BFH nunmehr die Besteuerung von Beitragserstattungen der gesetzlichen Rentenversicherungen. Im () hatte er das Verhältnis solcher Beitragserstattungen zur Vorschrift des § 10 Abs. 4b EStG (Erstattungsüberhang) offen gelassen.

Beitragserstattungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) sind steuerbare „andere Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen“ i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Folglich können sie nicht auch „negative Sonderausgaben“ sein. Dies unterscheidet sie von Beitragserstattungen anderer Sozialversicherungen, insbesondere denen der gesetzlichen Krankenversicherungen. Dort fehlt es an einer Einkünftequalifizierungsvorschrift. Die als Einkünfte zu erfassenden Beitragsrückerstattungen sind nach § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG ausdrücklich steuerfrei gestellt worden. Dies ist eine bewusste Ausnahme vom Grundsatz der nachgelagerten Besteuerung und trotz entsprechender Bundesratsinitiativen (bislang) nicht geändert worden.

Folge der Qualifizierung der Beitragsrückerstattungen der DRV als steuerbare, aber steuerfreie Einkünfte ist auch, dass § 10 Abs. 4b EStG - unabhängig von seinem Wortlaut - nicht zur Anwendung kommen kann. Andernfalls würde m. E. der Wille des Gesetzgebers unterlaufen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB VAAAH-68085