BFH Urteil v. - VI R 27/10 BStBl 2012 II S. 288

Steuerfreiheit von pauschalen Zuschlägen für Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Nachtarbeit

Leitsatz

Pauschale Zuschläge sind nicht nach § 3b EStG steuerfrei, wenn sie nicht als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Nachtarbeit gezahlt werden, sondern Teil einer einheitlichen Tätigkeitsvergütung sind (Abgrenzung zu VI R 16/08).

Gesetze: EStG § 3b

Instanzenzug: (EFG 2010, 1871) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

1Streitig ist, ob eine pauschale Flugzulage, die neben den allgemeinen Berufserschwernissen des fliegenden Personals auch Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit entgelten soll, insoweit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei ist.

2Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Flugkapitän und war in den Streitjahren als Arbeitnehmer bei der Firma X —2002— und anschließend bei der Firma Y —2005— beschäftigt, beide ansässig in A, Österreich. Er absolvierte ausschließlich Langstreckenflüge von Österreich nach Z. Grundlage für das Arbeitsverhältnis bildete der Kollektivvertrag, abgeschlossen zwischen der Wirtschaftskammer Österreich und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund vom und dessen Neufassung vom („Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Firma Y und Firma X”) mit dem Anhang I (Einstufung, Umstufung und Verwendungsgruppen), dem Anhang II (Gehalttabellen gültig ab dem ) und dem Anhang III (Zeitzonen-Tabelle). Nach Anhang I 1. setzte sich das Brutto-Monatsentgelt des Klägers aus Grundgehalt und einer Flugzulage (§ 9 des Kollektivvertrages) in Höhe von 36,90 % des Grundgehalts zusammen. Zwischen den Tarifparteien wurde bezüglich der Flugzulage eine Widmung erstellt, in der eine Aufteilung nach Nachtarbeit, Samstagsarbeit, Sonntagsarbeit und für allgemeine Berufserschwernisse erfolgt (in der vor dem gültigen Fassung). In dieser „Widmung Flugzulage Fliegendes Personal” wird ausgeführt:

3 Um im Einzelfall keine separate Berechnung der tatsächlichen Höhe der aus den wechselnden Einsätzen eines Dienstnehmers während der Nachtzeit, für Arbeiten an Samstagen und Sonntagen sowie für die speziellen Berufserschwernisse gebührenden Flugzulage durchführen zu müssen, werden die zustehenden Zulagenkomponenten pauschal im Wege einer monatlich gleichbleibenden Flugzulage abgegolten, da davon ausgegangen werden kann, dass die Dienstnehmer…wechselnd zwischen Mittel- und Langstrecke eingesetzt werden.   Bezüglich der Aufteilung der Flugzulage auf einzelne Zulagenkomponenten kann von folgender grundsätzlicher Verteilung ausgegangen werden:


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Für Nachtarbeit:
auf 20 % des Grundgehalts eine 100 % Zulage  
  = 20 %
Für Samstagarbeit:
auf 14,3 % des Grundgehalts eine 50 % Zulage  
  =  7 %
Für Sonntagarbeit:
auf 14,3 % des Grundgehalts eine 100 % Zulage  
  = 14 %
Für allgem. Berufserschwernisse
auf 100 % des Grundgehalts eine 25 % Zulage”.
  = 25 %

4Im Veranlagungszeitraum 2002 erhielt der Kläger einen Betrag in Höhe von 21.479,86 € und im Veranlagungszeitraum 2005 einen Betrag in Höhe von 27.765,52 € an Flugzulagen vergütet.

