Online-Nachricht - Donnerstag, 27.08.2020

Umsatzsteuer | Vermietung von Bootsliegeplätzen nicht steuersatzermäßigt (BFH)

Die entgeltliche Überlassung von Bootsliegeplätzen ist nicht steuersatzermäßigt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt und Verfahrensverlauf: Streitig ist, ob die Umsätze aus der Vereinnahmung von Hafengeldern dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG unterliegen. Der Kläger, ein gemeinnütziger Verein, beruft sich auf § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG (ermäßigter Steuersatz für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen). Eine Campingfläche müsse unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung nicht zwangsläufig an Land sein, sondern könne auch auf dem Wasser liegen. Das FG der ersten Instanz () wies die Klage ab (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 20.7.2017).

Der BFH hat daraufhin den EuGH angerufen und um Klärung der Frage gebeten, ob ein Hafen bei gleicher Funktion wie ein Campingplatz zu behandeln ist (; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 14.11.2018).

Diese Frage hat der EuGH verneint (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 6.1.2020 sowie Kirch, ).

Hierzu führten die Richter des BFH nunmehr aus:

  • Die Umsätze aus der Überlassung von Bootsliegeplätzen unterliegen dem Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG. Sie fallen nicht unter die in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG angeordnete Steuersatzermäßigung für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Eine Wasserfläche in Gestalt eines Bootsliegeplatzes ist keine Campingfläche.

  • Dem EuGH zufolge erfüllen die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen einerseits und die Vermietung von Bootsliegeplätzen andererseits unterschiedliche Zwecke. Sie stehen daher nicht miteinander in Wettbewerb (, Rz 37).

  • Damit liegt ein hinreichender Differenzierungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes vor - eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheidet aus.

  • Eine Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG kommt darüber hinaus u.a. deshalb nicht in Betracht, da der Kläger mit den von ihm ausgeführten Vermietungsleistungen in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer (Beherbergungs-)Unternehmer steht.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner , Richter im V. Senat des BFH:

Das Urteil ist keine große Überraschung, weil es sich darauf beschränkt, das , Segler-Vereinigung Cuxhaven nachzuvollziehen. Dieses der BFH-Entscheidung zugrunde liegende EuGH-Urteil ist aber nicht frei von Mängeln, so dass sich ein kurzer Rückblick lohnt.

Zum einen hat sich der EuGH seinen eigenen Sachverhalt "gebastelt", wenn er in Rn. 28 seines Urteils feststellt, dass die Vermietung von Bootsliegeplätzen in erster Linie das sichere Festmachen der Boote am Liegeplatz ermöglichen soll. Das mag üblicherweise so sein, war aber im konkret zu entscheidenden Sachverhalt nicht der Fall. Denn das sogenannte Hafengeld (das zu zahlende Entgelt) fiel ausschließlich bei Übernachtungen an, bei denen dann auch die Infrastruktur des Hafens genutzt werden konnte. Das Festmachen der Boote hatte mit dem Entgelt folglich nichts zu tun.

Auch das vermeintlich entscheidende Argument des EuGH ist lediglich eine bloße Behauptung. Der EuGH konstatiert, dass die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen und die Vermietung von Bootsliegeplätzen unterschiedlichen Zwecken diene und nicht miteinander in Wettbewerb stehe (Rn. 37), weil Segel- und Motorboote nicht als Beherbergungsorte dienten (Rn. 34). Dieser Begründungsansatz trägt aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen dienten in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt die Boote ebenso wie Wohnmobile sowohl der Fortbewegung als auch der Unterkunft. Es wäre schön gewesen, wenn sich der EuGH die Mühe gemacht hätte, den zwischen diesen beiden Fortbewegungs- und Übernachtungsformen aus seiner Sicht maßgeblichen Unterschied herauszuarbeiten.

Zum anderen darf die Frage gestellt werden, ob die Feststellung einer konkreten Wettbewerbssituation überhaupt zu den Aufgaben des EuGH gehört. Der EuGH ist berufen, das Unionsrecht - hier die MwStSystRL - auszulegen. Insofern kann er Aussagen dazu treffen, welche Rechtsfolgen sich unionsrechtlich aus dem Vorliegen oder dem Fehlen einer Wettbewerbssituation ergeben. Er kann auch abstrakt die Voraussetzungen einer Wettbewerbssituation festlegen. Die Anwendung auf den Einzelfall, hier also die Beantwortung der Frage, ob das Zurverfügungstellen von „Abstellplätzen“ auf dem Wasser und auf dem Land mit entsprechenden Infrastruktureinrichtungen miteinander in Wettbewerb steht, ist Sache der nationalen Gerichte, nicht des EuGH.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB NAAAH-56885