EuGH Urteil v. - C-445/05

Steuerbefreiung für Honorare freier Mitarbeiter von Volkshochschulen

Leitsatz

[1] Unter Umständen kann die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL für von einem Einzelnen mit dem Status eines freien Mitarbeiters erbrachte Tätigkeiten, die in der Erteilung von Schularbeitshilfe sowie Keramik- und Töpferkursen in Erwachsenenbildungseinrichtungen bestehen, nur dann gewährt werden, wenn es sich bei diesen Tätigkeiten um die Erteilung von Schul- oder Hochschulunterricht durch einen für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelnden Lehrer handelt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

Gesetze: EG Art. 234; Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Haderer, Kläger des Ausgangsverfahrens, und dem Finanzamt Wilmersdorf (im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, den Kläger von der Mehrwertsteuer zu befreien, zu der er für die von ihm im Jahr 1990 als freier Mitarbeiter des Landes Berlin ausgeübte Unterrichtstätigkeit herangezogen worden war.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 13 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

"A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten

1. Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

i) die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

j) den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht;

..."

Nationales Recht

4 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

- die in § 4 Nr. 21 Buchst. b des deutschen Umsatzsteuergesetzes 1980 (im Folgenden: UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung vorgesehene Steuerbefreiung nur für die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen gilt, nicht aber für freie Mitarbeiter, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen, und

- nur die in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Einrichtungen, d. h. die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, Volkshochschulen und Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, von der Steuer befreit sind. Demnach sind Leistungen, die diesen Einrichtungen von natürlichen Personen erbracht werden, nicht steuerfrei.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

5 Gemäß der Vorlageentscheidung war Herr Haderer jahrelang als freier Mitarbeiter für das Land Berlin tätig. Im Jahr 1990 erteilte er an einer Volkshochschule Schularbeitshilfe und leitete an einer anderen Volkshochschule und in einem Elternzentrum Keramik- und Töpferkurse. Die Beschäftigungszeit des Klägers betrug 1990 insgesamt regelmäßig über 30 Stunden in der Woche.

6 Die Verträge, aufgrund deren Herr Haderer die genannten Leistungen erbrachte, wurden mit dem Land Berlin jeweils mit halbjähriger Laufzeit abgeschlossen. Sie enthielten Klauseln, denen zufolge durch sie kein "Beschäftigungsverhältnis" im Sinne des deutschen Arbeitsrechts begründet werde.

7 Die Herrn Haderer vom Land Berlin gezahlten Honorare wurden auf Stundenbasis errechnet. Sozialversicherungsbeiträge, Versicherungen und Steuern wurden nicht einbehalten. Ein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Verhinderungsfall bestand nicht, und Herr Haderer trug auch bei Ausfallen der Kurse das Honorarrisiko, selbst wenn der Grund im fehlenden Teilnehmerkreis lag.

8 Herr Haderer erhielt im Rahmen dieser Verträge einen Zuschuss zu den Kosten seiner Kranken- und Rentenversicherung und eine prozentual bemessene Urlaubsabgeltung.

9 Da das Finanzamt von Herrn Haderer keine Umsatzsteuererklärung für die Jahre 1989 bis 1991 erhalten hatte, setzte es die Umsatzsteuer für 1990 im Wege der Schätzung mit der Begründung fest, dass er die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nrn. 21 oder 22 UStG nicht erfülle.

10 Das Finanzgericht wies die von Herrn Haderer gegen diesen Umsatzsteuerbescheid erhobene Klage mit der Begründung ab, dass seine Leistungen nach dem Umsatzsteuergesetz nicht steuerfrei seien,

11 Mit der Revision an das vorlegende Gericht macht Herr Haderer u. a. geltend, dass der von ihm 1990 erteilte Unterricht gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Sechsten Richtlinie umsatzsteuerfrei sei.

