Online-Nachricht - Freitag, 23.12.2022

Einkommensteuer | Qualifikation von Erträgen aus Mitarbeiterbeteiligungen (FG)

Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten laufenden Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen (; Revision anhängig, BFH-Az. VIII R 10/22).

Sachverhalt: Die Kläger sind verheiratet und wurden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. In den Streitjahren 2013 bis 21015 war der Kläger leitender Angestellter (Projektleiter) der international tätigen A KG und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger schloss mit der A KG einen Gesellschaftsvertrag zur Begründung einer „typischen stillen Gesellschaft“, für den nachträglich eine Rangrücktrittserklärung vereinbart wurde. Der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag enthielt eine Einlageverpflichtung des Klägers, die er später freiwillig erhöhte. Die Leistung der jeweils vereinbarten Einlage konnte durch Bareinzahlung oder Stehenlassen von Tantieme- und Vergütungsansprüchen bzw. durch Gutschrift von künftigen Gewinnanteilen aus der stillen Gesellschaft erfolgen. Der Kläger leistete sämtliche Einlageverpflichtungen durch Stehenlassen von Gewinnanteilen. Die Einlage ging jeweils in das Vermögen der A KG über und wurde auf dem festen Kapitalkonto verbucht. Der Kläger erhielt als stiller Gesellschafter im Innenverhältnis eine Ergebnisbeteiligung nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags, war aber zu keinem Zeitpunkt im Außenverhältnis für Gläubiger der A KG haftbar. Hiervon unberührt blieb die Haftung im Innenverhältnis mit der geleisteten Einlage sowie der angesparten Rücklage aufgrund der Rangrücktrittsregelungen. Die jeweilige Beteiligung des Klägers am Jahresergebnis der A KG richtete sich nach dem Verhältnis der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage des Klägers zum Gesamtkapital der A KG. Die Ergebnisbeteiligung sämtlicher stiller Gesellschafter war auf maximal 25% begrenzt.

Die jeweils auf den Kläger entfallende Beteiligung am Jahresergebnis (die „Gewinnanteile"), die weder dem Kapitalkonto, Verlustkonto oder Rücklagenkonto zuzuführen waren, wurden dem Darlehenskonto gutgeschrieben. Während der Kläger Guthaben auf dem Darlehenskonto jederzeit entnehmen konnte, waren die Einlage und das Guthaben auf dem Rücklagenkonto vor Beendigung der stillen Gesellschaft nicht entnahmefähig. Der Gesellschaftsvertrag sah für den Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses vor, dass die stille Gesellschaft unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum nächsten 31. Dezember durch beide Parteien gekündigt werden konnte.

Im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses wurde die stille Gesellschaft einvernehmlich aufgehoben. Der Kläger hatte daraufhin einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Der Kläger erklärte die Einkünfte aus der stillen Beteiligung im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung der Kalenderjahre 2013 bis 2016 als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die das beklagte Finanzamt (FA) als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuerte.

Das FG Baden-Württemberg gab der Klage statt:

  • Die Gewinnanteile aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter der A KG sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG anstatt als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG zu qualifizieren.

  • Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung, die daraus erzielten laufenden Erträge sind keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen.

  • Für den Charakter einer Beteiligung als eigenständige und vom Arbeitsverhältnis unabhängige Erwerbsgrundlage spricht es insbesondere, wenn der Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf den Erwerb der Beteiligung und einen anteiligen Veräußerungserlös als Gegenleistung für die nichtselbständige Tätigkeit vorsieht, die Beteiligung vom Arbeitnehmer zum Marktpreis (und nicht etwa verbilligt) erworben und veräußert wird und der Arbeitnehmer das volle Verlustrisiko träge sowie keine besonderen Umstände aus dem Arbeitsverhältnis erkennbar sind, die Einfluss auf die Veräußerbarkeit und Wertentwicklung der Beteiligung nehmen.

  • Nach den vorgenannten Maßstäben ist der Senat im Rahmen einer Gesamtschau davon überzeugt, dass die dem Kläger aus der stillen Beteiligung zugeflossenen Erträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu qualifizieren und nicht durch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) veranlasst gewesen sind.

  • Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis spricht besonders, dass die Ausgestaltung der stillen Beteiligung formell nach den üblichen gesetzlichen Kriterien erfolgt ist, den Kläger in Höhe der Einlage und auch der Rücklage ein Verlustrisiko getroffen hat und mit der vereinbarten Nachrangigkeit die stille Beteiligung überwiegend gesellschaftsrechtlich bzw. bilanzrechtlich motiviert gewesen ist. Der Kläger hat zudem einen möglichen Verlust aus seinem privaten und bereits versteuerten Vermögen tragen müssen.

