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Venture Capital und Private Equity Fonds: Zweifelsfragen

Die Einkommensteuer-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben Zweifelsfragen zum (BStBl 2004 I S. 40) mit folgendem Ergebnis erörtert:

1. Erteilung verbindlicher Auskünfte

Verbindliche Auskünfte zu Venture Capital und Private Equity Fonds können nach den allgemeinen Grundsätzen erteilt werden. Voraussetzung für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist das Vorliegen eines besonderen steuerlichen Interesses. Ein besonderes steuerliches Interesse ist grundsätzlich nur bei Fragestellungen gegeben, die nicht bereits durch das geklärt worden sind.

2. Zweifelsfragen

a) Übernahme von Bürgschaften durch einen Private Equity Fonds für eine Portfoliogesellschaft ( Tz. 9, 10)

  • Übernimmt ein Private Equity Fonds für eine Portfoliogesellschaft zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens kurzfristig Bürgschaften, indiziert dies die Gewerblichkeit des Fonds.

  • Die Übernahme von Bürgschaften durch einen Private Equity Fonds für eine Portfoliogesellschaft zur Unterstützung bei der Behebung von Vertragsunklarheiten indiziert keine Gewerblichkeit des Fonds.

    Der Erörterung lag ein Fall zugrunde, bei dem eine Portfoliogesellschaft einen Unternehmenskauf abgeschlossen hatte. Ein Teil des hierfür vereinbarten Kaufpreises war bis zur Klärung von kaufpreisrelevanten Unklarheiten zurückbehalten worden. Für den Fall, dass der Kaufpreiseinbehalt zu zahlen war, hatte sich der Private Equity Fonds verpflichtet, sein Eigenkapitalengagement in der Portfoliogesellschaft entsprechend aufzustocken. Da der finanzierenden Bank dieses Versprechen nicht ausreichte, hatte der Fonds unmittelbar gegenüber der Bank für die Portfoliogesellschaft eine Bürgschaft abgegeben.

  • Die Übernahme von Bürgschaften durch einen Private Equity Fonds für eine Portfoliogesellschaft zur Unterstützung eines Wachstumsunternehmens indiziert die Gewerblichkeit des Fonds.

    In dem Besprechungsfall war eine Portfoliogesellschaft auf starkem Wachstumskurs und hatte einen hohen Investitionsbedarf. Für das Gesamtvolumen der Wachstumsfinanzierung war eine Kombination aus Eigenkapital (des Fonds) und Fremdkapital (von finanzierenden Banken) vorgesehen. Für die Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital waren im Kreditvertrag unternehmensbezogene Finanzkennzahlen vereinbart. Werden diese für einen bestimmten Zeitraum nicht eingehalten, muss der Private Equity Fonds zur Stützung der Portfoliogesellschaft deren Eigenkapitalengagement aufstocken. Da der finanzierenden Bank das Zuschussversprechen des Fonds nicht ausreichte, hatte der Fonds Bürgschaften übernommen.

b) Haltedauer ( Tz. 14)

  • Für die Ermittlung der „gewogenen durchschnittlichen Haltedauer, bezogen auf das gesamte Beteiligungskapital”, ist ausschließlich auf das Nominalkapital der jeweiligen Beteiligung abzustellen. Auf die detaillierte Entwicklung des Beteiligungskapitals unter Einbeziehung von Kapitalrücklagen, Gewinnmehrungen usw. kommt es daher nicht an. Der Begriff des „gesamten Beteiligungskapitals” ist im formalen Sinne zu verstehen. D.h., dass Darlehen, Mantel- und Optionsschuldverschreibung, typische stille Gesellschaften und Anteilsoptionen nicht zum Beteiligungskapital in diesem Sinne gehören, selbst wenn sie in einer Krise Eigenkapital ersetzenden Charakter hätten.