5 In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger anhand nachfolgender Berechnung  


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2002  
 
Nachtarbeit 20 % des Grundgehalts (36.799,86 €)  
   7.359,97 €
Sonntagsarbeit 14,3 % des Grundgehalts (36.799,86 €)
   5.262,38 €
  Insgesamt
  12.622,35 €
 
2005  
 
Nachtarbeit 20 % des Grundgehalts (47.479,72 €)  
   9.495,94 €
Sonntagsarbeit 14,3 % des Grundgehalts (47.479,72 €)  
   6.789,60 €
Insgesamt
16.285,54 €

  erfolglos geltend, dass hiervon im Streitjahr 2002 ein Betrag in Höhe von 12.622,35 € und im Streitjahr 2005 ein Betrag in Höhe von 16.285,54 € auf Nacht- und Sonntagsarbeit entfielen und deshalb steuerfrei zu belassen seien. Auch der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

6Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1871 veröffentlichten Gründen ab.

7Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

8Er beantragt,

das sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2002 und 2005 jeweils vom in der Weise zu ändern, dass Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit im Jahr 2002 in Höhe von 12.622,35 € und im Jahr 2005 in Höhe von 16.285,54 € steuerfrei gestellt werden.

9Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

10Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keine nach § 3b EStG steuerfreien Zuschläge erzielt hat.

11a) Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden.

12aa) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt (s. auch R 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Lohnsteuer-Richtlinien), von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen); er ist in einen Stundenlohn umzurechnen (, BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43, m.w.N.).

13bb) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist weiter, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein (Moritz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3b EStG Rz 21). Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagsarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist (vgl. , Zeitschrift für Tarifrecht 2004, 212). Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil in BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43, m.w.N.).

14cc) Nach den Feststellungen des FG, die vom Kläger nicht angegriffen wurden und an die der Senat daher gebunden ist, hat der Kläger im Streitfall neben dem Grundlohn keine Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit bezogen. Die streitige Flugzulage, die auch die Erschwernisse der Nacht- und Sonntagsarbeit entgilt, ist vielmehr Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte auch nachts und sonntags geleistete Tätigkeit des Klägers.

15Nach Anhang I 1.1 zum Kollektivvertrag setzte sich das Brutto-Monatsentgelt des Klägers aus Grundgehalt und einer Flugzulage (§ 9 des Kollektivvertrages) in Höhe von 36,90 % des Grundgehalts zusammen. Der Schluss des FG, dass es aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Bestimmung an der vom Gesetz verlangten Trennung von Grundlohn und Zuschlägen fehlt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine derartige Auslegung des Arbeitsvertrags erscheint dem erkennenden Senat vorliegend nicht nur möglich, sondern naheliegend. Denn im Streitfall steht das monatliche Entgelt des Klägers in keinem Bezug zu seiner tatsächlich erbrachten zuschlagswürdigen Arbeitsleistung. Grundgehalt und Flugzulage werden vielmehr ungeachtet der Einsatzzeiten des Klägers in stets gleicher Höhe geschuldet. Außerdem wird diese monatlich gleichbleibende Pauschale auch im Rahmen der Urlaubs- und Weihnachtssonderzahlung sowie im Krankheitsfall gewährt. Überdies spricht der Umstand, dass die Flugzulage als Teil des Brutto-Monatsentgelts in die Berechnung von Abfertigungen (Abfindungen) und dem Jubiläumsgeld eingeht, für die Sicht des FG, dass im Streitfall der Grundlohn des Klägers i.S. von § 3b Abs. 2 EStG aus Grundgehalt und Flugzulage besteht.

