Online-Nachricht - Donnerstag, 05.03.2020

Kindergeld | Umorientierung während einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung (BFH)

Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen. Zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte können auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden, wenn das Kind sich nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts umorientiert und seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fortsetzt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: neuere BFH-Rechtsprechung zum Thema mehraktige Ausbildungsabschnitte

Der Kindergeldanspruch bei neben der Ausbildung ausgeübter Erwerbstätigkeit hat in der Rechtsanwendung häufig zu Problemen geführt. Insbesondere war höchst umstritten, wann ein Kindergeldanspruch aufgrund einer mehraktigen Ausbildung besteht. Mit hat der BFH seine Rechtsprechungsgrundsätze fortentwickelt und präzisiert. In diesem Zusammenhang hat er Abgrenzungskriterien aufgestellt, ob eine unschädliche einheitliche Erstausbildung oder eine schädliche Zweitausbildung vorliegt. Eine Zweitausbildung liegt demnach vor, wenn die Berufstätigkeit im Vordergrund steht. Für diese Abgrenzung sind insbesondere die Art und der zeitliche Umfang der daneben ausgeübten Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen ( sowie ). Weitere Informationen zu dieser Entscheidung finden Sie bei sowie bei .

Sachverhalt: Der Kläger ist Vater eines 1992 geborenen Sohnes (S), der nach dem Abitur eine Ausbildung bei einer Volksbank absolvierte, die im Januar 2015 endete. Die Familienkasse gewährte dem Kläger Kindergeld für S bis Januar 2015.

Nach dem Abschluss seiner Banklehre wurde S von der Volksbank als Vollzeitbeschäftigter übernommen. Bereits im April 2014 hatte er an einer Informationsveranstaltung über ein Studium am Bankkolleg des Genossenschaftsverbandes mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt teilgenommen. Der Beginn des Studiums verzögerte sich dann jedoch auf unbestimmte Zeit. S bewarb sich daraufhin am auf einen Onlinestudiengang Betriebswirtschaftslehre und nahm das Studium zum auf.

Im August 2017 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das im September 2015 aufgenommene Studium erneut Kindergeld. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück. Die anschließende Klage blieb ebenfalls ohne Erfolg ().

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:

  • Der BFH sieht folgende Begrenzungen für den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG:

    • Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln,

    • Der auf einen Abschluss in Form einer Prüfung ausgerichtet ist,

    • Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, zur Aufnahme eines Berufs befähigen;

    • Mehrere Ausbildungsabschnitte können eine einheitliche Erstausbildung bilden, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann;

    • Dabei kommt es darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.

  • Im Streitfall liegt der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Banklehre und dem Betriebswirtschaftsstudium vor, denn S hatte schon im April 2014 an einer Informationsveranstaltung für einen weiteren Ausbildungsabschnitt teilgenommen (objektives Beweisanzeichen dafür, dass S die Ausbildung noch nicht als beendet ansah).

  • Der erforderliche enge sachliche Zusammenhang liegt ebenfalls zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und dem Betriebswirtschaftsstudium vor. Insbesondere führt die Umorientierung des Kindes (Betriebswirtschaftsstudium statt Bankkolleg) nicht zu der Annahme einer mehraktigen Ausbildung.

  • Die Rechtsgrundsätze zum Erstausbildungsbegriff sind für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit einer daneben ausgeübten Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, fortzuentwickeln und zu präzisieren (). Dazu führt der BFH allgemein aus:

    • Eine einheitliche Erstausbildung ist dann nicht gegeben, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben durchgeführten weiteren Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten.

    • Ob die Berufstätigkeit dabei die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden.

    • Für diese Entscheidung kommt es u.a. auf Art und Umfang der Berufstätigkeit sowie das Verhältnis zur Ausbildungsmaßnahme an.

    • Soweit sich aus der BFH-Rechtsprechung ( und ) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht weiter festgehalten. Der VI. Senat hat mitgeteilt, dass er einer Abweichung von seinem Urteil () zustimmt.

  • Das angegriffene FG-Urteil entspricht diesen fortentwickelten Rechtsgrundsätzen nicht und ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB MAAAH-43765