  • Soweit von Wagniskapitalgesellschaften den einzelnen Portfolio-Gesellschaften über mehrere Finanzierungsrunden verteilt Kapital zur Verfügung gestellt wird, ist für die Berechnung der Haltedauer vom kumulierten Kapital ohne Berücksichtigung der einzelnen Zahlungszeitpunkte auszugehen. Als Beginn der Haltedauer ist auch bei mehreren Beteiligungserwerben aufgrund aufeinander folgender Finanzierungsrunden insgesamt vom Zeitpunkt des ersten Beteiligungserwerbes auszugehen. Für die Frage des Endes der Haltedauer ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Fonds seine Beteiligung im Wesentlichen veräußert hat. Hiervon ist auszugehen, wenn der Fonds mehr als 90 % der gesamten erworbenen Anteile an einer Portfolio-Gesellschaft veräußert oder übertragen hat.

c) Unschädliche Wahrnehmung von Aufsichtsratsfunktionen ( Tz. 16)

Die unschädliche „Wahrnehmung von Aufsichtsratsfunktionen in den gesellschaftsrechtlichen Gremien der Portfolio-Gesellschaft” bestimmt sich unabhängig von der Rechtsform und der Ansässigkeit der Portfolio-Gesellschaften nach dem gesetzlichen Leitbild des Aufsichtsrats einer deutschen Aktiengesellschaft. D.h., auf andere Gesellschaftsformen (z.B. GmbH) und ausländische Portfolio-Gesellschaften werden die Grundsätze, die für den Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft gelten, übertragen.

Die Mitgliedschaft in einem Gremium einer ausländischen Portfolio-Gesellschaft mit geschäftsleitender Funktion, dessen Zuständigkeiten und Kompetenzen die eines Aufsichtsrats nach deutschem Aktienrecht überschreiten, ist im Sinne der Tz. 16 des als schädliches unternehmerisches Tätigwerden zu werten, wenn eine nach dem maßgeblichen ausländischen Recht wirksame Beschränkung des Tätigkeitsumfangs des Fondsvertreters im besagten geschäftsleitenden Gremium nicht möglich oder zulässig ist. Das Vorliegen und die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist vom Fonds auf Verlangen dem FA gegenüber nachzuweisen.

d) Unschädliche Zustimmungsvorbehalte ( Tz. 16)

Für die Frage, ob der Geschäftsführung der Portfolio-Gesellschaft noch ein echter Spielraum für unternehmerische Entscheidungen verbleibt, kommt es auf die Umstände des jeweiligen konkreten Einzelfalls an.

e) Übergangsregelung/Vertrauensschutz ( Tz. 26)

Die Voraussetzungen der Übergangs- und Vertrauensschutzregelung liegen nicht vor, wenn ein Wagniskapitalfonds den Sitz der Fondsverwaltung in ein anderes Bundesland verlegt (mit einer konkret feststellbaren für den Fonds günstigeren Verwaltungspraxis), im bisherigen Sitzland aber keine feststellbare günstigere Verwaltungspraxis gegeben war.

Anmerkung:

In Hessen bestand bis zum Ergehen des keine vom BMF-Schreiben abweichende Verwaltungspraxis. Die Regelungen des BMF-Schreibens sind daher in allen offenen Fallen anzuwenden.

Hinweis:

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG (eingefügt durch das Gesetz zur Förderung von Wagniskapital, BStBl 2004 I S. 846) führt der erhöhte Gewinnanteil („carried interest”) aus vermögensverwaltenden Gesellschaften beim Gesellschafter zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Diese unterliegen nach § 3 Nr. 40a EStG (ebenfalls eingefügt durch das Gesetz zur Förderung von Wagniskapital) dem Halbeinkünfteverfahren.

§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG trat am Tag nach der Verkündung des Gesetzes () in Kraft und ist damit ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 EStG).

§ 3 Nr. 40a EStG ist nach § 52 Abs. 4c EStG auf Vergütungen i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG anzuwenden, wenn die vermögensverwaltende Gesellschaft nach dem gegründet worden ist oder soweit die Vergütungen in Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften stehen, die nach dem erworben worden sind.

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Fundstelle(n):
SAAAC-45440