12 Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs können die von Herrn Haderer erbrachten Dienstleistungen nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit sein, weil eine natürliche Person nicht als "andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" anzusehen sei. Gleichwohl stelle sich die Frage, ob von einem Privatlehrer erteilter Unterricht nach Abs. 1 Buchst. j dieser Vorschrift nur dann befreit sei, wenn der Lehrer die Unterrichtsleistung unmittelbar den Schülern als Leistungsempfängern erbringe, von diesen also bezahlt werde, oder ob es ausreiche, dass die Leistung - wie im vorliegenden Fall - an einer Schule oder Hochschule erbracht werde.

13 Da der Bundesfinanzhof eine Auslegung der Sechsten Richtlinie für erforderlich hält, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist ein von einem Privatlehrer erteilter Schul- und Hochschulunterricht nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie von der Steuer zu befreien, wenn der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung direkt den Schülern/Hochschülern als Leistungsempfängern erbringt - also von diesen bezahlt wird -, oder reicht es aus, dass der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung einer Schule oder Hochschule als Leistungsempfänger erbringt?

Zur Vorlagefrage

14 Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob Unterrichtstätigkeiten, die ein Einzelner unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als freier Mitarbeiter ausübt, gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie von der Umsatzsteuer befreit sein können. Vor allem wirft es die Frage auf, ob diese Befreiung voraussetzt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Unterrichtenden als Leistungserbringer und den Schülern/Hochschülern als den Empfängern der Unterrichtsleistung besteht, was seiner Ansicht nach impliziert, dass Letztere den Unterrichtenden unmittelbar bezahlen.

15 Das Finanzamt und die italienische Regierung sind der Ansicht, dass Tätigkeiten der im Ausgangsverfahren fraglichen Art nicht von der Umsatzsteuer zu befreien seien. Die griechische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften meinen demgegenüber, dass derartige Tätigkeiten steuerfrei sein müssten.

16 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten durch Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit werden sollen. Diese Befreiung betrifft jedoch nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten, sondern nur diejenigen, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. Urteile vom , Institute of the Motor Industry, C-149/97, Slg. 1998, I-7053, Randnr. 18, vom , Ygeia, C-394/04 und C-395/04, Slg. 2005, I-10373, Randnr. 16, und vom , VDP Dental Laboratory, C-401/05, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 24).

17 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (vgl. Urteile vom , CPP, C-349/96, Slg. 1999, I-973, Randnr. 15, vom , Skandia, C-240/99, Slg. 2001, I-1951, Randnr. 23, und Ygeia, Randnr. 15).

18 Die Begriffe, mit denen die genannten Steuerbefreiungen umschrieben sind, sind eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. Urteile vom , Kommission/Deutschland, C-287/00, Slg. 2002, I-5811, Randnr. 43, und vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, Slg. 2003, I-13711, Randnr. 36). Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (vgl. Urteile vom , Dornier, C-45/01, Slg. 2003, I-12911, Randnr. 42, vom , Kingscrest Associates und Montecello, C-498/03, Slg. 2005, I-4427, Randnr. 29, und vom 8. Juni 2006, L.u.P., C-106/05, Slg. 2006, I-5123, Randnr. 24). Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet also nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Temco Europe, C-284/03, Slg. 2004, I-11237, Randnr. 17, und für den Hochschulunterricht Kommission/Deutschland, Randnr. 47).

19 Dies muss auch für die spezifischen Bedingungen gelten, von denen die Gewährung dieser Befreiungen abhängig gemacht wird, und insbesondere für diejenigen, die die Eigenschaft oder die Identität des Wirtschaftsteilnehmers betreffen, der die von der Befreiung erfassten Leistungen erbringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Gregg, C-216/97, Slg. 1999, I- 4947, Randnrn. 16 bis 20).

20 Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass Herr Haderer in Deutschland nicht als jemand angesehen wird, der Ziele verfolgt, die denen der Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie vergleichbar sind.

