Online-Nachricht - Mittwoch, 07.06.2023

Arbeitsrecht | Betriebsratsvorsitzender darf nicht zum Datenschutzbeauftragten bestellt werden (BAG)

Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in aller Regel, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des BDSG in der bis zum gültigen Fassung (a.F.) zu widerrufen ().

Sachverhalt: Der bei der Beklagten angestellte Kläger ist Vorsitzender des Betriebsrats und in dieser Funktion teilweise von der Arbeit freigestellt. Mit Wirkung zum wurde er von der Beklagten und weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit widerriefen die Beklagte und die weiteren Konzernunternehmen die Bestellung des Klägers am wegen einer Inkompatibilität der Ämter mit sofortiger Wirkung. Nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie (RL) 95/46/EG (DSGVO) beriefen sie den Kläger vorsorglich mit Schreiben vom gemäß Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO als Datenschutzbeauftragten ab.

Der Kläger macht geltend , seine Rechtsstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Beklagten bestehe unverändert fort. Die Beklagte vertritt die Auffassung , Interessenkonflikte bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender ließen sich nicht ausschließen. Die Unvereinbarkeit beider Ämter stellen einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers dar.

Die Richter des BAG wiesen die Klage in letzter Instanz ab:

  • Der Widerruf der Bestellung war aus wichtigem Grund i.S.v. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG a.F. i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Ein solcher liegt vor, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit i.S.v. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG a.F. nicht (mehr) besitzt.

  • Die Zuverlässigkeit kann in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Ein abberufungsrelevanter Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Dabei sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu würdigen.

  • Diese vom EuGH zu einem Interessenkonflikt i.S.v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorgenommene Wertung ( "X-FAB Dresden") gilt nicht erst seit der Novellierung des Datenschutzrechts aufgrund der DSGVO, sondern entsprach bereits der Rechtslage im Geltungsbereich des BDSG a.F.

  • Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können danach typischerweise nicht durch dieselbe Person ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden.

  • Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsieht. Der Betriebsrat entscheidet durch Gremiumsbeschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er in Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben welche personenbezogenen Daten vom Arbeitgeber fordert und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. In diesem Rahmen legt er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest.

  • Inwieweit jedes an der Entscheidung mitwirkende Mitglied des Gremiums als Datenschutzbeauftragter die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten des Datenschutzes hinreichend unabhängig überwachen kann, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls die hervorgehobene Funktion des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG a.F. auf.

Quelle: BAG, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB UAAAJ-41461