Online-Nachricht - Dienstag, 19.11.2019

Umsatzsteuer | FG Münster stellt sog. Energetische Aufteilungsmethode bei BHKW in Frage

Die Ermittlung Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe von Wärme aus einer Biogasanlage bzw. einem BHKW ist einheitlich vorzunehmen. Die sog. Energetische Aufteilungsmethode zur Aufteilung der Selbstkosten wird angewandt. Die über Maislieferungen und anschließender Rücklieferung der Gärreste ausgestellten Gutschriften berechtigen zum Vorsteuerabzug, wenn sie ordnungsgemäß sind. Insbesondere stelle die Gärreste keinen wertlosen Abfall dar (, Revision zugelassen).

Sachverhalt: Der Kläger betreibt eine Biogasanlage und mehrere BHKW. Der Kläger veräußerte in den Jahren 2009 bis 2011 den durch das BHKW erzeugten Strom an einen örtlichen Energieversorger. Für 2009 belief sich das insgesamt erhaltene Entgelt für gelieferten Strom auf 680.000 €. Die vom BHKW in dieser Zeit erzeugte Wärme verwendete der Kläger zum einen für private Zwecke (z.B. Beheizen des privaten Wohnhauses) und zum anderen für die an den Betriebsleiter vermietete Wohnung. Darüber hinaus wurde Wärme an die C KG zur Getreidetrocknung veräußert. Am Kapital der C KG war der Kläger zu 40/82 bei einer Gewinnpartizipation und Stimmrechten von 50 % beteiligt. Ab November 2011 wurde Wärme auch an den „Nachbarhof S“ verkauft.

Außerdem bezieht der Kläger von der C KG und anderen Landwirten Mais für den Betrieb der Biogasanlage. Die nach Verwendung übrigbleibenden Gärreste (Dünger) werden anschließend von der C KG bzw. den Landwirten zurückgenommen. Die Abrechnung erfolgt mittels Gutschrift zu einem einheitlichen Steuersatz.

Das FA kam in 2013 zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Abgabe der Wärme für den nichtunternehmerischen Bereich um eine unentgeltliche Wertabgabe (uWA) i. S. d. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG handelt. Die uWA wurde der Umsatzsteuer unterworfen.

Zudem kam das FA zu dem Schluss, dass die Entsorgungsleistung der Gärreste durch die liefernden Landwirte, eine sonstige Leistung des jeweiligen Landwirts gegenüber der Biogasanlage ist. Diese sonstige Leistung falle nicht unter die Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG, da es sich nicht um eine landwirtschaftliche Dienstleistung handle.

Weiterhin lassen die Gutschriften nicht eindeutig erkennen, welche Leistungen unter der Bezeichnung der Gärrestvergütung gemeint sind, daher versagte das FA den Vorsteuerabzug.

Die eingelegten Einsprüche blieben erfolglos, so dass der Kläger Klage erhob.

Das FG Münster gibt der Klage statt:

  1. Vorsteuerabzug aus Gutschriften

    • An tatsächlichen Vorgängen ist festzustellen, dass der Kläger von verschiedenen Landwirten, Mais angeliefert bekommen hat und dass diese Unternehmer jeweils nach Verwertung des Maises in der Biogasanlage die als Dünger verwendbaren Gärreste abgeholt haben. Der Kläger hat den anliefernden Unternehmern einen Geldbetrag überwiesen.

    • Die Beurteilung, wie viele verschiedene Leistungen ausgetauscht wurden und welcher Art diese Leistungen waren, folgt aus den vertraglichen Vereinbarungen. Nur daraus ist erkennbar, ob einer der Vertragspartner bereit war, für die Handlung eines der am Vertrag Beteiligten bzw. für den Erhalt eines Gegenstands von einem Vertragspartner ein Entgelt zu entrichten.

    • Aus den vertraglichen Vereinbarungen und den letztlich korrigierten Gutschriften sind zwei Leistungen abzuleiten, nämlich einerseits eine Lieferung von Mais einschließlich der in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe an den Kläger, und einer Lieferung des Gärrestes (Dünger) durch den Kläger an die Lieferanten.

    • Es handelt sich bei den Gärresten nicht um wertlosen Abfall, so dass der Landwirt ein Interesse an der Abnahme des Düngers hat und keine reine Entsorgungsleistung vorliegt.

    • Die Gutschriften sind ordnungsgemäß und berechtigen daher zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG i. V. m. §§ 14, 14a UStG).

    • Im Ergebnis hat der Kläger einen Vorsteuerabzug aus den Gutschriften.

  2. BMG für die uWA und Aufteilung der Selbstkosten

    • Die vom Kläger privat verbrauchte durch die Biogas-Anlage produzierte Wärme ist als uWA zu versteuern (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG).

    • Die BMG dieses Umsatzes bemisst sich nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG. Demnach wird der Umsatz bei uWA nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten bemessen, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes.