  • Der Senat ist zudem davon überzeugt, dass die stille Gesellschaft aus Sicht der A KG in erster Linie darin begründet gewesen ist, das bilanziell ausgewiesene Eigenkapital der A KG zu stärken und nicht etwa die Arbeitsleistung des Klägers zu vergüten. Als Familiengesellschaft ist es ihr nachvollziehbar darauf angekommen, dieses Kapital nicht von fremden Dritten zu erlangen, sondern auf ihre Kapitalgeber dauerhaft vertrauen zu können. Zudem hat der Kläger glaubhaft vorgetragen, dass die Unternehmensfinanzierung durch Geschäftsbanken aufgrund der Risikostruktur der A KG nur eingeschränkt möglich gewesen ist. Die A KG habe deswegen in den 90er Jahren ihre Kapitaldecke durch Begründung stiller Gesellschaften mit ihren führenden Mitarbeitern gestärkt. Dies kann auch als starkes Signal an die Kunden und fremde Kreditgeber der A KG gewertet werden, was ebenfalls für ein Sonderrechtsverhältnis spricht.

  • Weiteres erhebliches Indiz für die Begründung eines Sonderrechtsverhältnisses ist zudem die Zuführung von Kapital auf das Rücklagenkonto. Laut Gesellschaftsvertrag sind Gewinne, die nicht vorrangig dem Kapitalkonto oder dem Verlustkonto gutzuschreiben waren, mit 25% des jeweiligen Gewinnanteils auf dem Rücklagenkonto verbucht worden. Die Zuführung zum Rücklagenkonto ist eine rein fakultative Regelung, der es zur Begründung der stillen Gesellschaft nicht bedurft hätte. Hierfür wäre die Verpflichtung zur Einlage ausreichend gewesen. Das Rücklagenkonto begründet Eigenkapital der Gesellschaft und ist vom Verlustrisiko betroffen. Laut Gesellschaftsvertrag hat der Gesellschafter nur durch Kündigung des Gesellschaftsvertrages über die gebildeten Rücklagen verfügen können. Auch insofern ist ersichtlich, dass die Motivation der Vertragsparteien nicht im Arbeitsverhältnis, sondern im Gesellschaftsrecht begründet gewesen ist. Das Verhältnis der Gesamteinlagen der stillen Gesellschafter zu den Gesamtdarlehen in Höhe von 13,51% kann in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführt werden.

  • Aufgrund der vorgenannten Motivation, die A KG bzw. ihr Eigenkapital durch stille Beteiligungen zu stärken, hält der Senat auch die Renditemöglichkeiten der Gesellschafter für nicht aus dem Arbeitsverhältnis begründet. Die gesamte Gestaltung entspricht handelsrechtlichen Vorgaben. Aus Sicht des Senats ist auch die Höhe der Rendite nicht zu beanstanden.

  • Auch im Übrigen sind die Argumente des Klägers überzeugend, denn tatsächlich hat er bereits ein fremdübliches Gehalt mit variablen Anteilen erhalten und es ist nicht ersichtlich geworden, dass die Ausgestaltung der stillen Beteiligung ähnlich einem Aktienaktionsprogramm als „Anreizlohn“ ausgestaltet gewesen ist. Dem sogenannten „Anreizlohn“ ist es zu eigen, dass die Mitarbeiter verbilligt Aktien erwerben können. Vorliegend verhält es sich allerdings anders, da der Kläger zunächst die stille Beteiligung aus versteuerten Einnahmen hat erwerben müssen und kein zusätzliches Entgelt erhalten hat. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass es möglich gewesen ist, die Einlage durch Stehenlassen von Gewinnen zu erbringen.

  • Auch das Kündigungsrecht der A KG bzw. des Klägers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Das Kündigungsrecht ist letztlich Ausdruck und Folge der Mitarbeiterbeteiligung und rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme, dass dem Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Möglichkeit zur Beteiligung Lohn zugewendet wird. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als beiden Beteiligten nur ein Kündigungsrecht zugestanden hat, von einem Automatismus kann man also nicht sprechen.

  • Dem Senat ist bekannt, dass das Sächsische FG in seinen Urteilen v. - 8 K 438/21 und 8 K 849/21) über ähnlich gelagerte Fälle zu entscheiden gehabt hat und in beiden Verfahren zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Ergebnisbeteiligungen in Mitarbeiterlohn umzuqualifizieren sind. In den Verfahren seien Nichtzulassungsbeschwerden beim BFH anhängig.

  • Allerdings unterscheiden sich die festgestellten Sachverhalte nach den vorliegenden Erkenntnissen in wesentlichen Punkten. So hat in den Verfahren des Sächsischen FG die Gesellschaft automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses geendet, es ist keine zusätzliche Rücklage aufgebaut worden, es hat kein Verlustrisiko bestanden, es ist keine nachträgliche Rangrücktrittsvereinbarung vereinbart worden und auch die besondere Situation der Beschaffung von Eigenkapital für den Arbeitgeber scheinen dort keine Rolle gespielt zu haben.

Quelle: FG Baden Württemberg, Newsletter 3/2022 (il)

Fundstelle(n):
NWB DAAAJ-29853