21 Daher ist zu prüfen, ob Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren fraglichen unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie fallen können, wonach "von Privatlehrern erteilte[r] Schul- und Hochschulunterricht" von der Steuer befreit ist.

22 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie enthält keine Definition des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht".

23 Während das vorlegende Gericht nicht ausschließt, dass die Tätigkeiten, um die es im Ausgangsverfahren geht, von diesem Begriff erfasst sein können, macht das Finanzamt geltend, dass die von Herrn Haderer erteilten Keramik- und Töpferkurse in Anbetracht der engen Auslegung, die bei Umsatzsteuerbefreiungen geboten sei, von ihren Anforderungen her gesehen nicht dem Unterricht entsprächen, der üblicherweise an Schulen oder Hochschulen erteilt werde. Solche Kurse dienten vielmehr nur der Freizeitgestaltung. Das Finanzamt macht geltend, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie außer dem Schul- oder Hochschulunterricht "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen" sowie "die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung" erfasse, während Abs. 1 Buchst. j der Vorschrift unter Ausschluss jeder anderen Form von Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung lediglich den Unterricht erwähne.

24 Zwar sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen, doch würde eine besonders enge Auslegung des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht" die Gefahr einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems hervorrufen, weil die jeweiligen Unterrichtssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich gestaltet sind. Derartige Unterschiede wären mit den in Randnr. 17 dieses Urteils genannten Anforderungen der Rechtsprechung unvereinbar.

25 Soweit das Vorbringen des Finanzamts zu diesem Punkt auf einer besonderen Auslegung der Begriffe "Schule" und "Hochschule" im Sinne des deutschen Bildungssystems beruhen sollte, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Beantwortung der Frage, ob ein bestimmter Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen oder von ihr zu befreien ist, nicht davon abhängen kann, wie er nach nationalem Recht qualifiziert wird (vgl. Urteil Kingscrest Associates und Montecello, Randnr. 25).

26 Im Rahmen des vorliegenden Urteils ist es nicht erforderlich, den gemeinschaftlichen Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" für die Zwecke des Mehrwertsteuersystems genau zu definieren; vielmehr genügt die Feststellung, dass sich dieser Begriff nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern dass er andere Tätigkeiten einschließt, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben.

27 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, gegebenenfalls unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erneut zu prüfen, ob sich die Tätigkeiten, um die es im Ausgangsverfahren geht, auf "Schul- und Hochschulunterricht" im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie beziehen.

28 Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie genügt im Übrigen nicht, dass es sich bei dem Unterricht um Schul- oder Hochschulunterricht handelt; er muss außerdem "von Privatlehrern erteilt" werden.

29 Im Ausgangsverfahren ergibt sich zwar aus den Akten, dass Herr Haderer als Lehrer unterrichtet, was weder das Finanzamt noch die Mitgliedstaaten oder die Kommission in ihren nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs eingereichten schriftlichen Erklärungen bestreiten, fraglich ist aber, ob er diesen Unterricht "privat" erteilt.

30 Anhand des letztgenannten Begriffs kann zwischen den Leistungen, die von den in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie genannten Einrichtungen erbracht werden, und den Leistungen im Sinne von Abs. 1 Buchst. j dieser Vorschrift, die Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung erbringen, unterschieden werden.

31 Zu den letztgenannten Leistungen kann z. B. Privatunterricht gehören, bei dem zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen des Unterrichtenden grundsätzlich ein Zusammenhang besteht. Der Wortlaut von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie schließt insofern keineswegs aus, dass Unterricht, der mehreren Personen gleichzeitig erteilt wird, unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung fällt.

32 Außerdem setzt, wie die Kommission vorträgt, das Erfordernis, dass der Unterricht privat erteilt wird, nicht unbedingt das Bestehen einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Teilnehmern und dem Unterrichtenden voraus. Eine solche Vertragsbeziehung besteht nämlich oft mit anderen Personen als den Teilnehmern, etwa mit den Eltern der Schüler oder Hochschüler.

