Online-Nachricht - Donnerstag, 26.03.2020

Lohnsteuer | Eine tatsächlich nicht erbrachte Überführungsleistung führt nicht zu einem geldwerten Vorteil (BFH)

Der Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt auf den Endpreis für die konkret zu bewertende Leistung ab. Werden mehrere Leistungen zugewandt, ist für jede Leistung gesondert eine Verbilligung und ein damit einhergehender Vorteil zu ermitteln. Wird dem Arbeitnehmer - anders als einem fremden Endkunden - tatsächlich keine Überführungsleistung (hier eines Fahrzeugs) erbracht, scheidet insoweit die Annahme eines nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewertenden geldwerten Vorteils aus (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin ermöglicht ihren den Erwerb von ihr produzierter Fahrzeuge zu vergünstigten Konditionen. Die Auslieferung der Fahrzeuge weicht in diesen Fällen von der Auslieferung gegenüber fremden Endkunden ab. Die fremden Endkunden können zwischen verschiedenen Auslieferungsmöglichkeiten wählen, bei jeder Variante werden Überführungskosten berechnet. An Mitarbeiter der Klägerin erfolgt die Auslieferung abhängig vom inländischen Beschäftigungsort am Werksstandort (Gruppe 1), am Versandzentrum Z (Gruppe 2) oder wahlweise am Versandzentrum Z (Gruppe 3a) oder an der Niederlassung der Klägerin (Gruppe 3b).

(Vergünstigte) Überführungskosten berechnet die Klägerin ihren Mitarbeitern nur im Falle der Auslieferung in einer Niederlassung außerhalb Z (Gruppe 3b); der sich hieraus ergebende geldwerte Vorteil ist zwischen den Beteiligten unstreitig. In den Fällen der Auslieferung an Mitarbeiter (Gruppen 1, 2, 3a) berechnet die Klägerin keine Überführungskosten und versteuert dementsprechend auch keinen geldwerten Vorteil.

Das FA erließ einen Haftungsbescheid, weil es davon ausging, dass auch für die Gruppen 1, 2 und 3a geldwerte Vorteile für Überführungskosten zu ermitteln sein. Den gegen den Haftungsbescheid eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Das FG wies die im Anschluss erhobene Klage ab (FG München, Urteil v 8 K 2605/16).

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück:

  • Der lohnsteuerrechtlich erhebliche, durch einen Personalrabatt veranlasste geldwerte Vorteil bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht nach dem allgemeinen Marktpreis, sondern nach dem Endpreis, zu dem der Arbeitgeber die entsprechenden Waren fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet.

  • Der Endpreis in § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt auf den Endpreis für die konkret zu bewertende Leistung ab. Werden mehrere Leistungen zugewandt, ist für jede Leistung gesondert eine Verbilligung und ein damit einhergehender Vorteil zu ermitteln. Fracht-, Liefer- und Versandkosten zählen nicht zum Endpreis i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG, weil es sich hierbei nicht um die Gegenleistung des Letztverbrauchers für die Ware handelt. Liefert der Arbeitgeber die Ware beispielsweise in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor, deren Kosten nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts erhöhen, sondern vielmehr einen gesonderten Sachbezug begründen. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 EStG.

  • Die Mitarbeiter der vorliegend allein streitigen Gruppen 1, 2 und 3a haben durch die Auslieferung der von ihnen verbilligt erworbenen und von der Klägerin, ihrer Arbeitgeberin, produzierten Fahrzeuge an den jeweiligen Werksstandorten in Deutschland (Gruppe 1) oder am Versandzentrum Z (Gruppen 2 und 3a) keinen zusätzlichen geldwerten Vorteil i.S. einer "Überführung" erlangt.

  • Die Überführung eines Fahrzeugs von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung ist damit eine zusätzliche Leistung der Klägerin an ihre Mitarbeiter, deren Kosten nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts (Fahrzeug) erhöht und damit auch nicht zum Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zählt, sondern die vielmehr ggf. einen gesonderten Sachbezug begründet. Diese Fälle waren hier allerdings nicht streitig. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein fremder Endkunde sich der Überführung und damit den durch diese ausgelösten Kosten nicht entziehen kann. Denn dies ändert nichts daran, dass die fremden Endkunden mit den Überführungskosten eine zusätzliche Leistung entgelten.

  • Da in den hier streitigen Fällen solche Überführungen gerade nicht stattgefunden haben, ist den Mitarbeitern aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses insoweit auch kein Vorteil zugeflossen, der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewerten wäre.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Die Entscheidung ist nicht nur für die Automobilbranche von Bedeutung. Denn der BFH hat - und das ist von allgemeiner Bedeutung - in der Besprechungsentscheidung (nochmals) verdeutlicht, dass Fracht-, Liefer- und Versandkosten den Sachbezugswert nicht erhöhen. Vielmehr stellt die Lieferung einer Ware - hier die Überführung eines PKW - eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer und damit einen gesondert zu bewertenden Sachbezug dar. Daraus folgt: Keine Lieferung (Überfühung), kein bewertbarer geldwerter Vorteil.

Diese Selbstverständlichkeit gilt sowohl bei einer Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG als auch bei einer solchen nach § 8 Abs. 3 EStG. Insoweit steht dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zu. Denn Bewertungsgrundnorm ist auch in Bezug auf Rabattgewährungen des Arbeitgebers § 8 Abs. 2 EStG. Die Vorschrift erfasst Arbeitgeberrabatte allerdings erst dann und nur in der Höhe als geldwerten Vorteil, als der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist (, BStBl II 2018, 724, m.w.N.). Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt, der geringer sein kann als der Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG. Denn das ist der Preis der am Ende von Verkaufsverhandlungen als letztes Angebot des Händlers stehende - auch übliche Drittrabatte umfassende - Preis (, BStBl II 2013, 402, m.w.N.).

Zwar wird sich der Arbeitnehmer wegen des Bewertungsabschlags von 4% und des Abzugs des Rabattfreibetrags bei der Bewertung nach § 8 Abs. 3 EStG regelmäßig besser stehen. Dies ist aber nicht stets der Fall. Insbesondere wenn hohe Rabatte nicht beim Arbeitgeber wohl aber am allgemeinen Markt verhandelbar sind. Bei solchen Marktgegebenheiten können Endpreis (§ 8 Abs. 3 EStG) und der günstigste Preis am Markt (§ 8 Abs. 2 EStG) so stark voneinander abweichen, dass trotz des Bewertungsabschlags und des Rabattfreibetrags ein geldwerter Vorteil nach § 8 Abs. 3 EStG erfasst wird, der nach dem Maßstab der Grundnorm des § 8 Abs. 2 EStG nicht vorliegt. Deshalb hat der BFH dem Arbeitnehmer bereits im Urteil vom (, BStBl II 2007, 309) die Möglichkeit eröffnet, zwischen § 8 Abs. 2 und 3 EStG zu wählen (s. auch , BStBl II 2013, 402; BStBl I 2013, 729). Der Arbeitgeber hat im Lohnsteuerabzug ein entsprechendes Wahlrecht (Wünnemann in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, § 8 Rz 138). Er ist jedoch nicht verpflichtet, dieses zugunsten seiner Arbeitnehmer auszuüben.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB PAAAH-45332