16b) Soweit der Kläger hiergegen einwendet, dass die pauschale Flugzulage ausweislich der „Widmung Flugzulage Fliegendes Personal” einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 20 % des Grundgehalts und einen Sonntagsarbeitszuschlag in Höhe von 14 % enthalte und deshalb insoweit steuerfrei zu belassen sei, verkennt er, dass pauschale Zuschläge, die dem Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags- oder Nachtarbeit gezahlt werden, nur dann und insoweit steuerfrei sind, als sie den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Stunden zu diesen Zeiten entsprechen. Auch sind die Zuschläge jeweils vor Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, somit regelmäßig spätestens zum Ende des Kalenderjahres bzw. beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis zu errechnen. Dabei ist für die Ermittlung der im Einzelnen nachzuweisenden Zuschläge auf das Kalenderjahr oder, im Fall des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis, auf den Zeitraum vom Beginn des Kalenderjahres bis zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis abzustellen. Stimmt die Summe der Pauschalzahlungen mit der Summe der für den in Betracht kommenden Zeitraum ermittelten steuerfreien Zuschläge nicht überein und hat der Arbeitnehmer weniger zuschlagspflichtige Stunden geleistet als durch die Pauschalzahlungen abgegolten sind, so ist die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag steuerpflichtiger Arbeitslohn (, BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293; vom VI R 20/84, BFH/NV 1988, 496; vom VI R 55/91, BFHE 169, 515, BStBl II 1993, 314; s. auch , BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725, und vom VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201).

17Daran fehlt es im Streitfall. Das FG hat bindend festgestellt, dass der Kläger die anteiligen Zuschläge nicht als Abschlagszahlungen, sondern endgültig erhalten hat. Folgerichtig sind die Zuschläge weder zum Ende des Kalenderjahres errechnet noch ist eine Einzelabrechnung bis zum jährlichen Abschluss des Lohnkontos vorgenommen worden, obwohl eine solche Abrechnung grundsätzlich unverzichtbar ist (BFH-Entscheidungen in BFHE 169, 515, BStBl II 1993, 314; in BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725; vom IX B 178/04, BFH/NV 2005, 1553; vom VI B 123/03, BFH/NV 2004, 335).

18Die grundsätzlich zu fordernde Aufzeichnung über tatsächlich erbrachte Arbeitsstunden sonntags und zur Nachtzeit sowie eine jährliche Abrechnung gemäß § 41b Abs. 1 Satz 1 EStG waren auch unter den besonderen Umständen des Streitfalles nicht entbehrlich. Denn die Höhe der Flugzulage und damit auch der streitigen Zuschlagsanteile beruht ausweislich der Revisionsbegründung auf Erfahrungswerten der Luftfahrtbranche. Aufgrund der elektronischen Aufzeichnungen an Bord des Flugzeugs mag zwar der Umfang der tatsächlich vom Kläger geleisteten Nacht- und Sonntagsarbeit erkennbar sein, nicht aber, ob die Zuschläge arbeitsvertraglich so bemessen sind, dass sie auch unter Einbeziehung von Urlaub und sonstigen Fehlzeiten —aufs Jahr bezogen— die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllten (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 201). Da der Kläger seine Arbeitsleistung auch nicht fast ausschließlich zur Nachtzeit (§ 3b Abs. 2 Satz 2 EStG) erbracht hat, kann er sich nicht auf verminderte Anforderungen bezüglich dieser Nachweispflicht berufen (vgl. , BFHE 159, 157, BStBl II 1990, 315).

19Nach alldem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.

Fundstelle(n):
BStBl 2012 II Seite 288
BB 2011 S. 469 Nr. 8
BBK-Kurznachricht Nr. 6/2011 S. 248
BFH/NV 2011 S. 683 Nr. 4
BFH/PR 2011 S. 166 Nr. 5
BStBl II 2012 S. 288 Nr. 7
DB 2011 S. 396 Nr. 7
DStR 2011 S. 358 Nr. 8
DStRE 2011 S. 324 Nr. 5
DStZ 2011 S. 224 Nr. 7
EStB 2011 S. 96 Nr. 3
FR 2011 S. 578 Nr. 12
HFR 2011 S. 385 Nr. 4
NJW 2011 S. 10 Nr. 10
NJW 2011 S. 2240 Nr. 30
NWB-Eilnachricht Nr. 8/2011 S. 596
StB 2011 S. 97 Nr. 4
StBW 2011 S. 193 Nr. 5
StC 2011 S. 9 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2011 S. 153
IAAAD-61302