33 Im Ausgangsverfahren, wie es in den Randnrn. 5 bis 8 des vorliegenden Urteils geschildert worden ist, könnten bestimmte Aspekte der dem Gerichtshof vorliegenden Akten für sich gesehen zwar darauf hindeuten, dass Herr Haderer seine Tätigkeiten für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung und deshalb "privat" ausübt. Dies gilt insbesondere für das Nichtbestehen eines Anspruchs auf Fortzahlung der Bezüge im Verhinderungsfall und dafür, dass Herr Haderer bei Ausfallen der Kurse das Honorarrisiko trug.

34 Aus denselben Randnummern dieses Urteils ergibt sich jedoch, dass Herr Haderer die im Ausgangsverfahren fraglichen Leistungen aufgrund von aufeinanderfolgenden Verträgen mit dem Land Berlin erbrachte. Seine Honorare wurden außer in dem Fall, dass die Kurse wegen Fehlens von Teilnehmern ausfielen, auf Stundenbasis gezahlt, unabhängig von der Höhe der Teilnehmerzahl. Außerdem erhielt er - obwohl es in den Verträgen hieß, dass durch sie kein "Beschäftigungsverhältnis" im Sinne des deutschen Arbeitsrechts begründet werde - einen Zuschuss zu den Kosten seiner Renten- und Krankenversicherung sowie eine prozentual bemessene Urlaubsabgeltung. Schließlich übte er die im Ausgangsverfahren betroffenen Tätigkeiten in vom Land Berlin verwalteten Erwachsenenbildungseinrichtungen aus.

35 Die in der vorstehenden Randnummer dargelegten Aspekte sprechen deshalb dafür, dass Herr Haderer - was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Ausgangsverfahrens zu prüfen haben wird - keineswegs für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung unterrichtete, sondern in Wirklichkeit dem Land Berlin, das ihn für die Erbringung von Dienstleistungen für das von diesem Land verwaltete Bildungssystem bezahlte, als Lehrer zur Verfügung stand.

36 Die Kommission macht geltend, dass es dem gemeinsamen Ziel der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Sechsten Richtlinie vorgesehenen spezifischen Steuerbefreiungen zuwiderlaufen und eine Lücke in das von diesen beiden Vorschriften gemeinsam gebildete System schlagen würde, die Steuerbefreiung in Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens zu versagen. Von selbständigen Lehrern erteilter Unterricht sei nämlich unter bestimmten Umständen mit dem Unterricht vergleichbar, der von den in Abs. 1 Buchst. i genannten "Einrichtungen" erteilt werde.

37 Die bloße Tatsache jedoch, dass die beiden in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Arten der Steuerbefreiung u. a. auf die Förderung des "Schul- und Hochschulunterrichts" als Tätigkeit von allgemeinem Interesse gerichtet sind, kann nicht die These stützen, dass diese beiden Vorschriften zusammen ein System bildeten, mit dem eine Umsatzsteuerbefreiung für Tätigkeiten gewährt werden soll, die nicht jeweils die Voraussetzungen nach der einen oder nach der anderen Vorschrift erfüllen; deren Wortlaut ist, wie in den Randnrn. 16 bis 19 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden ist, eng auszulegen und bezieht sich nur auf die Tätigkeiten, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und genau beschrieben sind.

38 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie für von einem Einzelnen mit dem Status eines freien Mitarbeiters erbrachte Tätigkeiten, die in der Erteilung von Schularbeitshilfe sowie Keramik- und Töpferkursen in Erwachsenenbildungseinrichtungen bestehen, nur dann gewährt werden kann, wenn es sich bei diesen Tätigkeiten um die Erteilung von Schul- oder Hochschulunterricht durch einen für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelnden Lehrer handelt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Fundstelle(n):
TAAAC-47816

1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg