BAG Urteil v. - 9 AZR 179/15

(Wartezeit iSd. § 4 BUrlG - Teilurlaubsanspruch)

Leitsatz

Wird ein Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 1. Juli eines Jahres begründet, kann der Arbeitnehmer in diesem Jahr nach § 4 BUrlG keinen Vollurlaubsanspruch erwerben.

Gesetze: § 4 BUrlG, § 5 Abs 1 Buchst c BUrlG, § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Rheine Az: 3 Ca 453/14 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 16 Sa 1207/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf weitere Urlaubsabgeltung.

2Der Kläger war vom bis zum als Diensthundeführer BW-Bereich bei der Beklagten in einer Sechstagewoche beschäftigt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom fand der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom (MTV) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Der MTV enthält bezüglich des Urlaubs ua. folgende Regelungen:

3Während des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger keinen Urlaub. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte ihm die Beklagte Urlaubsabgeltung für 13 Urlaubstage iHv. 1.170,39 Euro brutto.

4Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Abgeltung von 13 weiteren Urlaubstagen geltend gemacht. Dazu hat er die Auffassung vertreten, im Jahr 2013 sei der volle Urlaubsanspruch entstanden.

5Der Kläger hat beantragt,

6Zu ihrem Klageabweisungsantrag hat die Beklagte die Auffassung vertreten, sie habe den Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers vollständig erfüllt. Der volle Urlaubsanspruch entstehe nach dem BUrlG erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe im Jahr 2013 aber nicht länger als sechs Monate bestanden. Es stelle einen unauflöslichen Wertungswiderspruch dar, wenn nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG bei einem Arbeitsverhältnis, das vom 1. Januar bis zum 30. Juni eines Jahres bestehe, kein Vollurlaubsanspruch entstände, jedoch ein Vollurlaubsanspruch erworben würde, wenn das Arbeitsverhältnis vom 1. Juli bis zum 31. Dezember eines Jahres bestehe.

7Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die arbeitsgerichtliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

8Die zulässige Revision ist nicht begründet. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 5 Ziff. 6 Satz 2 MTV auf Zahlung weiterer 1.170,39 Euro brutto nebst Zinsen.

9I. Nach § 5 Ziff. 4 Satz 1 MTV erhalten neu eintretende Arbeitnehmer so viele Zwölftel des ihnen zustehenden Jahresurlaubs, wie sie volle Monate im laufenden Kalenderjahr beschäftigt waren. Da der Kläger vom bis zum und damit nur sechs volle Monate beschäftigt war, standen ihm 13 tarifliche Urlaubstage aus dem Jahr 2013 zu (26 Urlaubstage pro Jahr dividiert durch zwölf Monate pro Jahr mal sechs Monate ergibt 13 Urlaubstage).

10II. Entgegen der Ansicht des Klägers hat er im Jahr 2013 keinen vollen Urlaubsanspruch, sondern nur einen Teilurlaubsanspruch gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG erworben.

111. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf § 4 BUrlG als maßgebende Norm abgestellt. Nach dieser Vorschrift wird der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Die Formulierung „nach sechsmonatigem Bestehen“ zeigt, dass der volle Urlaubsanspruch nicht bereits „mit dem sechsmonatigen Bestehen“ erworben wird und der Ablauf der Wartezeit und das Entstehen des Vollurlaubsanspruchs damit nicht zusammenfallen (so die hM im Schrifttum, vgl. MüArbR/Düwell 3. Aufl. Bd. 1 § 78 Rn. 21; Friese Urlaubsrecht Rn. 57, 72; ErfK/Gallner 16. Aufl. § 5 BUrlG Rn. 9; AR/Gutzeit 7. Aufl. § 4 BUrlG Rn. 7; HK-ArbR/Holthaus 3. Aufl. § 4 BUrlG Rn. 4; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 4 Rn. 19; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 104 Rn. 26; Arnold/Tillmanns/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 4 Rn. 28; HWK/Schinz 6. Aufl. § 4 BUrlG Rn. 12; aA Bachmann in GK-BUrlG 5. Aufl. § 5 Rn. 9; Hk-BUrlG/Hohmeister 3. Aufl. § 5 Rn. 28; Neumann/Fenski BUrlG 10. Aufl. § 5 Rn. 6). § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG nimmt auf die Wartezeit des § 4 BUrlG Bezug und regelt, dass ein Teilurlaubsanspruch dann entsteht, wenn wegen deren Nichterfüllung kein Vollurlaubsanspruch erworben wird.

122. Nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG entsteht nur ein Teilurlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dies umfasst auch ein Ausscheiden mit Ablauf des 30. Juni eines Kalenderjahres ( - zu 1 d der Gründe, BAGE 18, 345; ErfK/Gallner § 5 BUrlG Rn. 16; Neumann/Fenski § 5 Rn. 26; aA Hk-BUrlG/Hohmeister § 5 Rn. 70 ff.). Dies sieht auch der Kläger so. Vor dem Hintergrund des Gebots, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG), überzeugt seine Ansicht nicht, dass in einem Arbeitsverhältnis, das am 1. Juli begonnen hat, bereits mit Ablauf des 31. Dezember ein Vollurlaubsanspruch entstehen soll.

133. § 1 BUrlG ordnet iVm. § 3 Abs. 1 BUrlG an, dass jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 24 Werktage bezahlten Erholungsurlaub hat. Die gesetzliche Regelung geht damit nicht davon aus, dass ein Arbeitnehmer, der bei einem Arbeitgeber vom 1. Januar bis zum 30. Juni und bei einem anderen Arbeitgeber vom 1. Juli bis zum 31. Dezember desselben Jahres beschäftigt war, zweimal einen vollen Urlaubsanspruch im Umfang von jeweils 24 Werktagen erwirbt (vgl.  - Rn. 23, BAGE 141, 27).

144. Soweit dem Urteil des Fünften Senats des - 5 AZR 395/66 -) zu entnehmen sein sollte, dass der volle Urlaubsanspruch bereits mit Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit entsteht, hält der nunmehr für das Urlaubsrecht zuständige Neunte Senat daran nicht fest.

15III. Der Kläger hat im Jahr 2014 nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG keine Urlaubsansprüche erworben. In diesem Jahr hat das Arbeitsverhältnis keinen vollen Monat bestanden.

16IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:171115.U.9AZR179.15.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 1528 Nr. 25
BB 2016 S. 436 Nr. 7
DB 2016 S. 539 Nr. 9
DB 2016 S. 7 Nr. 6
NJW 2016 S. 734 Nr. 10
ZIP 2016 S. 1243 Nr. 25
YAAAF-66055