    • Im Streitfall sind die Selbstkosten zugrunde zu legen, da sich ein Einkaufspreis nicht ermitteln lässt. Denn der Betrieb des Klägers war nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Damit scheidet eine Bemessung der Wertabgabe anhand von Preisen für Fernwärme aus (vgl. , Rn. 39; , Rn. 33).

    • Für die Lieferung von Wärme an die C KG (pauschal versteuernder Landwirt nach § 24 UStG) sind § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG ebenfalls die Selbstkosten, anzusetzen, da die BMG das vereinbarte Entgelt übersteigt, aber unter dem marktüblichen Entgelt liegt (verbilligte Abgabe an nahestehende Person).

    • Beim Kläger handelt es sich um einen Einzelunternehmer und der C KG um eine dem Kläger nahestehenden Person. Eine Mehrheitsbeteiligung ist für die Qualifizierung einer Gesellschaft als nahestehende Person nicht erforderlich.

    • Für die Prüfung, ob die BMG unter dem Marktpreis liegt, bieten die jährlichen Energiedaten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eine einfache und praktische Möglichkeit, den Marktpreis für Fernwärme allgemein festzustellen. Insofern ist es nicht ausgeschlossen, dass für zukünftige Kalenderjahre – mangels besserer Erkenntnismöglichkeiten – auf diese Daten zurückgegriffen werden muss. Für die Streitjahre, für die konkrete Daten betreffend den Wärmepreis aus Biogasanlagen vorhanden sind, sind diese genaueren Daten heranzuziehen.

    • Die Verwendung von Wärme für die an den Betriebsleiter umsatzsteuerfrei vermietete Wohnung löst keine unentgeltliche Wertabgabe aus. Die BMG wird daher nicht nach § 10 Abs. 4 UStG ermittelt. Dem Endverbrauch der Wärme wird bei derartiger Verwendung über eine Aufteilung der Vorsteuern Rechnung getragen.

    • Gemäß § 15 Abs. 4 S. 2 UStG sind die Vorsteuern nicht unterschiedslos nach der produzierten Leistung in kWh, sondern nach dem Verhältnis der Marktpreise der im Streitjahr produzierten Strom- und Wärmemenge aufzuteilen (vgl. , Rn. 23).

    • Bei den für die BMG der uWA anzusetzenden Selbstkosten sind auch die von der Vorsteuer entlasteten Kosten zu berücksichtigen. Die Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG erfasst hingegen nur die vorsteuerbelasteten Kosten.

    • Während für die Kostenbasis ex lege unterschiedliche Werte zwischen § 15 Abs. 4 UStG und § 10 Abs. 4 UStG zu ermitteln sind, ist das FG Münster der Auffassung, dass für den Aufteilungsmaßstab keine Unterscheidung angezeigt ist, wenn einheitliche Kosten auf verschiedene Produkte aufzuteilen sind.

    • Im Ergebnis ist die BMG für die Wärmeabgabe bei Aufteilung des Selbstkostenpreises nach der Marktwertmethode unter Berücksichtigung eines Marktpreises für Wärme aus Biogasanlagen zu ermitteln.

Hinweis:

Das FG Münster wendet im Urteilsfall nicht nur für die Aufteilung der (vorsteuerbelasteten) Kosten nach § 15 Abs. 4 UStG die Marktwertmethode an, sondern auch für die Aufteilung der in die Selbstkosten des § 10 Abs. 4 S. 1 UStG einzustellenden Aufwendungen bei der uWA bzw. der Veräußerung an nahestehende Personen über § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG.

Damit widerspricht das FG Münster mit seiner Rechtsaufassung ausdrücklich dem obiter dictum des FG Niedersachsen (vgl. ) und der Entscheidung des FG Baden-Württemberg (vgl. ). In diesen Entscheidungen wurde die Auffassung vertreten, dass eine Aufteilung der Selbstkosten für mehrere Gegenstände, hier Strom und Wärme, nicht nach Marktwerten, sondern nach produzierten kWh zu erfolgen habe (sog. Energetische Aufteilungsmethode). Die Selbstkosten seien grundsätzlich im Verhältnis der erzeugten Mengen an elektrischer und thermischer Energien in der einheitlichen Messgröße kWh aufzuteilen.

Das FG Münster hält allein eine Aufteilung der Selbstkosten i. S. d. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG nach Marktpreisen der einzelnen produzierten Gegenstände für sachgerecht. Dafür sprechen zum einen die Zielsetzung der Vorschriften, die aus den Eingangsleistungen gezogenen Vorsteuern zu korrigieren und zum anderen die erhebliche Divergenz in der Wertigkeit der Wärmeproduktion und Stromproduktion. Die Wärmeproduktion ist nach Auffassung des FG nur Nebenprodukt zur Elektrizität als Hauptprodukt und kann daher nicht gleichermaßen an der Aufteilung der Selbstkosten partizipieren.

Die Revision zum BFH wurde zugelassen und ist unter BFH-Az. XI R 31/19 anhängig.

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Quelle: ; (ImA)

Fundstelle(n):
NWB SAAAH-35261